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US-Präsident Joe Biden fordert mehr Anstrengungen bei der Klärung des Corona-Ursprungs. China reagiert verärgert. Im Zentrum steht einmal mehr der Forschungsstandort Wuhan Institute of Virology.

Foto: Reuters / Thomas Peter

Washington – US-Präsident Joe Biden macht erstmals öffentlich Druck auf die US-Geheimdienste, den Ursprung der Corona-Pandemie zu klären. Der Präsident hat sie in der Nacht auf Donnerstag beauftragt, dem Ursprung der Corona-Pandemie auf den Grund zu gehen – und das auch in einer öffentlichen Erklärung festgehalten.

Die bisherigen Untersuchungen hätten unterschiedliche Einschätzungen ohne abschließende Folgerungen geliefert, hieß es am Mittwoch in einer schriftlichen Stellungnahme Bidens, aus der durchaus kritische Töne durchklingen. Daher habe er die Geheimdienste angewiesen, nun ihre Bemühungen zu verstärken und binnen 90 Tagen einen weiteren Bericht dazu vorzulegen.

Uneindeutige Ergebnisse

Im Fokus dabei einmal mehr: China. Die Vereinigten Staaten arbeiteten dabei mit gleichgesinnten Partnern rund um die Welt zusammen, um Peking zu mehr Transparenz und Zugang zu Daten zu drängen, erklärte Biden. Er habe nach seinem Amtsantritt bereits einen ersten Geheimdienstbericht zum Ursprung der Pandemie in Auftrag gegeben – inklusive der Frage, ob das Virus durch einen menschlichen Kontakt mit einem infizierten Tier oder durch einen Laborunfall aufgekommen sein könnte. Diesen Bericht habe er inzwischen erhalten.

Die Ergebnisse, gab Biden dabei zu verstehen, seien nicht so ganz klar gewesen. Innerhalb des Geheimdienstapparates gebe es unterschiedliche Einschätzungen zu der Frage. Allerdings fehle es an Informationen, um die Szenarios abschließend zu bewerten. Die Geheimdienste sollten nun weitere Informationen sammeln und analysieren, "die uns einer endgültigen Schlussfolgerung näher bringen könnten".

Zeitungsbericht zu Labor

Seit langem kursieren unbelegte Mutmaßungen, das Coronavirus könne aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan stammen und womöglich durch einen Laborunfall freigesetzt worden seien. Expräsident Donald Trump und auch sein Außenminister Mike Pompeo hatten wiederholt behauptet, sie hätten Hinweise, das Virus aus einem Labor in Wuhan stamme. Trump hatte gesagt, womöglich sei ein "schrecklicher Fehler" geschehen: "Wahrscheinlich war es Inkompetenz, jemand war dumm." Belege präsentierten aber weder er noch Mitglieder seiner Regierung.

Das "Wall Street Journal" hatte jüngst über einen Geheimdienstbericht geschrieben, der dieser These neues Futter gegeben hat. Demnach sind bereits im November 2019 mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Forschungsinstituts – des Wuhan Institute of Virology – in Krankenhäuser eingeliefert worden. Das Zentrum war schon bisher im Fokus von Spekulationen gestanden, weil dort auch an Coronaviren geforscht wurde und es unweit vom ersten bekannten Ausbruchsort von Covid-19, dem Wildtiermarkt von Wuhan, entfernt liegt. Konkrete Belege für einen Zusammenhang lieferte aber auch dieser Bericht nicht. Mehrere republikanische Senatoren haben jüngst gefordert, geheimdienstliche Erkenntnisse in dieser Frage öffentlich zu machen.

Die Chinesen haben derartige Vorwürfe bisher vehement zurückgewiesen. Peking hatte in den vergangenen Tagen auch einen US-Medienbericht dementiert, wonach drei Wissenschafter des Instituts für Virologie in Wuhan im November 2019 in ein Krankenhaus gekommen waren.

Zweifel an WHO

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) war in einer im März vorgelegten Studie zu dem Schluss gekommen, dass das Virus außer in Fledermäusen auch in Schuppentieren seinen Ursprung haben könnte. Die Theorie, dass es aus einem Labor entwichen sein könnte, bezeichneten die beteiligten Wissenschafter dagegen als "extrem unwahrscheinlich". Eine zweite Phase der Nachforschungen ist geplant. Allerdings gibt es Zweifel an der Unabhängigkeit der WHO, in der China großen politischen Einfluss genießt.

Auch weitere, unabhängige Forscherinnen und Forscher gingen allerdings bisher nicht von einem solchen Ursprung aus. Auch die Genetik des Virus sehe nicht so aus, wie ein menschgemachtes Virus aussehen würde, hieß es stets. Immer wieder gab es zuletzt aber auch Forscher, die doch einen Laborursprung für möglich hielten.

Scharfe Reaktion

Ärgerlich reagierte mittlerweile das chinesische Außenministerium auf die Vorwürfe der USA. Ermittlungen durch Geheimdienste lehne man ab, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian. Er warf den USA vor, die Suche zu politisieren und China die Schuld an der Pandemie geben zu wollen. Er wehrte sich gegen den Verdacht, dass das Virus aus einem chinesischen Labor entwichen sein könnte. Das sei "extrem unwahrscheinlich", zudem würden die USA "die Augen vor den Fakten verschließen", sagte Zhao Lijian.

Chinas Regierung steht, abseits der Frage des Virusursprungs, auch wegen ihres Umgangs mit der Pandemie massiv in der Kritik. Sie hatte wochenlang Informationen über die Erkrankungen in Wuhan zurückgewiesen. Whistleblower wie der später selbst an Covid verstorbene Augenarzt Li Wenliang wurden zunächst aufgefordert, sich für die Störung der öffentlichen Ordnung zu entschuldigen, die ihre Warnungen verursacht hätten. China selbst brachte die Viruserkrankung später durch eine Serie scharfer Lockdowns und obrigkeitsstaatlicher Gesundheitskontrollmechanismen unter Kontrolle.

Was den Ursprung des Virus betrifft, so lässt Bidens neue Erklärung auch die Möglichkeit offen, dass es definitive Antworten womöglich nie geben wird. Der US-Präsident beklagte, dass in den ersten Monaten der Pandemie – also noch unter Trump – US-Inspektoren keinen Zugang vor Ort bekommen hätten. Dies werde "immer jede Untersuchung" behindern. Die US-Geheimdienste hatten im April vergangenen Jahres mitgeteilt, sie stimmten "mit dem breiten wissenschaftlichen Konsens überein, dass das Covid-19-Virus nicht von Menschen gemacht oder genetisch verändert wurde". Sie kündigten aber auch an, neue Erkenntnisse zu prüfen. (mesc, APA, 27.5.2021)