Sie waren den Grünen jahrelang ein Dorn im Auge: die menschenrechtswidrigen Zustände im Maßnahmenvollzug. Nun soll es zumindest "wesentliche Erleichterungen" geben.

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Viel Zeit hat Alma Zadić nicht. Zwanzig Minuten hat DER STANDARD in ihrem Büro im Palais Trautson, um über ein Thema zu sprechen, das Österreichs Politik trotz arger Missstände die längste Zeit nicht genug interessiert hat, um es anzugehen.

STANDARD: Menschen, die psychisch krank sind und eine Straftat begehen, landen womöglich lebenslänglich im Maßnahmenvollzug. Der ist hoffnungslos überfüllt. Künftig sollen nur noch jene dorthin kommen, die wirklich gefährlich sind. Bisherige Einweisungen werden aber nicht überprüft, obwohl viele ja zu Unrecht dort sind. Warum nicht?

Zadić: Ich sage es ganz offen: Im Maßnahmenvollzug liegt bisher wirklich viel im Argen. Personen, die psychisch krank, aber nicht gefährlich sind, werden unter Umständen lebenslang untergebracht, weil sie jemanden während einer Psychose bedroht haben. Das ändern wir jetzt. Hier wird auch eine jährliche Überprüfung durch das Gericht stattfinden. Klar ist dabei, wer gefährlich ist, bleibt weiter im Maßnahmenvollzug. Aber wer nicht mehr gefährlich ist, kann dann in sein altes Leben und zu seiner Familie zurück.

STANDARD: Es wird also Überprüfungen im regulären Rahmen geben?

Zadić: Bei der nächsten Überprüfung entscheidet das Gericht, ob die Person gefährlich ist. Dort, wo das nicht der Fall ist, wird die Person nicht mehr im Maßnahmenvollzug sein.

STANDARD: Seit Jahren gibt es Kritik daran, dass psychisch kranke Maßnahmenhäftlinge in regulären Gefängnissen untergebracht werden. Das bleibt auch weiterhin möglich.

Zadić: Es gibt das Trennungsgebot, weil psychisch Kranke natürlich einen anderen Vollzug brauchen. Da war das Problem bis jetzt, da haben Sie vollkommen recht, dass wir einfach keinen Platz haben. Wir haben nun vereinbart, dass wir um insgesamt 140 Millionen Euro die Justizanstalt Göllersdorf in ein forensisch-therapeutisches Zentrum ausbauen und das schon jetzt bestehende Zentrum in Asten ausbauen. So kommen 200 neue Plätze dazu. Und wir können mehr Betreuer anstellen und das Therapieangebot ausweiten.

STANDARD: Mit diesen 200 zusätzlichen Plätzen landet wirklich kein psychisch kranker Rechtsbrecher mehr in einem regulären Gefängnis?

Zadić: Ich glaube, dass wir wesentliche Erleichterungen schaffen werden. Es ist eine mehrstufige Reform, wir werden nicht alles von heute auf morgen sofort lösen. Die neuen Unterbringungsvoraussetzungen werden dazu führen, dass eine geringere Anzahl von Menschen im Maßnahmenvollzug landen wird, zusätzlich bauen wir aus. Wir werden schauen, wie sich das einpendelt.

Zadić: "Es wird eine geringere Anzahl von Menschen im Maßnahmenvollzug landen."
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STANDARD: Die Grünen haben sich früher dafür starkgemacht, dass psychisch kranke Straftäter überhaupt nicht mehr in Justizanstalten, sondern gänzlich im Gesundheitswesen untergebracht werden.

Zadić: Das ist ja der Weg, den man jetzt versucht zu gehen. Die Personen kommen nicht in eine Strafvollzugsanstalt, sondern in ein forensisch-therapeutisches Zentrum. Aber ja, das wird vom Justizministerium geleitet. Das hat auch budgetäre Gründe. Das Ziel des Maßnahmenvollzugs ist jedenfalls Therapie und nicht lebenslanges Wegsperren.

STANDARD: Zur Sicherungshaft ...

Zadić: Ich finde es interessant, dass Sie das so nennen, weil es ja keine Sicherungshaft ist. Es geht um gefährliche Rückfallstäter. So heißt auch der seit den 80ern bestehende Paragraf. Und hier werden in Zukunft auch Terroristen umfasst sein.

STANDARD: Der Maßnahmenvollzug wird jetzt also auch für Terrorstraftäter geöffnet. Ist das wirklich der richtige Ort?

Zadić: Im Maßnahmenvollzug sind ja nicht nur psychisch kranke Menschen untergebracht. Hier gilt es zu unterscheiden. Wir haben ja bereits jetzt den Maßnahmenvollzug für gefährliche Rückfallstäter. Und die kommen nicht in ein forensisches Zentrum, sondern in Hochsicherheitsabteilungen. Das gilt jetzt auch für Terroristen. Wir haben sehr hohe rechtsstaatliche Standards angesetzt. Es muss eine Vortat geben, für die die Person mindestens zwölf Monate gesessen sein muss und anschließend eine terroristische Tat begeht und für diese mindestens 18 Monate bekommt.

STANDARD: Wenn man in Chatgruppen IS-Material postet, dann kann man auch nach dem Terror-Paragrafen verurteilt werden.

Zadić: Zwölf Monate sitzen ist nicht ohne, da muss man schon eine schwere Straftat begangen haben. Es muss auch eine Anlasstat mit 18 Monaten Freiheitsstrafe dazukommen. Und es gibt auch eine zeitliche Begrenzung, und zwar zehn Jahre. Wir werden bei Deradikalisierungsprogrammen massiv aufstocken mit einem Vollzugsplan ab Tag eins. Und es wird eine Clearingstelle geben, wo alle Informationen zusammenlaufen.

STANDARD: Es hat 50 Jahre gebraucht, um den Maßnahmenvollzug zu reformieren – und draufzukommen, dass Wegsperren an sich keine Lösung ist. Werden wir auch gesunde, straffällige Menschen bald weniger wegsperren?

Zadić: Es geht ums Resozialisieren. Mein Ziel ist einerseits Sicherheit, andererseits ein humanerer Strafvollzug. Ich habe eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um mir anzuschauen, wie man die Rückfallquote senken kann. Da hat sich herausgestellt: Ich brauche wesentlich mehr Betreuung im und nach dem Strafvollzug. Die Ergebnisse werden in der kommenden Strafvollzugsreform berücksichtigen.

STANDARD: Staatsanwalt Purkart hat im U-Ausschuss gesagt, dass es Störfeuer gibt – eine davon war eine Dienstaufsichtsbeschwerde, die sich dann als unfundiert herausgestellt hat. Wie viel Arbeit ist es, die Justiz in Ruhe arbeiten zu lassen?

Zadić: Für mich ist es wichtig zu garantieren, dass die Staatsanwaltschaften ohne politische Einflussnahme arbeiten können. Die zuständige Sektionsleiterin macht ihre Arbeit sehr gewissenhaft. Dort, wo es notwendig ist, greift sie auch korrigierend ein. Bei der konkreten Dienstaufsichtsbeschwerde wurde entschieden, dass es hier keine dienstrechtlichen Verfahrensschritte geben wird. Das ist vom Tisch. Das ging auch sehr schnell.

STANDARD: Die Dokumentationsstelle politischer Islam hat eine Landkarte veröffentlicht, die Auskunft über alle muslimischen Vereine und Moscheen gibt. Halten Sie das für förderlich?

Zadić: Nein. So eine "Landkarte" führt leicht zur Stigmatisierung von Musliminnen und Muslimen. Das lehnen wir Grüne entschieden ab. Das ist nicht unser Weg, und das werden wir auch im Gespräch mit den Zuständigen deutlich machen.