Laurence des Cars organisierte zuletzt spektakuläre Ausstellungen im Pariser Musée d'Orsay.

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Die Leitung des Louvre ist einer der wichtigsten öffentlichen Posten in Paris – und damit Chefsache: Präsident Emmanuel Macron kümmerte sich seit Monaten persönlich um die Frage und bestimmte am Mittwoch zum ersten Mal eine Frau an der Spitze des Museums. Einer seiner Sprecher erklärte, Laurence des Cars bringe "berufliche Erfahrung und internationale Statur" mit; auch sei sie "offen, großzügig, vielseitig, ehrgeizig und auf die Jugend ausgerichtet".

Des Cars muss für ihren neuen Job nur die Seine überqueren. Die 54-jährige Kunsthistorikerin mit Spezialgebiet ausgehendes 19. und beginnendes 20. Jahrhundert leitet heute das Impressionisten-Museum Quai d'Orsay auf der linken Seite des Pariser Stadtflusses. Ab 1. September wird sie über den ehemaligen Königspalast Louvre auf der rechten Seine-Seite regieren. Bis dahin amtiert dort noch der Louvre-Direktor Jean-Luc Martinez (57). Er galt als Favorit für seine eigene Nachfolge. Offenbar verscherzte er es sich mit Macron, als er in einem Interview mit der Zeitschrift "Paris-Match" von sich eingenommen erklärte, er wäre der geeignete Mann, um "Frankreich intellektuell aufzurüsten".

Ein breiteres Publikum ansprechen

Macron wollte ohnehin eine Frau, wobei er die Wahl zwischen mehreren Kandidatinnen hatte. Laurence des Cars, die Tochter und Enkelin stadtbekannter Schriftsteller und Journalisten, hatte sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht, als sie im Musée d'Orsay erfolgreiche und spektakuläre Ausstellungen organisierte. Dazu gehörte eine Schau zu Marquis de Sade oder im Jahr 2019 zu schwarzen Künstlermodellen in der französischen Malerei. Damit brachte des Cars mitten in der Black-Lives-Matter-Zeit ein künstlerisches Tabuthema in die öffentliche Diskussion.

Bei ihrer Bewerbung für die Louvre-Leitung überzeugte die gebürtige Pariserin auch mit einem Konzept, das versucht, ein breiteres Publikum anzusprechen. Im Jahr 2018 hatte der Louvre 10,2 Millionen Besucher angezogen, davon mehr als zwei Drittel aus dem Ausland. Im Jahr 2020 sank diese Zahl auf 2,7 Millionen. Und bis die Chinesen und Japaner, Amerikaner und Deutschen wieder en masse unter die berühmte Glaspyramide zurückkehren, dürften laut Experten zwei oder gar drei Jahre vergehen.

Laurence des Cars will zum einen die Öffnungszeiten verlängern. Die gelegentlichen Nocturnes dürften viel häufiger werden, sodass die Besucher öfters eine Nacht im Museum wie im gleichnamigen Spielfilm erleben können. Auch inhaltlich will die Frau mit dem unprätentiösen Auftreten einiges ändern. So will sie eine neunte Abteilung namens Byzanz schaffen.

Aktuelle Kunstströmungen sollen berücksichtigt werden

Kunsthistorisch soll der Louvre aber auch mit der Zeit gehen. Schon der Vorgänger von des Cars hatte versucht, Blockbuster-Schauen wie etwa um Leonardo da Vinci zu lancieren oder jüngere Themen aufzugreifen. Die kommende Ausstellung heißt zum Beispiel "Paris-Athen, Geburt des modernen Griechenland". Laurence des Cars will aber weiter gehen und nicht nur moderne, sondern auch aktuelle Kunstströmungen berücksichtigen, was dem Louvre ebenfalls ein neues Publikum erschließen soll.

Damit nimmt die neue Chefin auch den Wettbewerb mit anderen Pariser Museen in Kauf, darunter der vor einer Woche eröffneten Pinault-Collection in der Bourse de Commerce (Handelsbörse). Konfliktstoff bietet auch der Louvre-Ableger in Abu Dhabi. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2017 befolgt er die künstlerischen und finanziellen Bedingungen für die ungewöhnliche Kooperation schlecht, wie der französische Rechnungshof unlängst festgehalten hat.

Des Cars kennt dieses politisch heikle Dossier bestens: Sie hatte mehrere Jahre für die staatliche Agentur France-Muséums gearbeitet, die sich namentlich mit dem Projekt des "Wüsten-Louvre" in den Vereinigten Arabischen Emiraten befasste. Eine Frage hat Laurence des Cars bereits geregelt: Die "Mona Lisa" wird den Louvre nicht mehr verlassen. Die frühere Kulturministerin Françoise Nyssen hatte dies angeregt, wobei sie sich auf Expertenmeinungen stützte, welche die Gioconda als reisefähig einschätzten. Die neue Louvre-Chefin erklärte nun, das berühmte Da-Vinci-Gemälde sei zu fragil, um sein Zuhause das erste Mal seit über 200 Jahren zu verlassen. (Stefan Brändle, 27.5.2021)