Große Lebensmittelhändler in Österreich warteten nur darauf, Unimarkt zu filetieren und unter sich aufzuteilen, sagt Andreas Haider, neuer Eigentümer der regionalen Supermarktkette. Doch diesen Wunsch werde er ihnen nicht erfüllen. Als passionierter Marathonläufer sei er ausdauernd.

Andreas Haider: "Die Familiengeschichte soll weitergeführt werden. Es ging nicht um den letzten Euro."
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STANDARD: Warum kauft man sich einen Supermarkt?

Haider: Ich bin seit 1989 bei Pfeiffer. Ich wurde an den Großhändler damals mit einem kleinen Händler aus Perg quasi mitverkauft. Ich habe bei Unimarkt unterschiedlichste Jobs durchlaufen, baute ein Franchisesystem auf, wurde Geschäftsführer. Die Zusammenlegung mit Zielpunkt wollte und konnte ich nicht mittragen. Ich machte mich selbstständig. Dann kam die Zielpunkt-Pleite. Ich kehrte zurück. Mir war klar: Gelingt es mir, Unimarkt zu sanieren, will ich ihn einmal erwerben können.

STANDARD: Der Lebensmittelhandel ist in Österreich hochkonzentriert. Nirgendwo im Handel ist der Wettbewerb härter. Warum tun Sie sich das an?

Haider: Große werden noch größer. Aber je größer sie sind, desto mehr Chancen bieten sich in Nischen. Wir haben drei Prozent Marktanteil und sind in Oberösterreich, der Steiermark, in Teilen Salzburgs und Niederösterreichs. Diese Nischen werden wir noch intensiver besetzen. Darin finden wir genug Kunden.

STANDARD: Wie haben Sie die Übernahme der 129 Filialen finanziert?

Haider: Wie heißt es so schön: Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Ich habe das Glück, familiären Rückhalt zu haben. Georg Pfeiffer ist es sehr wichtig, dass Unternehmen und Familiengeschichte weitergeführt werden können. Da ging es nicht um den letzten Euro.

STANDARD: Der Kaufpreis soll bei fünf Millionen Euro gelegen sein. Das klingt nach einem Sonderangebot.

Haider: Fünf Millionen stehen in der Bilanz für den Anteil von 20 Prozent.

STANDARD: Wollen Sie Unimarkt in Hand Ihrer Familie halten? Oder sind für Sie nach einiger Zeit auch strategische Partner oder ein Exit denkbar?

Haider: Ich will die Familientradition fortführen. Ich habe keine eigenen Kinder, aber Nichten und Neffen. Es wird sich herauskristallisieren, ob sie ins Unternehmen wollen. Ich selber will noch viele Jahre aktiv sein. Es macht mir Freude, und ich habe mir erlaubt, mir diesen Kauf zu gönnen, sonst wird mir fad. Ich bin ausdauernd, ein Marathonläufer.

STANDARD: Das Interesse an Standorten von Unimarkt war sehr groß. Rewe und Spar kämpfen um Marktanteile. Auch MPreis wurde als neuer Eigentümer gehandelt. Die Branche hätte den Familienbetrieb sicher gern filetiert und unter sich aufgeteilt.

Haider: Definitiv. Es erinnert an das Rittern um Standorte von Zielpunkt nach dem Konkurs. Viele Menschen waren danach auf der Straße. Kein Händler in Österreich hätte eine Totalübernahme machen können, jeder suchte nach Schnäppchen. Auch jetzt haben viele darauf gewartet, dass ihnen Standorte zufallen. Aber ich sehe dazu gar keine Veranlassung. Unsere Kaufleute sind selbstbestimmt. Unimarkt soll in seiner Gesamtheit weitergeführt werden. Wir wollen dem Markt etwas entgegensetzen.

129 Filialen, mehr als 1.330 Mitarbeiter: Unimarkt ist neben MPreis die letzte regionale Supermarktkette Österreichs. Große Konkurrenten beobachten ihr wirtschaftliches Gedeih mit Argusaugen.
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STANDARD: Drei Konzerne teilen sich in Österreich 80 Prozent des Lebensmittelhandels auf. Was lief da schief?

Haider: Die Länder hätten es einst über Flächenwidmung in der Hand gehabt. Doch alles ging an die Peripherie. Große Konzerne holten sich die besten Plätze. Kleine Strukturen wurden eliminiert. Und die Bundeswettbewerbsbehörde wurde erst aktiv, als es schon zu spät war.

STANDARD: Unimarkt und MPreis sind Österreichs letzte regionale Supermärkte. Ist man als kleiner Einzelkämpfer zu Wachstum verdammt?

Haider: Nein, wir haben in den vergangenen Jahren auch Filialen geschlossen, und wir haben dennoch Geld verdient. Permanentes Wachstum hemmt einen dabei, unwirtschaftliche Standorte zu schließen.

STANDARD: Anders als große Handelsketten können Sie Kosten für Marketing, IT oder Logistik aber nicht auf hunderte Filialen aufteilen.

Haider: Ohne Skalierungseffekte ist es schwieriger. Es braucht daher bei uns andere Menschen als in großen Konzernen, die für jeden Mosaikstein Spezialisten haben. Unsere Leute decken einen größeren Korridor ab, haben einen pragmatischeren Zugang, treffen selbst mehr Entscheidungen, tragen mehr Verantwortung, weil auch die Hierarchien fehlen.

STANDARD: Mit der Pleite der Unternehmensschwester Zielpunkt und dem Verkauf des C&C-Großhandels ging jedoch Einkaufsmacht verloren.

Haider: Durch die Verbindung mit dem Großhändler Transgourmet in Traun ging nicht viel verloren. Der gemeinsame Zentraleinkauf hat ein Volumen von einer Milliarde Euro. Diese Allianz ist für uns wichtig, damit die Beschaffung preislich abgesichert ist. Hier einen Nachteil zu haben, würde es schwierig machen.

Andreas Haider: "Junge Leute kaufen weniger, dafür hochwertigere Produkte als ältere Generationen. Diese mussten Reserven aufbauen, horten. Da soll das Einkaufswagerl um 100 Euro g’scheit voll sein."
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STANDARD: Die Krise mit ihren langen Lockdowns hat den Lebensmittelhandel beflügelt. Nun darf die Gastronomie wieder aufkochen. Ist der Boom der Supermärkte damit vorbei?

Haider: Überdimensionales Wachstum ja. Aber Menschen haben ihre Gewohnheiten verändert. Sie haben viel in ihr Heim, in die Ausstattung der Küchen investiert. Viele kamen drauf, dass es cool ist zu kochen. Es wird was davon zurückbleiben. Das Wachstum im Lebensmittelhandel wird größer sein als vor der Krise.

STANDARD: Wie haben Sie Ihren 1300 Mitarbeitern für das harte Jahr an der Corona-Front gedankt?

Haider: Eine Ganztageskraft erhielt in Summe 300 Euro Corona-Prämie.

STANDARD: Supermärkte haben im Vorjahr gut verdient. Warum bleiben die Gehälter der Angestellten mager?

Haider: Es ist eine Branche, die von marktbeherrschenden Unternehmen getrieben und gesteuert wird. Wir bemühen uns aber um Überzahlung für hohe Fachkompetenz.

STANDARD: Sie wollen mit Selbstbedienungsboxen auf dem Land expandieren. Machen Sie damit Bauern und Direktvermarktern Konkurrenz?

Haider: Es wird im ländlichen Raum schwieriger, Nahversorger zu erhalten. Wir wollen Gemeinden versorgen, in denen es keine mehr gibt. Die Box hat 1.000 Artikel, vom Apfel über Zahnpasta bis zum Müllbeutel. Es geht um Grundversorgung.

STANDARD: Wird viel gestohlen?

Haider: In Filialen ist ein Schwund von eineinhalb Prozent üblich, in den Uniboxen ist es ein bisserl mehr – bleibt aber unter drei Prozent. Jeder, der sie betritt, muss registriert sein. Sie sind mit Kameras ausgestattet. Anonym ist man hier nicht.

STANDARD: Wie viele Boxen sollen es quer durchs Land werden?

Haider: Wir haben drei geöffnet, die vierte ist fertig eingerichtet. Bis Jahresende planen wir 30 Boxen. Die Behörden sind durch die schiefe Kommunikation in den Medien aber sensibel, sie "trauen" sich nicht, sie zu genehmigen. Kurios: An einer Tankstelle an der Kremstal-Bundesstraße scheitert eine unserer Boxen gerade am Lärmgutachten. Dort fahren täglich 20.000 bis 30.000 Autos vorbei, rundum ist nur Gewerbe.

STANDARD: Zäh verläuft seit vielen Jahren auch die Suche nach Franchisepartnern für Unimarkt ...

Haider: So etwas geht nicht schnell. Aber wir wollen eine Franchiseorganisation werden und jährlich rund zehn Märkte übergeben. Nah & Frisch funktioniert ja auch nur mit Einzelhändlern. Geschäfte von selbstständigen Unternehmern entwickeln sich einfach besser.

STANDARD: Warum sollten Jungunternehmer in einem von drei Platzhirschen dominierten Markt arbeiten wollen? Viele werden die dafür nötigen gut 250.000 Euro Eigenkapital lieber in aussichtsreichere Branchen investieren.

Haider: Das Problem ist nicht das Geld, Banken denken hier mittlerweile um. Es braucht aber Leidenschaft für Lebensmittel. Und es geht um Selbstbestimmung. Ein 50-jähriger Marktleiter etwa: Was, wenn er sich von 25-Jährigen nicht sagen lassen will, wie das Geschäft funktioniert? Manche wollen den Betrieb mit der Familie führen. Oder sie sind bäuerliche Direktvermarkter, die perfekt vernetzt sind.

Unimarkt sucht seit Jahren mehr Franchisepartner. Die Lust auf den Sprung in die Selbstständigkeit im hart umkämpften Lebensmittelgeschäft hält sich in Grenzen.
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STANDARD: Regionalität ist in aller Munde. Warum spiegelt sich das nicht in den Preisen für Rohstoffe wider?

Haider: Bei uns gibt es in Bedienung nur Fleisch und Käse aus Österreich. Wir haben Regale für Lebensmittel aus der Region. Da geht’s nicht um zwei Euro rauf oder runter. Aber durch die Krise werden Familienbudgets knapper. Es braucht Produkte im Preiseinstieg. Wir brauchen den Liter Milch, der bei uns gleich viel kostet wie anderswo. Wichtig ist, dazu auch Alternativen zu bieten, damit Konsumenten wählen können.

STANDARD: Sind Sie Verfechter einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung in Handel und Gastronomie?

Haider: In der Gastronomie hat es schon Fantasie. Es würde die Landwirtschaft in Österreich stärken.

STANDARD: Viel Transparenz gibt es bei verarbeiteten Produkten im Handel allerdings auch nicht gerade.

Haider: Man sollte nicht zu viel auf Konsumenten abwälzen. Aber der Markt wird das regeln. Junge Leute kaufen weniger, dafür hochwertigere Produkte als ältere Generationen. Diese mussten Reserven aufbauen, horten. Da soll das Einkaufswagerl um 100 Euro schon g’scheit voll sein.

STANDARD: Wie halten Sie es mit der Sonntagsöffnung?

Haider: Für Tourismusregionen hat sie Relevanz, für den ländlichen Raum keine. Was ich nicht verstehe: Warum dürfen Lebensmittel an Tankstellen und Bahnhöfen österreichweit rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche verkauft werden – in unseren Uniboxen aber nicht? Dabei wäre das eine Chance, kleine Strukturen zu stärken. (Verena Kainrath, 29.5.2021)