Wenn er die Kriterien nicht erfüllt, wer dann? Die Ablehnung von Ali Larijani stößt auf viel Unverständnis.

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Drei Wochen vor der Präsidentenwahl im Iran wächst die Kritik an der Entscheidung des Wächterrats massiv. Nur sieben der mehr als 500 Bewerber und Bewerberinnen wurden als Kandidaten zugelassen. Ein ehemalige Präsident, der frühere Parlamentspräsident und ein Vizepräsident wurden abgelehnt.

Vor allem die Ablehnung Ali Larijanis sorgt für Aufregung: Larijani war zwölf Jahre Parlamentspräsident und vorher Chef des staatlichen Radios und Fernsehens sowie auch Berater Ali Khameneis. Außerdem ist er der Bruder des vormaligen Justizchefs.

In den sozialen Medien stellt man die Frage: Wenn schon solche Persönlichkeiten nicht die Kriterien für das Präsidentenamt erfüllen, wem sollte man es dann noch zutrauen? Während der ehemalige Regierungschef des Iran, Mahmoud Ahmadinejad, die Wahl boykottieren will, hat Ali Larijani selbst die Entscheidung bereits akzeptiert.

Kritik: Schon im Vorhinein festgelegt

Die Reformer haben keine direkten Kandidaten. Ihr Favorit, Mostafa Tajzade, hatte schon von Beginn an keine Chance, zugelassen zu werden. Er meinte, das, was nun bevorsteht, sei keine Wahl mehr, sondern eine von vornherein festgelegte Entscheidung. Er sehe keinen Grund, in diesem Szenario mitzuspielen.

Die Reformer vermieden das Wort "Boykott", aber Mohammad Khatami, der frühere iranische Präsident, kommentierte, "die Essenz der Demokratie ist erschüttert". Eine namhafte religiöse Vereinigung in der heiligen Stadt Ghom, Jameen Modaresin, stellte die Entscheidung des Wächterrats infrage. Das ist ein Novum, wenn man bedenkt, wie einflussreich gerade diese Vereinigung bei Gelehrten ist.

Niedrige Wahlbeteiligung prognostiziert

Nach neuesten Umfragen, die von "Isna", einem studentischen Nachrichtenportal, veröffentlicht wurden, wollen nur 36 Prozent der Bevölkerung an der Wahl teilnehmen. Diese Bereitschaft war vor Veröffentlichung der Kandidatenliste noch bei 41 Prozent gelegen. Das wird voraussichtlich die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik.

Eine niedrige Wahlbeteiligung scheint die Konservativen nicht zu stören. Abdolreza Mesri, der Vizeparlamentspräsident, meinte in einem Interview im staatlichen Fernsehen, eine große Wahlbeteiligung führe zu "unkorrekten Wahlen".

Khamenei hinter Wächterrat

Ali Khamenei, das geistliche Oberhaupt der Islamischen Republik, hat am Donnerstag das Vorgehen des Wächterrats als korrekt bezeichnet und damit die Hoffnungen, dass andere Personen zugelassen würden, zunichtegemacht. Präsident Hassan Rohani hatte ihn im Vorfeld in einem Brief gebeten, die Entscheidung des Wächterrats zu überdenken, sodass mehr Kandidaten zur Wahl zugelassen würden.

Um jede Kritik an der Entscheidung des Wächterrats zu unterbinden, wurden die Zeitungen telefonisch davor gewarnt, kritisch darüber zu berichten. Somit ist die Entscheidung für Ibrahim Raiesi als Nachfolger Rohanis so gut wie sicher.

"Es wäre vielleicht besser, Raiesi als Präsidenten bekanntzugeben und das Geld für die Wahlen an arme Leute zu verteilen", schrieb jemand auf ein Plakat in Teheran. So fühlen sich nach den jüngsten Vorkommnissen viele Menschen im Land. (Amir Loghmany aus Teheran, 28.5.2021)