Der MEL-Anlegerskandal, riskante und umstrittene Geschäfte, viel Streit mit den Aufsehern und strafrechtliche Ermittlungen prägten die letzten Jahre der Meinl Bank.

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In zwei Jahren hätte die Meinl Bank ihren 100. Geburtstag gefeiert – wäre da nicht der Lizenzentzug im November 2019 samt folgender Insolvenz und Abwicklung gewesen. Schon fünf Monate davor hatte sich die Privatbank mit Sitz in der Wiener Innenstadt von ihrem traditionsreichen Namen verabschiedet, der sich von einer der bekanntesten österreichischen Industriellenfamilien ableitet: Aus Meinl Bank war Anglo Austrian AAB Bank geworden.

Julius Lindbergh Meinl V., der bis 2007 im Vorstand des Geldhauses gesessen war und gemeinhin als sein Eigentümer bezeichnet wurde, verabschiedete sich 2019 auch aus dem Aufsichtsrat. Wobei, Eigentümer ist der 61-Jährige mit Wohnsitz in Tschechien tatsächlich nicht: Die Bank gehört zu 99,9 Prozent der Fareast BV in Malta, den Rest hält die Julius Meinl Versicherungsservice und Leasing GmbH.

US-Knalleffekt

Während die Bankgeschäfte abgewickelt sind und der Insolvenzverwalter in Wien seine Arbeit schrittweise beendet, brachte die US-Staatsanwaltschaft die Causa Meinl Bank vorige Woche mit einem großen Tusch wieder in Erinnerung: Peter Weinzierl, Exchef der Bank, wurde in London festgenommen und soll in die USA ausgeliefert werden. Die US-Justiz wirft ihm Geldwäscherei und Beihilfe zur Bestechung vor – alles im Rahmen des brasilianischen Odebrecht-Skandals. Die Meinl Bank Antigua, die der Meinl Bank gehörte, soll ein Mittel zum Zweck gewesen sein. Weinzierl bestritt das bisher immer und es gilt die Unschuldsvermutung.

Knalleffekt in einer Affäre, die ihren Anfang 2007 genommen hat. Damals, in der Finanzkrise, stürzte der Kurs der Papiere der Meinl European Land (MEL) ins Bodenlose und viele Tausende Anleger kostete das Abermillionen Euro. Anlegerverfahren folgten, inzwischen wurden die meisten mit Vergleichen beendet.

Strafjustiz ermittelt

Allerdings: Die strafrechtliche Aufarbeitung der Causa MEL, in der es neben Julius Meinl V. und Weinzierl rund zehn weitere Beschuldigte gibt, läuft noch immer. Seit 2008 ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien, es geht um den Verdacht auf gewerbsmäßigen Betrug, Untreue, Verletzung von Aktien-, Kapitalmarkt- und Börsengesetz. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe von jeher zurück. Der 956-seitige Endbericht der Ermittler der Soko MEL liegt seit drei Jahren auf dem Tisch; darin ist von einem Schaden von 1,7 Milliarden Euro die Rede.

2007 verließ Julius Meinl V., britischer Staatsbürger, den Vorstand – angetreten war er in den 1980er-Jahren mit der "Vision, das Haus in eine Privat- und Investmentbank angelsächsischer Prägung umzuwandeln", wie es hieß.

Vom Spar- und Kreditverein zur Privatbank

Gegründet hatte der Lebensmittelindustrielle Julius Meinl II. die Bank 1923, als genossenschaftlichen Spar- und Kreditverein der Freunde & Angestellten des Lebensmittelkonzerns Julius Meinl AG. Den gibt es heute auch noch, mit der Freundschaft zwischen Julius Meinl V. und den "Kaffee- und Lebensmittel-Meinls" ist es vorbei. Zwar gibt es noch die eine oder andere gesellschaftsrechtliche Verbindung, aber zugetan ist man einander nicht.

Auch nach dem MEL-Skandal kam die Privatbank angelsächsischer Prägung nicht mehr in ruhiges Fahrwasser. Die Bankenaufsichtsbehörde FMA nahm das Institut immer wieder unter die Lupe, fand nach vielen Vor-Ort-Prüfungen immer wieder Anlass für Kritik. Da ging es ums Eigenkapital, verzögerte Vorlage von Jahresabschlüssen – immer öfter hagelte es wegen Verstößen gegen die Vorschriften zur Prävention von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung Kritik, auch bei Back-to-back-Geschäften. Die Probleme mündeten im Verfahren zur Absetzung von Bankchef Weinzierl; er nahm 2015 seinen Hut.

Umstrittene Geschäfte

Die Back-to-back-Deals stellen eine umstrittene und riskante Art der Finanzierung dar; die Meinl Bank machte die vor allem mit russischen und ukrainischen Kunden und mit Odebrecht. Zwischen Mai 2010 und Mai 2015 summierten sich diese Deals auf 3,3 Milliarden Euro; 1,2 Mrd. davon entfielen auf Odebrecht. 2017 zeigte die FMA die Bank im dem Konnex bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an, die seither ermittelt.

Das Brot- und Butter-Geschäft hatte die Privatbank da schon lange hinter sich gelassen, die Skepsis der Aufsicht nicht. Auf Vorschlag der FMA führte die Europäische Zentralbank ab April 2019 ein Verfahren zum Entzug der Banklizenz. Im November war selbige perdu, Anglo Austrian ging pleite. Diagnose des Masseverwalters: Auf Einzelinstitutsebene wies die Bank seit 2010 jedes Jahr einen bilanziellen Verlust aus, insgesamt 74 Mio. Euro.

Meinl soll Honorar zurückzahlen

Julius Meinl V. kann mit dem Kapitel Bank noch nicht ganz abschließen. Der Masseverwalter hat ihn am 25. Februar beim Handelsgericht Wien geklagt. Er fordert fast 9,3 Mio. Euro von ihm zurück, es geht um Konsulentenhonorare (3,9 Mio. Euro) und Kosten für die Benützung des Businessjets (5,3 Mio.), die die Bank zwischen Februar bzw. März 2016 und November 2019 bezahlte.

Über die Beratungsleistungen gebe es keine Aufzeichnungen, eine Auflistung seiner Aktivitäten sei erst nach Konkurseröffnung auf Anfrage übermittelt worden, heißt es in der Klage. Es finde sich nichts darunter, was das vereinbarte Honorar von einer Million Euro im Jahr rechtfertige. Bei den Reisekosten sei kein Nachweis zur Notwendigkeit der Flüge und kein Zusammenhang mit konkreten Projekten zu finden.

Adäquate Leistung

Meinls Anwälte sehen es in der Klagebeantwortung von 23. April ganz anders. Zum einen hätten Anglo Austrian und Julius Meinl V. im November 2019 alle wechselseitigen Ansprüche bereinigt und verglichen. Und: Meinl habe adäquate Leistungen erbracht und 50 Projekte an die Anglo Austrian herangetragen, die ihr rund 35 Mio. Euro an Nutzen gebracht hätten. Die Reisen seien notwendig gewesen.

Ganz geschlossen ist das Kapitel Meinl Bank also noch nicht. (Renate Graber, 29.5.2021)