Basketball-Party auf dem Grazer Hauptplatz: Österreichs Damen starteten erfolgreich ins 3x3-Olympia-Qualifikationsturnier.

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Dass Graz aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, hat nicht nur mit dem Ende des Lockdowns zu tun. Vom Lendkai kommend hört man Bumm-bumm-Musik, die vom Hauptplatz durch die Gassen dröhnt. Auf den Infoscreens, in den Straßenbahnen, auf Flyern wird eine Basketball-Party angekündigt. Auf dem Hauptplatz wurde eine Eventarena aus dem Boden gestampft, als wäre ein Raumschiff in der Grazer Altstadt gelandet. Beim 3x3-Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele spielen 20 Männer- und 20 Frauenteams aus 36 Ländern bis Sonntag um jeweils drei Tickets für Tokio. 450 Spieler und Betreuer befinden sich in einer Bubble, zwei Grazer Hotels sind belegt. Es ist die größte Blase, die der Basketball-Weltverband Fiba seit Pandemiebeginn organisiert hat. "Wenn wir zu 100 Prozent im Kopf da sind, haben wir eine Chance", sagt Moritz Lanegger, gebürtiger Grazer und Kapitän des Herren-Nationalteams.

Das internationale olympische Komitee (IOC) setzt auf das Pferd 3x3. Nach den Sportarten Skateboarden, Klettern und Surfen, die in Tokio Premiere feiern, oder Breakdance (Paris 2024) soll auch 3x3 dazu beitragen, das angestaubte Image der Sommerspiele zu verbessern und eine jüngere Zielgruppe zu erreichen. Der österreichische Basketballverband (ÖBV) hat die Chance erkannt, eine erfolgreiche Qualifikation ist für die Herren, im Gegensatz zum Hallenbasketball, kein Traum von warmen Eislutschern. Bei 3x3-Turnieren in Israel und Katar hat man bereits aufgezeigt.

Schauen in Logen

Mit einem Budget von zwei Millionen Euro hat der ÖBV den Grazer Hauptplatz mit einer Zirkusmanege bestückt, mehr als 50 TV-Stationen übertragen live. Die Arena bietet 500 Menschen Platz, die aus Sicherheitsgründen auf Logen aufgeteilt werden. Ohne Corona wären 2000 Zuseher möglich gewesen. Den ganzen Tag finden im Halbstundentakt Partien statt, Damen und Herren abwechselnd. Die Party-Choreografie erinnert frappant an Hannes Jagerhofers Sandkastenspiele beim Beachvolleyball.

Im Gegensatz zum klassischen Basketball wird in Dreier- statt Fünferteams und auf nur einen Korb gespielt, zehn Minuten lang. Klingt kurz, ist aber schweißtreibend. Die Intensität ist hoch, es geht hart zu. Beim Vorrundenduell Frankreich gegen die Dominikanische Republik gab es blutige Nasen bei den Karibik-Korbjägern. Zwischendurch tanzt ein Vogelmaskottchen durch die Logen, ein Live-Saxofonkonzert sorgt für Abwechslung zur Musik aus der Steckdose.

Das Event in Graz soll eine Sportart pushen, die besonders für Österreich Zukunftsperspektiven bietet. 2022 findet die Europameisterschaft hierzulande statt, Salzburg ist als Austragungsort im Gespräch. 2023 folgt gar die Weltmeisterschaft, Wunschort für den Verband wäre der Wiener Rathausplatz. "Wir wollen Konstanz reinkriegen, die Leute nachhaltig begeistern", sagt 3x3-Sportdirektor Stano Stelzhammer.

Einen gelungenen Turnierstart feierten Österreichs Damen. Das Quartett Camilla Neumann, Sarah Sagerer, Anja Fuchs-Robetin und Rebekka Kalaydjiev besiegte am ersten Turniertag Taiwan (21:15) und die Schweiz (14:13), wobei vor allem der Sieg gegen die Schweizerinnen unerwartet kam. Diese hatten davor Mitfavorit Spanien geschlagen. Die Herren mit Lanegger, Matthias Linortner, Fabricio Vay und Filip Krämer unterlagen am Donnerstabend zum Auftakt Vizeweltmeister Lettland 14:21. Österreichs erster Turnierauftritt, der wegen einem heftigen Gewitter erst mit drei Stunden Verspätung über die Bühne ging, war ein unglücklicher. Die Letten wacher, Lanegger und Co. ohne Wurfglück, oft Zweiter im Kampf um loose balls. Es ist aber keine Schande gegen diese 3x3-Macht zu verlieren. Am späten Abend gab es dann den ersehnten ersten Sieg in einem absoluten Krimi gegen Kroatien (18:17). Lanegger mit sieben und Krämer mit sechs Zählern führten Österreich zu einem knappen Erfolg. Der Mannschaftskapitän bezeichnete das Spiel als "auch nicht perfekt, aber Sieg ist Sieg. Wir haben es übermorgen in der eigenen Hand", sagte Lanegger. Die Chance auf das Halbfinale lebt also. Mit den weiteren Gegnern Kanada und Niederlande hat man die schwerste Gruppe erwischt. "Alle Teams haben eine Berechtigung für den Aufstieg."

Am Freitag geht das Turnier auf dem Grazer Hauptplatz für die nach zwei Spielen ungeschlagenen ÖBV-Damen weiter. Die Österreicherinnen treffen auf Italien (17.25 Uhr) und auf Spanien (20.20 Uhr, jeweils live ORF Sport +). Gelingt ihnen noch ein Sieg, stehen sie im Viertelfinale. Ein Ticket für Tokio wäre historisch. Seit den Handballerinnen 2000 in Sydney hat sich keine Teamsportart mehr für Olympia qualifiziert.

Nicht alle freuen sich

Das Quali-Turnier ist die erste große Sportveranstaltung in Österreich nach dem Lockdown. Die Freude ist in Graz aber nicht grenzenlos. Kämpft der Sport normalerweise mit der Kultur um Aufmerksamkeit, so herrscht nun Frust bei der Gastronomie auf dem Hauptplatz. Die Standler dürfen aufgrund des Turniers erst am 31. Mai wieder aufsperren. "Jetzt können wir endlich arbeiten, und dann sind wir wieder zum Warten gezwungen", sagt ein Würstelstandbetreiber. Der Hauptplatz ist öfter wegen Veranstaltungen gesperrt, aber selten so lange. Laut der Stadtregierung sollen Standgebühren erlassen werden. Einer großen Feier in Graz steht quasi nichts mehr im Wege. (Florian Vetter, 27.5.2021)