"Keinen Generalverdacht gegen Muslime" stellt die sogenannte "Islam-Landkarte" für Integrationsministerin Susanne Raab dar.

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Am Donnerstag präsentierte die Dokumentationsstelle Politischer Islam etwas als neu, das es eigentlich seit vielen Jahren gibt. Nun bringt ihr genau das massive Kritik ein. Es geht um die digitale "Islam-Landkarte", die Ednan Aslan, Professor für Religionspädagogik an der Uni Wien, einst erstellte, um eine digitale Übersicht islamischer Vereine und Moscheen in Österreich zu geben. In den vergangenen Monaten sei diese Karte in Kooperation mit der Dokumentationsstelle aktualisiert worden, heißt es. Inzwischen sind dort mehr als 600 Organisationen erfasst. Doch nun untersagt die Universität Wien die Verwendung ihres Logos auf der Seite der Landkarte.

Der Rektor der Universität Wien, Heinz Engl, distanziert sich in einer Verlautbarung "insbesondere vom 'Impressum', in dem zur Meldung von 'Informationen zu einzelnen Vereinen oder Moscheen' aufgefordert wird. Da dort auch darauf hingewiesen wird, dass die Berichte und Informationen nicht für inhaltliche Positionen der Universität Wien stehen, habe ich die Verwendung des Logos der Universität Wien untersagt."

Der kritisierte Satz stand allerdings schon davor auf der Webseite. Warum reagiert die Universität dann so laut? Durch die Pressekonferenz wurde der "Islam-Landkarte" eine "zentrale Rolle" gegeben, sagt eine Sprecherin. Dadurch habe sich der Kontext verändert. Durch das Logo auf der Seite entstehe der Eindruck, die Universität hätte die Beiträge wissenschaftlich bearbeitet und überprüft. Dort veröffentlichen aber lediglich Autoren, das sei auch okay. In der Debatte gehe es nicht um das Projekt an sich oder die Kooperation mit der Dokumentationsstelle. Sondern lediglich darum, dass der Content dort nicht stellvertretend für die gesamte Universität stehen kann.

Indes wurde am Freitagnachmittag das Logo von der Website entfernt. Stattdessen prangt dort nun der Hinweis: "Ein Projekt der Universität Wien – Institut für islamisch-theologische Studien – Islamische Religionspädagogik".

Dokumentationsstelle finanziert zwei Mitarbeiter

Aslan ist verwundert über die große Aufmerksamkeit für eine Seite, die seit vielen Jahren existiere und in ähnlicher Form schon bisher verfügbar gewesen sei. Was sich verändert hat: Seit 2. April gibt es eine neue Vereinbarung hinsichtlich der "Islam-Landkarte". Die vorherige sei aus finanziellen Gründen ausgelaufen, sagt Aslan. Nun finanziere die Dokumentationsstelle zwei Prae-Doc-Stellen, also Universitätsassistenten, die nach dem Master-Abschluss etwa an der Universität in einem Anstellungsverhältnis forschen können. Aslan sagt, dass die Vereinbarung auf zwei Jahre befristet und mit dem Rektorat akkordiert worden sei. Die Verwendung des Logos der Uni sei aber nicht explizit geregelt worden, das sei aber ohnehin nicht entscheidend.

Es sei keine Übersicht, die nur den politischen Islam zeige. Man wolle Stärken und Schwächen, die ideologische und theologische Ausrichtung, aber auch die Leistungen für die Integrationsarbeit der jeweiligen Organisationen transparent machen, sagte Aslan schon am Donnerstag vor Journalisten. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) erklärte, dass die "Islam-Landkarte" keinen Generalverdacht gegen alle Musliminnen und Muslime bedeuten solle.

Stichprobenartige Mängel

Thomas Rammerstorfer beschäftigt sich seit Jahren mit den rechtsextremen türkischen Grauen Wölfen und hat darüber auch ein Buch geschrieben. Der Welser Grüne hat sich die "Islam-Landkarte" bisher zwar nur stichprobenartig angeschaut, wie er einräumt, ist aber schon da auf Mängel gestoßen. In Wörgl etwa seien drei Vereine doppelt eingetragen, andere gar nicht. Im Text zu den Grauen Wölfen sei von 29 Vereinen in Österreich die Rede, eingetragen seien davon aber nur zwölf, "vor allem jene, die schon einmal in den Medien waren", sagt Rammerstorfer.

Auch Valerie Mussa, Pressesprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), weist darauf hin, dass die auf der Karte "befindlichen Information teilweise stark veraltet und unrichtig" seien. Manche Daten stammen aus dem Jahr 2012, daher finden sich darauf die Namen von mittlerweile nicht mehr aktiven Funktionären. Außerdem wurden Privatadressen veröffentlicht, da kleinere Vereine über keine eigenen Räume verfügen. "Zusätzlich fehlen Kultusgemeinden, die in den vergangenen Jahren entstanden sind", erklärt Mussa. Die Landkarte soll laut den Informationen auf der Webseite jedenfalls laufend aktualisiert werden.

Die Kritik an der Landkarte, auch die seiner politischen Weggefährten, kann Rammerstorfer nur teilweise nachvollziehen. Dass es grundsätzlich eine Auflistung von muslimischen Vereinen und Moscheen samt Adresse und Telefonnummer gibt, daran stößt sich der Experte weniger. "Die haben auch ein eigenes Interesse, gefunden zu werden", sagt Rammerstorfer. "Ich finde es bizarr, dass manche meiner linken Freunde und Genossen der rechten Logik auf den Leim gehen, dass Muslime unter sich bleiben wollen, was nicht so ist." Problematischer findet er die jetzige Stoßrichtung. Dadurch, dass sich die Karte unter dem Dach der Dokumentationsstelle Politischer Islam befindet, stehe sie in einem anderen Kontext. Rammerstorfer sieht den Islam so "pauschalisierend in ein extremistisches Eck gestellt".

Die Frage nach dem Nutzen

Auch Cengiz Günay konnte die Kritik an der "Islam-Landkarte" hinsichtlich eines Generalverdachts in der ZiB Nacht am Donnerstag etwas abgewinnen. "Es reiht sich in eine Reihe von verschiedenen Maßnahmen ein, wo sich vor allem Muslime und Musliminnen in diesem Land unter einer besonderen Beobachtung fühlen", sagte der Politikwissenschafter des Österreichischen Instituts für Internationale Politik. "Wenn man das schon von politischer Seite bei der Präsentation extra noch betonen muss, dass es kein Generalverdacht ist, dann ist meiner Meinung nach schon von Anfang an etwas schiefgelaufen."

Günay weiß auch nicht so recht, was eine solche Landkarte Neues beitragen soll. "Die Frage ist, inwieweit diese Kategorisierungen tatsächlich gültig sind und nach welchen Kriterien da vorgegangen wurde", befand der Experte. "Was ich vermisse, ist eine umfassende sozialwissenschaftliche Forschung zu einem Thema, wie in Österreich Islam funktioniert, welche Strukturen es gibt, aber auch was für Bedürfnisse es von Musliminnen und Muslimen in diesem Land gibt."

"Zielscheibe für islamfeindliche Attacken"

Nach der Präsentation der Dokumentationsstelle folgten lobende Worte von ÖVP und FPÖ. Ansonsten hagelte es massive Kritik. Insbesondere die Grünen waren alles andere als glücklich darüber. "Muslimische Einrichtungen werden vorweg mit islamistischen vermischt, medial wird von hunderten Organisationen auf einer staatlichen 'Watchlist' gesprochen", sagt die grüne Integrationssprecherin Faika El-Nagashi in einer Aussendung. In einer Aussendung wurde die Islam-Landkarte zusätzlich als "kontraproduktiv" und "unverantwortlich" bezeichnet, da es "viele rechtsextreme Gefährder in Österreich" gebe und die Zahl der Angriffe auf muslimische Gruppen ohnehin steige. Die Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus erfasste 1402 Fälle von antimuslimischem Rassismus im vergangenen Jahr – ein Anstieg von rund 33 Prozent.

Der scharfe Ton passt zum gegenwärtigen Klima in der Koalition. Die grüne Wiener Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete Viktoria Spielmann schrieb auf Twitter von einem weiteren "Foul" der ÖVP, das für sie darauf hindeute, die ÖVP wolle "Neuwahlen provozieren".

Die SPÖ-Gemeinderätinnen Aslıhan Bozatemur und Şafak Akçay sowie der SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi sehen mit der Landkarte Muslime zur Zielscheibe für islamfeindliche Attacken erklärt. Für die Muslimische Jugend (MJÖ) ist sie "ein gefährliches Beispiel für den Generalverdacht gegen Muslime". Ihr Vorsitzender, Adis Šerifović, sprach im Ö1-Mittagsjournal auch von einem enormen Sicherheitsrisiko, da auch Jugendvereine und Kinderorganisationen mit Privatadressen verzeichnet seien.

Im Integrationsministerium sah man kein Problem mit der Veröffentlichung der Adressen. Gegenüber Ö1 hieß es, diese seien aus dem Vereinsregister, wo man diese auch abrufen könne. Sammelabfragen seien nach dem Vereinsgesetz nicht zulässig, widersprach Anwältin Maria Windhager. Sie ist sich sicher, dass Persönlichkeitsrechte verletzt werden und Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden könnten. Dass so schlampig gearbeitet worden sei, mache betroffen.

Auch wird die Dialogbereitschaft der Dokumentationsstelle von der IGGÖ angezweifelt. So soll bei der Erstellung der drei Grundlagenpapiere zu den drei relevanten muslimischen Dachverbänden in Österreich keinerlei Austausch mit der IGGÖ stattgefunden haben "Die Dossiers wurden ihr lediglich eine Stunde vor der Pressekonferenz übermittelt", sagt Sprecherin Mussa. Auch seien die zuvor eingeholten Stellungnahmen der in der Karte aufgelisteten Kultusgemeinden nicht berücksichtigt oder eingearbeitet worden. (Jan Michael Marchart, Markus Sulzbacher, APA, 28.5.2021)