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Ist dieses Forschungslabor in Wuhan der Ursprung des Coronavirus? Joe Biden will auf diese Frage endlich eine Antwort haben.

Foto: Reuters / Thomas Peter

Das Weiße Haus will Klarheit über den Ursprung des Coronavirus, nachdem ein amerikanischer Geheimdienstbericht Spekulationen über einen Laborunfall in Wuhan neue Nahrung gegeben hat. Präsident Joe Biden hat die Nachrichtendienste seines Landes angewiesen, bis Ende August einen neuen Bericht vorzulegen, um Erkenntnislücken zu schließen. Damit beugt er sich dem Druck der konservativen Opposition, die ihn seit längerem dazu auffordert, den Druck auf China zu verstärken.

Als das Staatsoberhaupt seinen Arbeitsauftrag am Mittwoch begründete, wurde deutlich, wie wenig die "Intelligence Community", der Sammelbegriff für die 16 Geheimdienste der Vereinigten Staaten, noch immer weiß. Zwei "Elemente" dieser "Gemeinde" halten es nach Bidens Worten für das plausibelste Szenario, dass Sars-CoV-2 aus dem Tierreich auf den Menschen übergesprungen ist.

90 Tage Zeit

Ein anderes Element neige dazu, eine Havarie im Labor als Auslöser der Pandemie anzusehen. In beiden Fällen sei die Bewertung mit "geringer oder moderater Gewissheit" erfolgt. In ihrer Mehrheit, so der Mann im Oval Office, glaubten die Geheimdienste nicht, dass sie über genügend Informationen verfügen, um die eine oder die andere Variante für die wahrscheinlichere zu halten. Deshalb habe er sie beauftragt, ihre Anstrengungen zu verdoppeln und binnen 90 Tagen einen neuen Bericht vorzulegen.

Übersetzt man es aus der kryptischen Sprache der Klandestinen, derer sich in diesem Fall auch das Weiße Haus bedient, ist es eine Art Offenbarungseid. Die Amerikaner tappen weitgehend im Dunkeln, zumal sie offenbar kaum verlässliche Quellen in der Volksrepublik haben.

Zugleich gibt Biden, der anfangs gesteigerten Wert auf die Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) legte, nachdem sein Vorgänger Donald Trump diese aufgekündigt hatte, das Signal zur Wende. Er ist nicht mehr bereit, sich allein auf die Recherchen der WHO zu verlassen.

Zweifel an WHO-Bericht

Im März hatte ein von der WHO nach Wuhan entsandtes Expertenteam geschlussfolgert, der Erreger sei "wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich" von der Fledermaus auf ein anderes Tier und schließlich auf den Menschen übergegangen. In den Vereinigten Staaten, vor allem in den Reihen der Republikaner, hat der Befund die Zweifel nie ausgeräumt. Ein Artikel im Wall Street Journal, zu Beginn dieser Woche erschienen, hat sie noch zusätzlich verstärkt.

Unter Berufung auf einen US-Geheimdienst schrieb die Zeitung, bereits im November 2019 seien drei Mitarbeiter des Instituts für Virologie, in dem in Wuhan mit Coronaviren geforscht wird, so schwer erkrankt, dass sie sich in eine Klinik begeben mussten. Seitdem wird noch intensiver über die Herkunft des Erregers gestritten, als es bereits zuvor der Fall war.

Angela Rasmussen, Virologin der Georgetown University, sieht in der Erkrankung des Trios noch keinen Beweis. Es sei nichts Ungewöhnliches, wenn sich drei Forscher in einer Elf-Millionen-Einwohner-Stadt wie Wuhan mitten in der spätherbstlichen Grippewelle in medizinische Behandlung begeben, sagt sie. David Asher, unter Trump Chef einer Taskforce des Außenministeriums, die dem Ursprung des Virus auf den Grund gehen sollte, spricht dagegen von Verdachtsmomenten.

Es falle ihm schwer zu glauben, dass gleich drei Wissenschafter eines Instituts in derselben Woche so schwer an Grippe erkrankten, dass sie ein Krankenhaus aufsuchen müssen, ohne dass dies auch nur das Geringste mit Covid-19 zu tun gehabt habe.

Trump fühlt sich bestätigt

Im Nachhinein bestätigt fühlt sich auch Trump, der in provokant-nationalistischer Sprache vom "China-Virus" oder gar von "Kung Flu" sprach, auch um von den Schwächen seines eigenen Krisenmanagements abzulenken. Nun akzeptiere jeder, dass er richtig gelegen sei, als er davon gesprochen habe, dass Wuhan die Quelle von Covid gewesen sei, schrieb er triumphierend in einer Mail. "Für mich war das von Anfang an einleuchtend, aber ich wurde wie immer hart kritisiert. Nun sagen alle, er hatte recht."

Dafür erntete der Altpräsident prompt pointierten Widerspruch, nicht zuletzt von Anthony Fauci, Amerikas renommiertestem Epidemiologen. Aus seiner Sicht sei es immer noch am wahrscheinlichsten, dass Sars-CoV-2 aus der Natur und nicht aus einem Labor stamme, bekräftigte der 80-Jährige bei einer Anhörung im Senat. Mit hundertprozentiger Sicherheit aber wisse es bis dato keiner, und genau aus dem Grund dränge Präsident Biden auf intensivere Nachforschungen.

So oder so, Bidens Schritt hat für Empörung in Peking gesorgt. Außenministeriumssprecher Zhao Lijian warf den USA vor, die Suche zu politisieren und China die Schuld an der Pandemie geben zu wollen. Neue Ermittlungen lehnt man ab und verweist auf besagte WHO-Untersuchung vom März. (Frank Hermann aus Washington, 27.5.2021)