Dorothee Hartinger hält es kaum mehr aus. "Das letzte Jahr war schrecklich, furchtbar, grauenvoll", sagt die Burgschauspielerin an einem Freitagmittag im April. Das Land befindet sich zu dieser Zeit bereits im vierten Lockdown, und eine Öffnung der Geschäfte, der Lokale und auch der Bühnen ist nicht in Sicht. Das prunkvolle Ambiente des Erzherzog-Zimmers im Burgtheater, in dem Hartinger sitzt, wirkt mit seinen vergoldeten Intarsien und Marmorwänden genauso leblos wie das gesamte österreichische Kulturleben. "Ich vermisse es unglaublich, zu spielen", sagt die 50-Jährige mit einer Leidenschaft in der Stimme, die authentisch wirkt. "Wenn ich nicht spiele, bin ich keine Schauspielerin."

Auch die kleinen Begegnungen auf den Fluren, wo nun die ausrangierten roten Theatersessel stehen, gehen ihr ab. Es sind Begegnungen mit Kollegen wie Jan Bülow, der jetzt mit Abstand neben ihr sitzt – eine Seltenheit, dass die beiden Ensembleschauspieler einander zu Gesicht bekommen. Sie sind in Kurzarbeit. Am Freitag vor dem ersten Lockdowns, am 13. März 2020, hätte Hartinger eine Premiere gehabt, die abgesagt wurde. Erst im September stand sie wieder vor Publikum. Ab November arbeitete sie an einer neuen Produktion.

Zeit zum Füßehochlegen? Der Burgschauspielerin und Mutter Dorothee Hartinger fiel es schwer, die freie Zeit in der Kurzarbeit wirklich zu nutzen.
Foto: Heribert Corn

Bülow probt seit Monaten von Montag bis Samstag sieben Stunden – nur die Vorführungen fehlen. Dazwischen gab es ein paar einwöchige Unterbrechungen. "Komplett frei hatte ich nicht, im Gegensatz zu anderen Kollegen", sagt der 24-Jährige. Außer zu Beginn der Pandemie: Die ersten vier Monate verbrachte er bei seiner Familie in Berlin. Mit den Lockerungen im Sommer liefen unter strengen Hygienebestimmungen Filmdrehs an und im September auch wieder die Proben am Burgtheater. "Wenn man probt, ist man sehr dankbar, etwas zu tun zu haben – das merkt man aber erst dann, wenn man wieder nichts zu tun hat", sagt Bülow. Auch er wird "mittlerweile ungeduldig". Er will wieder loslegen, aufgeregt sein vor einer Premiere, ein "volles Haus" haben. "Das wäre ein Traum." Aber Bülow ist sich bewusst, dass es "uns fest engagierten Schauspielern schon echt gut geht – das ist Jammern auf hohem Niveau".

Mit Job, ohne Arbeit

Hartinger und Bülow proben seit Monaten für die Premiere am Sankt-Nimmerleins-Tag. Die beiden gehören zu jenen Beschäftigten, die mit Beginn der Pandemie in Kurzarbeit geschickt wurden und in besonders angeschlagenen Branchen arbeiten. So wie ein Pilot auf dem Boden, eine Fitnesstrainerin auf der Couch und ein Kellner ohne Gäste, die DER STANDARD fast zwei Monate begleitet hat. Doch wie fühlt es sich eigentlich an, zwar nicht ohne Job, aber doch ohne Arbeit zu sein?

Obwohl es damals keine Corona-Pandemie gab und die Zeiten heute bessere sind, erinnert die Gegenwart an eine wegweisende soziologische Studie der Vergangenheit. In den frühen 1930er-Jahren schrieben Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel Die Arbeitslosen von Marienthal. Nachdem 1930 eine große Textilfabrik geschlossen hatte, wurde fast die gesamte Arbeitersiedlung in Gramatneusiedl auf einen Schlag arbeitslos. Die Soziologen erforschten, was dieser Zustand mit Menschen macht. Sie stellten fest: Der Großteil von ihnen war hoffnungslos oder gar verzweifelt und depressiv. Nur die wenigsten, 16 Prozent, welche die Forscher als die "Ungebrochenen" bezeichneten, schmiedeten Pläne und blickten hoffnungsvoll in die Zukunft. Die Frage ist nun: Trifft das auch auf die Kurzarbeitenden von heute zu?

Mrs.Sporty-Fitnesstrainerin Jessica S. arbeitet nur neun Stunden statt 30

"Auch wenn ich das vergangene Jahr vor allem geschaut habe, dass ich durchkomme, bin ich froh, in der Krise einen Job zu haben. Es kann nur mehr besser werden", sagt Jessica S., die ihren Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Für sie persönlich sei es aber "ein verlorenes Jahr". Die 24-Jährige absolviert den berufsbegleitenden Bachelorstudiengang Fitnessökonomie und ist Fitnesstrainerin im Mrs. Sporty Club Währing in Wien. Sonnenlicht strahlt an diesem Mittwoch im April durch das Eckstudio, die Trainingsgeräte sind leer, die Hanteln ordentlich gestapelt. Statt 30 Stunden arbeitet sie derzeit neun.

Onlineworkouts im Kinderzimmer

Das war nicht immer so. Im ersten Lockdown machte sie nur zehn Prozent ihrer Stunden – es galt ein Betretungsverbot für das Studio, S. war hauptsächlich mit telefonischen Abokündigungen beschäftigt. Manchmal fühlte sie sich gar nicht mehr als Fitnesstrainerin, sagt sie rückblickend. In dieser Zeit zog sie zu ihren Eltern nach Kärnten. Zuerst genoss sie die Ruhe. Doch bald schlich sich ein anderes Gefühl ein: "Ich fühlte eine gewisse Müdigkeit", sagt S., die die virtuellen Teammeetings vom Bett aus in Jogginghose machte. Doch bald gab sie als Erste im Team einmal pro Woche Onlineworkouts – im alten Kinderzimmer.

Seit November macht sie das im Studio, das war auch die Vorgabe ihrer Chefin, um Privates und Berufliches besser zu trennen. "Ich bin froh, wenn ich aus dem Haus komme", sagt S. Oft habe sie Dienste von Kolleginnen übernommen, um nicht selbst die Leere des Tags füllen zu müssen. Sie ist zwei- bis dreimal pro Woche hier und macht auch inversive Beckenbodentherapie mit jungen Müttern oder Menschen mit Inkontinenz.

Kündigungsschutz, finanzielle Sicherheit

Noch weniger Stunden als Jessica S. arbeitet Matthias Baumgartner, der in Wirklichkeit anders heißt. Der 29-Jährige ist Pilot und fliegt seit fünf Jahren Kurzstrecken. Wir erreichen ihn Mitte April. In anderen Jahren hätte die Urlaubssaison längst begonnen, die Menschen wären nach Kreta oder Barcelona geflogen, die Dienstpläne der Piloten wären voll gewesen. Seit einem Jahr ist alles anders. Baumgartners Uniform hängt im Schrank. Im Dienstplan steht: Kurzarbeit. Wann es weitergeht, die strengen Einreisebestimmungen fallen, die Leute wieder fliegen, wagen selbst Touristiker nicht klar vorherzusagen. Baumgartners letzter Flug war am 15. März 2020.

"Als ich von der Kurzarbeit erfahren habe, war mein erstes Gefühl ein gutes", erzählt er. Denn mit der Kurzarbeit gilt Kündigungsschutz, und für die Mitarbeiter gibt es finanzielle Sicherheit. "Das war eine große Erleichterung." Schon bald jedoch kamen Sorgen auf: "Wie lange wird das dauern? Wie schlimm wird das werden? So richtig die Freizeit genießen konnte ich also nicht, denn da waren immer diese Hintergedanken."

Am 15. März 2020 ging Matthias Baumgartners letzter Flug (Name von der Redaktion geändert).

Seine Stimmung in der Kurzarbeit beschreibt Baumgartner als "Sinuskurve": Gingen die Infektionszahlen runter und die Buchungszahlen rauf, fühlte er sich besser – und umgekehrt. "Wobei das Grundlevel immer weiter gesunken ist. Nach so einer langen Zeit geht einem die Arbeit schon ab, man will ja eine Aufgabe haben. Verzweifelt würde ich es aber nicht nennen." Nach ungefähr einem halben Jahr dachte er das erste Mal: "Jetzt hatte ich genug Freizeit." Von da an sollte die Kurzarbeit für ihn noch acht Monate dauern.

Müde vom Nichtstun

"Zwei Wochen lang hat sich die Kurzarbeit angefühlt wie Urlaub, und dann ging die Motivation runter", erzählt auch Adi Lasić. Der 30-Jährige ist Schankmitarbeiter in Wien. Vergangenen September fing er bei einem gehobenen Restaurant zu arbeiten an. Eineinhalb Monate danach musste das Lokal pandemiebedingt die Türen schließen. Seitdem ist Lasić in Kurzarbeit. An einem Donnerstag im April, an dem wir ihn treffen, wartet er darauf, dass es wieder losgeht. Er wartet, dass wieder Gäste auf der Terrasse des Restaurants unter den großen weißen Schirmen Platz nehmen. Immerhin wäre es die Jahreszeit dafür. Noch will er aber die von der Regierung für Mitte Mai angekündigten Öffnungen nicht so recht glauben. Im Restaurant ist er zur Zeit nur hin und wieder, für zwei oder drei Stunden. Er räumt auf oder erledigt Botendienste, bringt etwa Lebensmittel von einem Standort des Lokals zum anderen.

Lasić berichtet von einer gewissen Lethargie durch die Kurzarbeit, wie sie auch Jahoda und Kollegen bei den Arbeitslosen beobachteten. "Man macht weniger und ist am Abend trotzdem müde", sagt Lasić. Für ihn überwiegt aber das Positive: "Für mich war es eine große Erleichterung, nicht arbeitslos zu werden." Wegen Corona hatte er vergangenes Frühjahr bereits einen Job verloren und war kurzzeitig arbeitslos gewesen – bevor er bei seinem jetzigen Arbeitgeber unterkam. Aber nicht nur was die Psyche betrifft, hat die Kurzarbeit für ihn Vorteile, auch finanziell. Er erhält 90 Prozent seines Nettogehalts. "Damit komme ich gut über die Runden."

Barkeeper Adi Lasić hat in der freien Zeit der Kurzarbeit einen Bierbrau-Wettbewerb gestartet.
Regine Hendrich

Das fixe Einkommen spielt eine große Rolle für das Wohlbefinden, weiß Hannah Quinz, Soziologin an der Universität Wien. Für das Arbeitsmarktservice Niederösterreich führt sie in Gramatneusiedl eine Studie durch, sie heißt Marienthal.reversed– benannt nach der berühmten Marienthal-Studie. Quinz untersucht, wie es Langzeitarbeitslosen geht, wenn ihnen ein Job garantiert wird. Wer langfristig arbeitslos ist, lebt laut Quinz öfter in Armut oder läuft Gefahr, in diese abzurutschen. Kurzarbeiter hingegen haben – zumindest mittelfristig – die klare Aussicht, wieder in ihre Stelle zurückzukehren. Sie erhalten einen großen Teil des Gehalts und müssen sich weniger einschränken. "Sie werden auch nicht so stark gesellschaftlich stigmatisiert und verlieren nicht ihren Status", sagt Quinz.

Gefühl, gebraucht zu werden

Was die beiden Gruppen aber gemein haben: Ihnen fehlt das Gefühl, gebraucht zu werden. Denn Arbeit ist mehr, als nur Geld zu verdienen. "Es geht auch darum, zu sehen, dass man Herausforderungen bewältigen kann, um soziale Kontakte und darum, gemeinsame Ziele zu verfolgen." Das berichten auch die Kurzarbeitenden: Ihnen fehlen die Aufgaben, die Termine, aber auch die Kolleginnen und Kollegen. "Das alles ist wichtig für das psychische Wohlbefinden", sagt Quinz.

Aber noch etwas fehlt, wie schon die Soziologen um Marie Jahoda in den 1930er-Jahren beobachten konnten. Sie baten die Probanden, ihren Tag zu protokollieren, und stellten fest: Es gibt keine Zeiteinteilung mehr, keine feste Struktur. Die Arbeitslosen schrieben etwa, dass sie zwischen neun und zehn Uhr morgens zu Hause waren, von zehn bis elf an der Hausecke standen, dann einen Spaziergang machten. In einer berühmt gewordenen Eintragung eines 33-Jährigen heißt es schlicht: "10–11 einstweilen wird es Mittag".

Irgendwann habe er das Zeitgefühl verloren, erzählt Burgschauspieler Jan Bülow.
Foto: Heribert Corn

Über kurz oder lang werden diese andauernden Pausen des Alltags nicht mehr als entspannend empfunden, sondern als belastend. Auch von den Kurzarbeitenden. Sie gönnen sich zwar Tage des Nichtstuns, an denen sie in den Tag hineinleben, versuchen aber bald, dem Tag eine Struktur zu geben. "Irgendwann habe ich das Verhältnis zur Zeit verloren. Ich konnte oft nicht mehr sagen, ob Dinge vor zwei Tagen oder zwei Wochen passiert sind", sagt etwa Schauspieler Bülow.

Tagesstruktur mit Kindern

Bei seiner Kollegin Dorothee Hartinger geben ihre Tochter und ihr Hund die Struktur des Alltags vor, den sonst der Theaterspielplan und die Proben einteilen. Bevor um acht die erste Schulstunde auf Zoom beginnt, geht sie mit Juli Gassi. Bis 13 Uhr betreut sie das Kind im Homeschooling. Wenn Hartinger probt, ist die Zehnjährige bei einer befreundeten Familie.

Sie wollte die freie Zeit nutzen, doch das klappte nicht: "Es ist immer so eine Unruhe da – auch, weil das Kind zu Hause ist –, sodass es schwierig ist, sich zu konzentrieren." Wohl auch, weil sich ihr die Sinnfrage stellt: "Ich entspanne mich gern oder lese etwas, wenn es angebunden ist an die Arbeit, eine Lesung – ohne ist es merkwürdig." Stattdessen putzte sie ihre Fenster und machte Fortbildungen. Als Ensemblevertreterin organisierte sie viele davon für sich und ihre Kollegen. Abends ging sie meistens um 21 Uhr ins Bett und "habe mich gewundert, wie ich jemals so spät Theater spielen konnte", erinnert sich Hartinger.

Bei Pilot Baumgartner traten Ersatzbeschäftigungen und Hobbys an die Stelle der Arbeit: Er machte den Taxischein, reitet täglich mehrere Stunden, bastelt an kaputten Autos, repariert alte Nähmaschinen und verkauft sie. "Dass ich durch die Kurzarbeit träge geworden bin, würde ich nicht sagen." Er versucht, jeden Tag um dieselbe Zeit aufzustehen, "außer am Wochenende". Barkeeper Lasić organisierte einen Wettbewerb im Bierbrauen, bei dem Hobbybrauer mit ihren besten Bieren gegeneinander antreten. Er fährt Fahrrad, um die vielen Stunden auf dem Sofa zu kompensieren.

Der große Tag

Wie viel Zeit Lasić dafür künftig hat, bleibt abzuwarten. Die angekündigten Öffnungen, denen er erst nicht traute, wurden Wirklichkeit. Mit dem langersehnten Datum kommt die Hoffnung, dass die Kurzarbeit für die im Mai rund 324.000 dafür angemeldeten Beschäftigten endet.

Aktuelle Zahlen zur Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit

Am 19. Mai, dem Tag der Öffnungen, wacht Trainerin Jessica S. um fünf Uhr morgens auf. Sie sei bisschen nervös gewesen vor dem großen Tag, erzählt sie. "Zum Glück war ich in den vergangenen Monate immer wieder da, sonst wäre das heute ein kleiner Schock gewesen." Fünf Frauen sind am Vormittag zum Training gekommen. S. hofft, dass viele zurückkommen – knapp 200 Mitglieder haben gekündigt. Mit dem Boom rechnet sie erst in ein paar Wochen. Immerhin habe die Pandemie gezeigt, wie wichtig die Gesundheit ist: "Sport ist Prävention – für Körper und Psyche."

Drei Tage später ist Pilot Matthias Baumgartner auf dem Weg zum Flughafen. Nach mehr als 14 Monaten Kurzarbeit wird er wieder im Cockpit sitzen. "Ich bin motiviert", sagt er am Telefon. Damit er wieder arbeiten darf, musste er sich "requalifizieren", in den Monaten der Kurzarbeit ist seine Lizenz ausgelaufen. Für ihn bedeutete das: Täglich mehrere Stunden über Flugplanung oder Notfälle an Bord lernen. Dann 20 Stunden im Simulator, in denen er trainierte, wie er auch bei stärkstem Wind sicher landet, wie er reagiert, wenn ein Triebwerk ausfällt oder Feuer an Bord ausbricht.

Baumgartners erster Flug geht nach Larnaka, auf Zypern. Er ist zuversichtlich, dass die Menschen im Sommer Urlaub machen. Trotzdem blickt er "mit gemischten Gefühlen" in die berufliche Zukunft. Denn er weiß: Die Krise ist noch nicht überstanden, die Buchungszahlen werden nicht sofort hinaufschnellen. Zudem ist in seiner Firma immer wieder von Kündigungen die Rede. Seine beruflichen Ambitionen – in naher Zukunft Langstrecke fliegen zu können – hat er vorerst aufgegeben. Aber etwas Wichtiges hat er behalten: Die Zuversicht, "dass ich eine Alternative finden würde, wenn das Fliegen nicht mehr klappt". Dennoch rechne er damit, dass es wegen der Impfungen bald wieder voll losgeht.

Gedämpfte Euphorie

Bei Adi Lasić geht es bereits wieder richtig los. Es ist der 25. Mai, die Lokale haben seit knapp einer Woche wieder offen. Seine erste Schicht ging von 16 Uhr nachmittags bis Mitternacht. Das Restaurant sei gut besucht gewesen, viele der Holzsessel auf der Terrasse besetzt. "Wir haben den ganzen Tag ohne Pause gearbeitet." Für die große Euphorie blieb also gar keine Zeit. Ob er seine viele Freizeit vermissen wird? "Natürlich war es nett, so viel zu haben, aber vermissen werde ich sie nicht."

Dorothee Hartinger und Jan Bülow hatten bereits eine Premiere nach den Öffnungen.
Foto: Heribert Corn

Auch bei Dorothee Hartinger sei die Euphorie noch nicht ganz da, aber ihre erste Premiere am vergangenen Samstag "war herrlich. Ich habe das Gefühl, ich habe mein altes Leben zurück." Sie arbeitet wieder Vollzeit, vier Aufführungen hatte sie bereits seit den Öffnungen. Aber das alte Arbeitspensum ist noch nicht voll da. "Insofern fühle ich mich noch ein wenig unterfordert", gibt Hartinger zu. "Eigentlich wartet man auf den Moment, wo das Publikum keine Masken mehr trägt, alle Plätze besetzt sind, sich alles im Saal drängelt. Aber natürlich bin ich dankbar für jede Kompromisslösung", sagt Bülow im Rückblick auf seine erste Premiere nach den Öffnungen, die am Mittwoch über die Bühne ging. Für ihn habe sich mit den Öffnungen nicht so viel verändert, die vielen Proben hätten einen Vorgeschmack gegeben, wie es ist, wieder Vollzeit zu arbeiten. Und eine Erfahrung, die ihm noch geblieben ist: "Es war schön, zu merken, dass man den Job, den man ob des Aufwands auch oft verflucht, doch sehr liebt."

Noch ist vieles unsicher. Noch sind nicht alle Zuschauer, Gäste, Passagiere und Kunden zurück. Trotzdem ist die Stimmung gut. Also – und das zeigen auch Befragungen der Uni Wien – ist die Kurzarbeit ein wirksames Instrument, um nicht nur vor Arbeitslosigkeit, sondern vor allem auch deren langfristigen psychischen Folgen zu schützen.

Dass sie im Herbst noch einmal in Kurzarbeit müssen, damit rechnet keiner der Befragten. Insofern ist ihre Haltung durchaus mit jener der Ungebrochenen aus der Marienthal-Studie zu vergleichen: Ihr Blick ist hoffnungsvoll in die Zukunft gerichtet. Und doch wird es wahrscheinlich noch dauern, bis sich ihr Job wieder wie früher anfühlt. Wie vor der Kurzarbeit. (Lisa Breit, Selina Thaler, 29.5.2021)