Christoph Baumgartner, umringt von Griechen, ist Österreichs jüngstes Kadermitglied.
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Bis Dienstag um 23.59 Uhr durften die Nationaltrainer der 24 für die Fußballeuropameisterschaft qualifizierten Verbände Analysen auswerten, Strategien wälzen oder Münzen werfen, um ihre endgültigen Kader von jeweils 26 Spielern zu fixieren.

Herausgekommen ist eine Liste mit 622 Aktiven, und wenn Sie nun nachrechnen und meinen, dass 24 mal 26 eigentlich 624 ergeben müsste, dann lässt Sie Ihre Schulalgebra nicht im Stich. Spaniens Teamchef Luis Enrique schöpfte den Pool als Einziger nicht aus und nominierte nur 24 Spieler.

Das Altersspektrum reicht heuer vom 17-jährigen Talent über den 27-jährigen Medianspieler bis zum 38-jährigen Routinier. Am weitesten zurück liegt der Geburtstag Maarten Stekelenburgs; der niederländische Goalie wird am 22. September 39 Jahre alt. Zu Turnierbeginn wird er ziemlich genau eineinhalb Jahre jünger sein als Rekordhalter Gábor Király, der als bisher einziger über 40-Jähriger auf dem Feld stand. (Der älteste Euro-Torschütze ist übrigens nach wie vor Ivica Vastić, der den Elfer gegen Polen beim Heimturnier 2008 mit 38 Jahren und 257 Tagen versenkte.)

Auf der anderen Seite blickt Kacper Kozłowski auf eine womöglich lange internationale Karriere voraus. Er ist der jüngere von nur zwei 17-Jährigen im Turnier. Der andere, Jude Bellingham, könnte im wahrscheinlichen Fall eines Aufstiegs am 29. Juni vom englischen Teammanager Gareth Southgate zum 18. Geburtstag mit einem Achtelfinaleinsatz beschenkt werden. Der Pole Kozłowski wird erst im Oktober volljährig.

Das geringste Durchschnittsalter aller Kader hat heuer Spanien mit 24,5 Jahren, das höchste Schweden mit 29,2 Jahren. Ungeachtet des Altersmittels werden die 24 Teams von durchwegs erfahrenen Kapitänen geleitet: 21 Mannschaftsführer sind 30 Jahre oder älter, selbst der jüngste, Schottlands Andrew Robertson, hat bereits 27 Jahre hinter sich.

Höheres Alter bedeutet aber nicht unbedingt mehr Erfahrung, denn auf summiert mehr Nationalteameinsätze als Schweden kommen die Spieler Belgiens: Heruntergerechnet von den 1.306 A-Team-Auftritten des Gesamtkaders hat statistisch jeder Belgier 50,2 Ländermatches absolviert. Auf 448 Spiele und also nur ein gutes Drittel kommt Schlusslicht Schottland. Österreich liegt mit 747 Partien im Mittelfeld.

Der Einzelspieler mit den tatsächlich meisten Nationalteambegegnungen in den Beinen ist allerdings ein Portugiese, und mit Cristiano Ronaldo der wahrscheinlich berühmteste. Auf ihn und seine 173 Einsätze folgt mit Respektabstand der kroatische Kapitän Luka Modrić (136 Spiele).

Gänzlich unberührt war Ronaldo bei seiner ersten Euro 2004 zuhause nicht, er hatte sich zuvor immerhin an sieben Auftritten der Seleção beteiligt. Heuer gibt es ganze 24 Spieler, die die Trainer einberufen haben, ohne sie ein einziges Mal im Nationalteamtrikot auf dem Platz gesehen zu haben. Am mutigsten waren in dieser Hinsicht die Trainer Schottlands und Ungarns, die jeweils drei Akteure ohne eine einzige Einsatzminute in der A-Auswahl nominiert haben.

Den Prestigeerfolg Klub mit den meisten Euro-Teilnehmern teilen sich bei dieser Ausgabe Manchester City und Chelsea. Die beiden Champions-League-Finalisten stellen jeweils 15 Spieler ab, dicht gefolgt von den Bayern mit 14 Spielern.

Von den insgesamt 212 Vereinen aus 34 Ländern, die mindestens einen Euro-Spieler beschäftigen, haben nur zwei ihren Sitz in Österreich. Nationaltorhüter Alexander Schlager steht beim LASK unter Vertrag, sein Mannschaftskollege Andreas Ulmer bei Red Bull Salzburg.

Neben Schlager und Ulmer sind aus dem österreichischen Aufgebot nur Ersatzgoalie Daniel Bachmann (Watford), Offensivkraft Louis Schaub (Luzern) und Stürmerpersönlichkeit Marko Arnautović (Shanghai Port) nicht in der deutschen Bundesliga tätig, die anderen 21 verdingen sich zwischen Freiburg und Bremen. Das schlägt sogar die Auswahl der Bundesrepublik, die selbst nur 17 Spieler aus der eigenen Liga bezieht.

Patriotische Monokulturen

Auch wenn in keinem anderen Kader ein so hoher Spieleranteil in einer einzigen ausländischen Liga wirkt wie im österreichischen (lediglich Wales kommt der Menge mit 18 England-Legionären nahe), sind patriotische Monokulturen nicht unüblich. England bestellt 23 Spieler aus der Premier League, Italien 22 aus der Serie A, ebenso wie Russland aus der Premjer-Liga.

Noch weniger als Austro-Teamchef Franco Foda vertrauen übrigens nur die Trainer Finnlands und der Slowakei den jeweils nationalen Ligen. Sie bedienen sich bis auf eine Ausnahme ausschließlich bei Gastarbeitern.

Am bescheidensten bei der Zahl unterschiedlicher Klubs ist die Ukraine. Meister Dynamo Kiew stellt zehn Spieler, Vizemeister Schachtar Donezk sieben, damit sind schon rund zwei Drittel des Nationalteamkaders abgedeckt. Der Rest ist bei acht anderen Vereinen in vier Ländern beschäftigt.

Somit fischt die Ukraine in insgesamt fünf unterschiedlichen nationalen Ligen. Verglichen mit England, Schottland und Italien ist das viel, denn die begnügen sich mit jeweils nur in drei Ländern aktiven Spielern.

Euphemismus Internationalität

Über die umgekehrt größte internationale Durchmischung verfügen die Finnen; sie spielen bei 23 Vereinen in 16 Ländern. Ähnlich verstreut kicken die Nordmazedonier (24 Klubs in 14 Ländern) und die Slowaken (25 Klubs in 13 Ländern).

In diesem Zusammenhang ist "international" allerdings ein Euphemismus – tatsächlich kocht Europa sein eigenes Süppchen: Nur elf der 622 Spieler stehen hauptberuflich auf einem anderen Kontinent im Dienst, davon sechs in den Vereinigten Staaten, drei in China und jeweils einer in Japan und in Kanada.

Als ob ein rein englisches Champions-League-Finale noch nicht genug wäre, untermauert England auch bei dieser Statistik eindrucksvoll die Vormacht im Klubfußball. Mit 146 Spielern war in der abgelaufenen Saison fast jeder vierte Euro-Teilnehmer im Mutterland des Fußballs tätig.

An all diesen Zahlen, für die der Stand der eingangs genannten Deadline gilt, könnten sich noch Änderungen ergeben – denn die Uefa erlaubt es den Verbänden, Spieler vor dem jeweils ersten Match zu ersetzen, wenn sie sich verletzen oder ernsthaft erkranken. Und wie bei fast allem in dieser Zeit hat auch hier Corona die Finger im Spiel: Die Regelung gilt auch für K1-Kontaktpersonen. (Michael Matzenberger, 4.6.2021)