Nur 40 Prozent der jungen Erwachsenen planen laut einer Umfrage, heuer ihr Gehalt zu verhandeln. Gehaltsexpertin Martina Ernst gibt Tipps, wie die Verhandlung trotz Krise gelingen kann.

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In Zeiten der Pandemie ist das Thema Gehalt in vielen Unternehmen heikel. Gerade für junge Menschen kann die Krise eine weitere Hürde auf dem Weg zur Gehaltsverhandlung darstellen. Der "Jungakademiker-Monitor" des Linzer Start-ups fip-s.at zeigt: Ein Großteil der Befragten (75,6 Prozent) geht von negativen Auswirkungen einer schlechteren gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf ihr Gehalt aus.

Nur 40 Prozent der Jungen planen heuer, ihr Gehalt zu verhandeln oder haben dies bereits getan. Dieser Wert ist über die vergangenen Jahre gesunken, 2019 und 2020 war es noch etwa die Hälfte (48,5 und 46,4 Prozent). Die Vorbereitungszeit liegt für den Großteil der Befragten (58,6 Prozent) zwischen 30 Minuten und einer Stunde. Knapp jede und jeder Dritte fühlt sich deshalb auch nur teilweise gut vorbereitet. Als größtes Hindernis beschreiben die Befragten jedoch, die richtige Verhandlungsstrategie zu finden.

Die meisten Unternehmen haben fixe Runden zum Thema Gehalt und ebenso festgelegte Termine, um über die berufliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden zu reden. Es ist aber ebenso möglich, selbst aktiv zu werden und die eigenen Anliegen anzusprechen. Wie das am besten gelingt und was es in der Vorbereitung zu beachten gilt:

Schritt 1: Erwartungen abklären

Ganz zu Beginn ist es wichtig, sich zu überlegen, was einem am Job wirklich gefällt und Freude bereitet. Worin bin ich gut? Um Antworten auf diese Frage zu finden, kann es auch hilfreich sein, bei Familienmitgliedern, im Freundeskreis sowie bei Kolleginnen und Kollegen nachzufragen. Und ganz wichtig: sich nicht nur in den Gesprächen Notizen zu machen, sondern auch Lob und Feedback im Arbeitsalltag aufzuschreiben. Fragen Sie dann Ihre Führungskraft, welche Erwartungshaltung sie für die nächsten drei bis sechs Monate hat und woran Sie erkennen können, ob diese erfüllt oder sogar übertroffen wurden. Auch das sollte unbedingt schriftlich festgehalten und bestätigt werden.

Schritt 2: Rahmen definieren

Die nächste Frage, die man sich stellen sollte: Was will ich wirklich, und was bin ich bereit, für meine Karriere zu investieren? Denken Sie ernsthaft darüber nach, ob Sie mehr Verantwortung übernehmen wollen, eventuell sogar den Arbeitgeber wechseln und einen besser bezahlten Job annehmen würden? Denn wirklich ungeschickt wäre es, das zu bekommen, was man fordert, ohne die Konsequenzen vollends bedacht zu haben.

Schritt 3: Recherche

Fakten kennen und den eigenen Marktwert recherchieren sind die wichtigste Grundlage für die Gehaltsverhandlung. Wie hoch ist die derzeitige Brutto-Gesamtjahresvergütung (Grundgehalt, eine etwaige Überstundenpauschale, andere Zulagen, Bonus et cetera), und welche freiwilligen Sozialleistungen zahlt der Arbeitgeber sonst noch? Zum Beispiel Beiträge in eine private Pensionsversicherung, Öffi-Ticket, Dienstauto, Coaching, Ausbildung, Fitnesscenter oder Ähnliches. Auch Firmenvorteile sollten bei der Forderung nach mehr Gehalt nicht vergessen werden, und in manchen Fällen können diese sogar ein Zusatz oder eine Alternative zu mehr Einkommen sein.

Schritt 4: Mehrwert festhalten

Welchen Mehrwert liefere ich in meiner aktuellen Tätigkeit, der über die Stellenbeschreibung beziehungsweise über das Jobprofil hinausgeht? Um das gut belegen zu können, lohnt es sich, am Ende jedes Arbeitstages kurz schriftlich zu resümieren, was besonders gut gelungen ist. Hier sind Daten und Fakten gefragt, keine Gefühle oder die bloße Aufzählung von Überstunden. Denn Achtung: Mehrarbeit bedeutet erst einmal für das Unternehmen nur Mehrkosten – keinen Mehrwert! Was zählt, ist, inwiefern man mehr Umsatz als geplant einbringt, die Kosten stärker reduziert, die Qualität deutlich verbessert, den Prozess stark vereinfacht oder eine innovative Produktidee liefert. Kann man das ausreichend belegen, sollte das auch mehr Gehalt und den nächsten Karriereschritt für Mitarbeitende bedeuten.

Schritt 5: Gespräch suchen

Fixieren Sie einen Besprechungstermin, um über Ihre berufliche Entwicklung im Unternehmen zu sprechen. Planen Sie eine Stunde Zeit ein, denn solche Gespräche funktionieren nicht zwischen Tür und Angel. Ein wichtiger Tipp: Man sollte sich bei diesem Termin nicht nur auf das Gehalt beschränken. Wie im Schritt davor beschrieben, sollte man belegen können, welchen Mehrwert man in das Unternehmen bringt und wie man sich in Zukunft weiterentwickeln möchte. Außerdem sollte man nie mit der Haltung in das Gespräch gehen, "den Gegner bezwingen zu müssen". Die Gehaltsverhandlung sollte eine Win-win-Situation sein. Schließlich wollen beide Seiten mehr oder weniger das Gleiche: top motivierte Menschen, die mit vollem Elan zum Unternehmenserfolg beitragen. (Martina Ernst, 1.6.2021)