Was ist die richtige Meinung? – "Ich, Galileo" (Georg Schubert) im TAG.

Anna Stöcher

Wien – Die Pandemie hat gezeigt, wie weit die Blickwinkel auf die Welt manchmal auseinanderliegen. Die nächsten Verwandten schon sind sich im Fall der Virusverbreitung einer weltweiten Verschwörung sicher, andere vermuten einen biochemischen Angriff, wieder andere denken, Covid sei nur Luft und seine Erfindung diene einzig dazu, die Weltwirtschaft zentral gesteuert in Schutt und Asche zu legen. Digitale Kanäle verbreiten und bündeln Meinungen ungefiltert und effizient, sodass wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse mancherorts nicht mehr Gewicht haben als persönlich motivierte eigene Ansichten.

Einen Meinungskrieg gab es auch zu Anfang des 17. Jahrhunderts, als der Mathematiker Galileo Galilei seine Theorie über das heliozentrische Weltbild vor der katholischen Kirche zurückziehen musste, weil sie der damals geltenden theologischen Lehre widersprach. Diesen Stoff, den Bertolt Brecht bereits in seinem Drama Leben des Galilei (1943) verarbeitete, greift nun Gernot Plass am Wiener Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) für sein eigenes Stück Ich, Galileo auf. Uraufführung ist am Samstag.

Ohne Brecht

Nach Jahren der Klassikerneufassungen (Käthchen von Heilbronn, Richard III., Macbeth, Medea u. a.) schlägt Plass damit eine neue Richtung ein und verzichtet selbstbewusst auf eine etwaige Surplus-Etikettierung durch Brecht. Den Mann braucht es nicht, Galileo Galilei allein reicht, um den Konflikt schon im Titel augenscheinlich zu machen.

Ob Galilei nun für den Part des Robert-Koch-Instituts einsteht oder für den der "Querdenker" oder ob es gar nicht um Meinungssieg geht, sondern um die noch verbliebenen Möglichkeiten des gegenseitigen Zuhörens, wird sich herausstellen. Das Stück fordert jedenfalls das Recht auf Auseinandersetzung ein. (afze, 27.5.2021)