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Unter anderem Ziel der Überwachung: die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

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Der dänische Geheimdienst hat Medienberichten zufolge dem US-Geheimdienst NSA dabei geholfen, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere europäische Spitzenpolitiker abzuhören. Der dänische Auslands- und Militärgeheimdienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) habe der NSA die Nutzung der geheimen Abhörstation Sandagergardan nahe Kopenhagen ermöglicht, berichteten der Dänische Rundfunk (DR) und weitere europäische Medien am Sonntag.

Laut den gemeinsamen Recherchen des DR, der deutschen Sender NDR und WDR, der "Süddeutschen Zeitung" und anderen Medien konnte der US-Geheimdienst in den Jahren 2012 bis 2014 dort einen wichtigen Internetknotenpunkt verschiedener Unterseekabel anzapfen. Die Abhöraktion habe sich gegen führende Politikerinnen und Politiker aus Deutschland, Schweden, Norwegen, den Niederlanden und Frankreich gerichtet. In Deutschland war demnach neben Merkel und dem heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auch der damalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück betroffen.

Untersuchungskommission eingesetzt

Den Recherchen zufolge wurde die Kooperation der NSA und des dänischen Geheimdiensts bei der Überwachung europäischer Nachbarländer 2015 in einem internen Bericht des FE dokumentiert. Die dänische Verteidigungsministerin Trine Bramsen, die seit Juni 2019 im Amt ist, wurde laut DR im August 2020 darüber informiert. Sie sagte dem Sender, "das systematische Abhören von engen Verbündeten" sei inakzeptabel.

Die dänische Regierung habe daraufhin eine Untersuchungskommission zur Klärung der Vorwürfe eingesetzt und die Führung des Militärgeheimdiensts suspendiert, hieß es. Allerdings erscheint unklar, ob die NSA-Spionage gegen die Nachbarländer auch Gegenstand dieser Untersuchungen ist.

Steinbrück sagte dem Rechercheverbund, er habe erst durch die Berichte von der Abhöraktion erfahren. "Politisch halte ich das für einen Skandal." Zwar glaube er, dass auch westliche Staaten funktionsfähige und tüchtige Nachrichtendienste benötigen. Doch zeige diese Art des Abhörens unter Partnern, "dass sie doch ein ziemliches Eigenleben führen".

Auch die deutsche Regierung hatte von der Bespitzelung demnach keine Ahnung. "Der Gegenstand Ihrer Recherche ist der Bundeskanzlerin durch Ihre Anfrage bekannt geworden", sagte ein Regierungssprecher. Steinmeier erklärte ebenfalls, er habe von den Abhöraktionen bisher nichts gewusst.

Nachbarn fordern Erklärung

Die Regierungen Schwedens und Norwegens forderten Montagfrüh eine Erklärung von Dänemark. Die Verteidigungsminister Peter Hultqvist und Frank Bakke-Jensen haben laut eigenen Angabe bereits vergangene Woche mit ihrer dänischen Kollegin Bramsen über die Angelegenheit gesprochen. Hultqvist sagte dem schwedischen Sender SVT, sein Land verlange eine vollständige Orientierung über die Angelegenheit. Man nehme die Behauptungen sehr ernst, sagte Bakke-Jensen dem norwegischen Sender NRK. Sowohl SVT als auch NRK waren in die Recherchen eingebunden, ebenso der dänische Sender DR.

Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden hatte 2013 tausende strenggeheime Dokumente über die Überwachungspraktiken der US-Nachrichtendienste veröffentlicht. Die Enthüllungen lösten weltweit Empörung aus. Unter anderem stand der Vorwurf im Raum, dass die NSA Merkels Handy angezapft habe. Die Ermittlungen dazu stellte die deutsche Bundesanwaltschaft allerdings 2015 ein.

Laut Snowden wurden auch massenhaft österreichische Ziele von der NSA ausspioniert. Das führte zu Friktionen im Verhältnis zwischen Wien und Washington. Die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erstattete nach Berichten über NSA-Spionage in Österreich 2015 Anzeige gegen unbekannt. Zwei Jahre zuvor hatten die USA zugeben müssen, dass im "Krieg gegen den Terror" nach den Al-Kaida-Anschlägen in New York und Washington am 11. September 2001 auch Daten österreichischer Internetnutzer abgesaugt wurden. (APA, 31.5.2021)