92 Meter lang und 44 Meter breit soll das Luftschiff des britischen Unternehmens Hybrid Air Vehicles sein, das ab 2025 kommerzielle Flüge anbieten will.

Foto: Hybrid Air Vehicles

Die gigantischen Flugkörper stoßen seit jeher auf Begeisterung: Vor mehr als hundert Jahren flogen die ersten Passagiere in Zeppelinen ohne Stopp über den Atlantik. Später brachten die Luftschiffe aber auch Zerstörung und Tod: Sie kamen im Ersten Weltkrieg als Bombenträger zum Einsatz, im Zweiten Weltkrieg waren sie vor allem Propagandawerkzeug. Das große Zeitalter der Zeppeline endete schließlich mit einer Tragödie: nämlich als der riesige Zeppelin LZ-129 "Hindenburg" 1937 in Flammen aufging und abstürzte.

Die große Ära der Zeppeline endete 1937 mit einem Desaster.
British Pathé

Rund 80 Jahre später will ein britisches Unternehmen die Ära der Luftschiffe wiederaufleben lassen. Die Firma Hybrid Air Vehicles (HAV) entwickelt in Großbritannien Luftschiffe, die laut Hersteller jeweils bis zu hundert Passagiere transportieren sollen, 90 Prozent weniger CO2 als herkömmliche Flugzeuge ausstoßen und bald kürzere Flugstrecken zwischen europäischen Städten bedienen sollen.

Ab 2025 in Betrieb

Das Unternehmen rechnet damit, dass die ersten hybrid-elektrisch und spritbetriebenen Luftschiffe ab 2025 verkehren werden. Sie sollen dann Passagiere etwa in viereinhalb Stunden von Barcelona nach Palma de Mallorca befördern – laut Entwicklern ungefähr die gleiche Zeit, wie sie mit dem Flugzeug benötigt wird, sofern man die Zeit am Flughafen miteinberechnet. In sechseinhalb Stunden soll es von Oslo nach Stockholm gehen, in etwas über fünf Stunden von Liverpool nach Belfast. Ab 2025 will das Unternehmen jedes Jahr zwölf Luftschiffe produzieren, ab 2030 soll es dann auch vollelektrisch betriebene Luftschiffe geben.

Renderings des riesigen Luftschiffs hat das Unternehmen bereits einige veröffentlicht. Diese zeigen luxuriös ausgestattete Kabinen mit loungeartigen Sesseln und Bänken, einer Bar, großflächigen Fenstern und eigene Schlafkabinen. Laut dem Unternehmen soll das Luftschiff sehr ruhig sein und ohne größere Turbulenzen auskommen. Bis zu 130 Stundenkilometer soll es schnell sein. Zudem sei laut Hersteller ein Vorteil, dass es keinen Flughafen benötige, von jeder geraden Fläche aus, unter anderem auch Wasser, starten könne. Das Flugschiff soll damit künftig auch in Inselstaaten oder abgelegeneren Gebieten zum Einsatz kommen.

Bis zu hundert Passagiere sollen in dem Luftschiff Platz finden.
Foto: Hybrid Air Vehicles

Luxusprodukt?

Trotzdem mutet das Luftschiff für viele auf den ersten Blick wohl weniger als alltagstaugliches Transportmittel denn als Luxusprodukt für reiche Touristen und Reisende an. Das Unternehmen versucht diesen Eindruck zu dementieren: Das Luftschiff sei kein Luxusprodukt, sondern soll eine praktische Lösung für Herausforderungen durch den Klimawandel sein. Vielmehr sei es ein Luxus, dass immer noch viele kurze Strecken zwischen Städten mit Flugzeugen zurückgelegt werden, die einen deutlich höheren CO2-Fußabdruck haben, heißt es vom Unternehmen.

Das Luftschiff soll mit großflächigen Fenstern ausgestattet sein.
Foto: Hybrid Air Vehicles

Trotzdem wird das Unternehmen die ersten Luftschiffe ab 2025 wohl eher im Luxusreisesegment anbieten, wie es vonseiten der Entwickler heißt. So gab das Unternehmen bereits einen Deal bekannt, zumindest ein Luftschiff an den schwedischen Luxusreiseanbieter Ocean Sky Cruises zu liefern, der damit "Erlebnisreisen" an den Nordpol anbieten möchte.

Eher Nischenprodukt

"Das Luftschiff wird sicher kein Massentransportmittel werden, sondern eher ein Nischenprodukt sein", sagt Holger Friehmelt, Institutsleiter Luftfahrt an der FH Joanneum in Graz. Der Vorteil der Luftschiffe sei, dass sie wenig Energie benötigen, da sie allein durch das Helium lange in der Luft bleiben können. Allerdings seien sie im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln meist eher langsam unterwegs. Auch brauche es geeignete Flächen am Boden, wo die Luftschiffe gelagert werden können und wo sie etwa vor Stürmen geschützt sind, so Friehmelt.

Trotzdem könne das Luftschiff als Nischenprodukt künftig wichtige Aufgaben erfüllen, ist der Luftfahrtexperte überzeugt: etwa als Transportmittel für besonders schwere Frachten, für wissenschaftliche Erkundungs- und Beobachtungsflüge oder als neue Form des entschleunigten und nachhaltigen Reisens für den "High-End-Tourismus".

Preise wie normale Flugreise

Bei der Firma HAV hofft man, dass die Luftschiffe eines Tages auch stärker im Alltag vieler Stadtbewohner integriert sind. Man sei bereits in Gesprächen mit einigen Luftfahrtanbietern, um auf deren Strecken alternative Fahrten per Luftschiff anbieten zu können. Die Preise für diese Strecken sollen laut HAV ungefähr im Rahmen einer gewöhnlichen Flugreise liegen. Man wolle jedoch nicht den Langstreckenflügen oder High-Speed-Zugverbindungen Konkurrenz machen, sondern vor allem Städte verbinden, die einige hundert Kilometer voneinander entfernt liegen und von Bergen oder Wasser getrennt sind. Bis zu fünf Tage soll das mit Helium gefüllte Luftschiff mitsamt Passagieren in der Luft bleiben können.

Aber nicht alle bisherigen Testfahrten des rund 30 Millionen Euro teuren Luftschiffs waren von Erfolg gekrönt. Beim zweiten Testflug im Jahr 2016 legte das 92 Meter lange Luftschiff eine etwas unschöne Landung hin, bei der es mit der Spitze voraus in einem Feld aufkam. Es gab jedoch glücklicherweise keine Verletzten innerhalb der Besatzung.

Was wie ein Sturz in Zeitlupe aussieht, ist tatsächlich in normaler Geschwindigkeit abgelaufen.
Lee Cordell

Zu dieser Zeit plante das Unternehmen noch damit, das Luftschiff etwa für die Überwachung, den Warentransport oder zur Versorgung mit Medikamenten und anderen Hilfsgütern einzusetzen.

Sicherheitsbedenken brauche man bei modernen Luftschiffen jedenfalls nicht zu haben, sagt Holger Friehmelt. Da das Helium nicht brennt, bestehe auch keine Feuergefahr. Und durch bessere Materialien und genauere Wetterdienste sollen künftig auch Stürme und Gewitter noch besser überstanden beziehungsweise ihnen ausgewichen werden. (Jakob Pallinger, 2.6.2021)