Oase und Verwüstung: In der riesigen Installation "Invocation for Hope" kann man sich von der restlichen sehr dichten Hauptausstellung im Mak erholen.
Foto: Superflux

Ganze 400 verkohlte Bäume stehen hier in Reih und Glied. Wie in einer Monokultur gepflanzt, zäunen sie eine innere grüne Oase mit Laubbäumen, Moosen und Gräsern ein. Wild umwuchern sie einen kleinen Tümpel. An seiner Oberfläche treten ab und zu Tiere auf, ansonsten blickt man seiner eigenen Reflexion entgegen. Vogelgezwitscher macht die massive Installation des Design- und Kunststudios Superflux zur perfekten Allegorie auf unseren Einfluss auf die Umwelt – aber auch auf die Hoffnung, die es noch gibt. Falls wir etwas tun.

Mit der vierten Ausgabe der Vienna Biennale for Change unter den Mottos Climate Care und Planet Love möchten das Museum für angewandte Kunst (Mak) und zahlreiche Wiener Partnerinstitutionen genau das tun: Hoffnung geben und zum aktiven Sich-Kümmern um unseren Planeten aufrufen.

Last time?

Ob das Herzensprojekt des noch bis August amtierenden Direktors Christoph Thun-Hohenstein unter seiner Nachfolgerin Lilli Hollein so weitergeführt wird, ist offen. Die Relevanz des Themas wird jedenfalls bestehen bleiben. Dass das Mak erst kürzlich mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Museen bedacht wurde – sich also auch als Institution mit Nachhaltigkeit beschäftigt –, war ein symbolischer wie notwendiger Schritt.

Ausstellungen zum Thema Umweltschutz und Klimapflege glaubwürdig zu zeigen konfrontiert (große) Ausstellungshäuser immer auch mit Kritik und offenen Fragen: Was können Kunst, Design und Architektur hier in Kombination leisten? Wird man wirklich aufgerüttelt und zum "Climate-Carer", wenn man sich die Beiträge dazu ansieht? Und wer soll hier angesprochen werden? Ein Dilemma, vor dem auch diese Biennale steht, wenngleich Rahmenbedingungen geschaffen wurden, um dieses zu beseitigen.

Die aktivistische und global als Open-Source-Modell gebaute "Climate Clock" tickt.

Foto: Stefan Lux / MAK

Poesie und Lösungen

So wurden die Bäume der Superflux-Installation, die aus dem niederösterreichischen Neunkirchen stammen und durch einen Waldbrand zerstört wurden, zwar nach Wien transportiert. Dafür werden sie nach Ende der Schau zu Kompost verarbeitet, die neuen Bäume möchte man spenden. Auch die CO2-Emissionen der gesamten Schau sollen berechnet werden.

Sitzt diese Arbeit als künstlerisch-poetisches Symbolbild im Zentrum der großen Hauptausstellung im Mak, wird sie in den angrenzenden Hallen quasi von lösungsorientierten Projekten und Innovationen flankiert. Zahlreiche Videos, Banner und Modelle zu Windkraft, Recycling, Zero Waste und nachhaltigem Transport reihen sich an ein ander, überlagern sich fast. Kreative Ideen aus Design und Architektur zeigen auf, wie viel in unserem alltäglichen Leben möglich ist, wissenschaftliche Recherchen zu Biodiversität und Umweltzerstörung ergänzen dies. Eine Klima-Uhr macht deutlich, dass die Zeit drängt.

Im Angewandte Innovation Lab in der Postsparkasse baut die Materialwissenschafterin Mae-ling Lokko aus landwirtschaftlichen Abfällen wie Kokosnussschalen.



Foto: Sarah Reynolds

Kokosnuss-Upcycling

Dass die gezeigten Kunstwerke allerdings in den vielen kleinen Kapiteln der Schau untergehen, ist ein weiteres Problem der zu dichten Zusammenstellung: Am besten erkennt man sie daran, dass sie uns oft wie Vorboten die Ausmaße der Katastrophe aufzeigen: kranker Konsum, Gletscherschmelze, überfischte Meere, Artensterben.

Etwas ruhiger und teils intensiver geht es bei der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema in den kleinen Präsentationen zu: so wie im von der Künstlerin Angelika Loderer initiierten Projekt Foster im Mak Design Lab oder auch der Gruppenschau Ecologies and politics of the living im Innovation Lab der Universität für angewandte Kunst in der unweiten Postsparkasse. Hinter dem etwas trockenen Titel verstecken sich spannende Arbeiten zu umgewandelten biologischen Materialien, kuratiert sie hat der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama: Hier steht eine Wand aus recycelten Kokosnussschalen, wird Biokunststoff hergestellt und ein lebender Organismus gezüchtet.

Die "studio mobil / think tank station" parkt aktuell vor dem Mak, dann zieht sie an den Viktor-Adler-Markt weiter (25. bis 27. Mai).
Foto: Klearjos Eduardo Papanicolaou

Außenraum vs. Abstraktion

Die teils abstrakten Auswirkungen der Klimakrise greifbar zu machen, dafür möchte eine interaktive Medienskulptur auf dem Karlsplatz sorgen: Durch ein Fernglas blickt man direkt auf die Katastrophe.

Auch mit dem Projekt Eat Love. Essensräume von morgen rückt die Biennale in den Außenraum und versucht, eine weitere Frage zu beantworten: Wie können Menschen erreicht werden, wenn sie nicht ins Museum gehen? Die Kooperation zwischen der Wirtschaftsagentur Wien und dem Mak bewegt sich zwischen Kunst und Forschung. Ein Thinktank-Truck wird an fünf Orten in der Stadt Messungen und Workshops abhalten: Wie können wir künftig konsumieren, wie produzieren, und was sollen wir essen?

In der Konferenz Planet Matters werden im Herbst die Resultate der gesamten Biennale zusammengetragen. Ob sich daraus Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit werden ablesen lassen? (Katharina Rustler, 28.5.2021)