Lange stand die Zukunft des Geländes des Eutritzscher Freiladebahnhofs in Leipzig in den Sternen. Lange schoben sich die Stadt und der Investor, der Wiener Entwickler Imfarr, gegenseitig die Schuld dafür zu. Doch nun scheint es langsam, aber sicher voranzugehen. Denn der Masterplan für das rund 25 Hektar große Gelände, der bereits seit März 2019 fertig war, wurde mittlerweile von der Stadtverwaltung beschlossen. Baubeginn soll Anfang 2022 sein.

Kurzer Rückblick: Im Frühjahr 2019 erwarb die Imfarr Beteiligungs GmbH, bei der auch Ex-Bundeskanzler Werner Faymann und dessen Ex-Sprecher Matthias Euler-Rolle mitwirken, das Grundstück in Leipzig. Zur Überraschung der Stadt übernahm die Imfarr das Projekt von der deutschen CG-Gruppe, die nicht die abgemachte Vorwarnung von sechs Wochen aussprach, für rund 160 Millionen Euro.

Die Imfarr soll das Gelände des Eutritzscher Freiladebahnhofs entwickeln – der Baustart ist für Anfang 2022 angepeilt.
Foto: Immocom

Anstatt aber sofort loszulegen, begann ein langes Hin und Her, bei dem Stadt und Investor sich gegenseitig vorwarfen, das Projekt unnötig zu verzögern. Zwischendurch drohte die Imfarr mit dem "Abbruch des Vorhabens mit allen Konsequenzen", aufseiten der Stadt munkelte man, die Imfarr wäre gar nicht daran interessiert, das Grundstück zu entwickeln – sondern lediglich daran, es teurer zu verkaufen.

Ein erster Schritt

Nun sind aber offenbar die gröbsten Auffassungsunterschiede ausgeräumt. Den Beschluss des Masterplans im November sahen beide Seiten als Startschuss für eine ins Rollen kommende Zusammenarbeit. In einer Pressemitteilung Ende 2020 dankte die Imfarr bzw. ihre 100-prozentige Projekttochter Leipzig 416 GmbH ausdrücklich dem Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung und dem neuen Baubürgermeister Thomas Dienberg "für die konstruktiven Gespräche und Verhandlungen der letzten Wochen und Monate". Man freue sich darauf, das Projekt nun gemeinsam umzusetzen.

Doch es bleiben Zweifel. "Wir sollten endlich mit der Entwicklung des Areals beginnen. Der Rest – und das haben wir aus den Bauarbeiten zum BER gelernt – dauert sowieso noch lang genug", sagte SPD-Stadtrat Getu Abraham unter Anspielung auf die "Endlosbaustelle" Berliner Flughafen. Und auch Linke-Stadträtin Franziska Riekewald hegte beim Beschluss noch Zweifel und bezog sich dabei auf ein schon 2019 vonseiten der Imfarr geäußertes Zitat, man sei "gekommen, um zu bleiben": "Heißt das, die Imfarr hat vor, noch mehr Leipziger Grundstücke zu erwerben, um damit zu spielen?", fragte sie. "Oder heißt das, dass die 416 GmbH wirklich bereit ist, das Areal Eutritzscher Bahnhof mit bezahlbaren Mieten zu entwickeln?"

"Leerstand ist kein Ziel"

Ihre größte Sorge seien die mit der Verzögerung einhergehenden steigenden Mietpreise. "Schon zum jetzigen Stand muss der Investor mit einer Miete pro Quadratmeter von ungefähr 14 Euro kalkulieren. Und mit jedem Weiterverkauf wird diese Miete noch steigen." Deshalb gelte es, diese Spirale zu durchbrechen. "Denn am Ende so einer Spirale hätten wir als Leipzig ein neues Stadtquartier, in dem sich jedoch der normale Leipziger keine Wohnung mehr leisten kann", wird Riekewald in der Leipziger Zeitung zitiert.

Imfarr-Kommunikationschef Euler-Rolle erwiderte, neben den mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen würden die Preise des freifinanzierten Teils den Marktgegebenheiten angepasst sein. "Leerstand ist kein Ziel – weder von der Stadt Leipzig noch von Imfarr." Im Gespräch mit dem STANDARD sagte Riekewald, sie sei gespannt, was die Imfarr jetzt vorhabe. "Es hat scheinbar geholfen, dass wir Termine vorgegeben und die Vertragsbruchstrafen angehoben haben. Aber es sieht aktuell so aus, als wolle die Imfarr tatsächlich entwickeln. Wir brauchen Wohnraum."

Großer Park geplant

30 Prozent der 2400 geplanten Wohnungen sollen mietpreisgebunden sein. Darüber hinaus sind 96.000 m² an Gewerbeflächen, ein 55.000 Quadratmeter großer Park, ein Schul- und Sportcampus samt zwei Schulen und Kitas und weitere kulturell-soziale Einrichtungen geplant. Die nächsten Schritte sind laut der Imfarr der Offenlagebeschluss bis Mitte 2021 und der Satzungsbeschluss bis Ende 2021. Außerdem wolle man das Team vor Ort weiter aufstocken und "lokale Fachplaner mit Großprojekt-Erfahrung in Leipzig beauftragen". (Thorben Pollerhof, 9.6.2021)