Verena Altenberger auf der Terrasse Neutor in ihrem Lieblingsoutfit des Shootings vom georgischen Designer George Keburia. Clara Nebeling hat die gebürtige Pongauerin hinter den Kulissen der Salzburger Festspiele fotografiert.

Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller

Sie streicht sich mit der Hand über den rasierten Kopf. Ein bisschen ungewohnt fühle sich das an, sagt Verena Altenberger. Erst seit kurzem trägt sie Glatze. Manchmal wolle sie noch immer nach einer Haarsträhne greifen. Die Schauspielerin ist am Morgen aus Wien angereist, vor wenigen Minuten wurden die Maße für das Kleid der Buhlschaft abgenommen.

Jetzt sitzt sie gutgelaunt in einer Garderobe des Großen Festspielhauses, vor ihr ein Kaffee mit Hafermilch im Becher, neben ihr eine vollbehängte Kleiderstange. Während der Stylist einem Kleid aus Georgien hinterhertelefoniert, wird schon einmal das Make-up aufgelegt, los geht es mit einem grünen Frotteekleid.

Kleid Bottega Veneta, Collier und Ohrringe Von Köck.
Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller

In der Garderobe in der Hofstallgasse 1 wird Verena Altenberger im Sommer häufiger sitzen. Die gebürtige Pongauerin, die in Salzburg zur Schule ging, ist die neue Buhlschaft ("ein Kindheitstraum!"), der Jedermann an ihrer Seite: Lars Eidinger, der ewige Hipster – man kennt einander schon aus David Schalkos M – Eine Stadt sucht einen Mörder. Mitte Juni beginnen an der Salzach die Proben für den Jedermann.

Bewusste Entscheidung

Die Haare hat die 33-Jährige allerdings weder für das Modeshooting noch für die Rolle der Buhlschaft gelassen. Im Film Unter der Haut der Stadt steht sie in Wien als krebskranke Protagonistin vor der Kamera. "Jo. Ich hab dann mal einen etwas radikaleren Schnitt gewagt", kommentiert Altenberger auf Instagram, als sie sich Anfang Mai das erste Mal mit Glatze zeigt.

Die Haare habe sie gerne geopfert, erklärt die Schauspielerin eine Woche später in Salzburg. Grund dafür sei ihre Mutter, die vor fünf Jahren an Brustkrebs gestorben ist. "Nach der ersten Chemo trug meine Mutter eine Glatze, hatte aber immer das Gefühl, sie müsse sie verstecken." Dass sich Altenberger auch jenseits des Debütfilms von Chris Raiber mit einem kurzgeschnittenen Buzzcut zeigt, ist eine sehr bewusste Entscheidung.

Kleid Marni, Pumps Jimmy Choo, Ohrringe Aeyde – im Orchesterproberaum Schüttkasten.
Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller

Ein Regiedebüt hat Altenberger auch zu ihrem Durchbruch verholfen. Vor drei Jahren wurde sie für ihre bewegende, ungeschönte Darstellung einer heroinsüchtigen Mutter in Die beste aller Welten von Adrian Goiginger mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet.

Wandlungsfähigkeit

Vorhersehbar war das nicht unbedingt: Im Max-Reinhardt-Seminar war sie mit 18 abgelehnt worden. Erst nach einem Publizistikabschluss absolvierte Altenberger ein Schauspielstudium, im Ensemble der Jungen Burg betrat sie die Bühne. Ihre Wandlungsfähigkeit hat die Schauspielerin in den vergangenen Jahren vor allem vor der Kamera bewiesen: In der RTL-Serie Magda macht das schon gab sie vier Jahre lang eine polnische Putzfrau, in Polizeiruf 110 eine Kommissarin.

"Ich wollte immer ‚das Oben und das Unten‘ verstehen. Mich haben Menschen, die in Villen leben, genauso interessiert wie Obdachlosigkeit", so die 33-Jährige. Schauspielerin wollte Altenberger schon als Kind werden, auch weil sie rauswollte aus dem beschaulichen Pongau. "Ich hatte eine Sehnsucht nach Lebendigkeit, nach Freiheit", erklärt sie.

"Schauspieler und Schauspielerinnen haben immer noch den Status eines Hofnarren, der anders sprechen, sich anders anziehen und sich anders benehmen darf. Es wird ihnen viel nachgesehen und Freiheit eher gegönnt."

Altenberger versteht sich als Feministin, ihre zunehmende Bekanntheit nutzt sie, um sich zu Wort zu melden: Auf Instagram, wo ihr über 35.000 Menschen folgen, oder aber in Interviews. Die MeToo-Bewegung mag etwas damit zu tun haben. Auch wenn die Debatte im deutschsprachigen Kulturbereich noch nicht angekommen sei, habe sie doch ihr Leben verändert, bekennt die Salzburgerin, die heute in Wien lebt.

Ein echtes Anliegen

Altenberger gehört mittlerweile zu jenen Schauspielerinnen, die sich über mangelnde Rollenangebote nicht beklagen können. "Ich weiß aber, dass ich eine Ausnahme bin", betont sie. Zahlen der Malisa-Stiftung und anderer Studien besagten, dass es "generell an Frauenrollen mangelt, dass weibliche Hauptrollen immer noch rund 50 Prozent weniger Text als ihre männlichen Kollegen haben und dass Frauen schlechter bezahlt werden". Man merkt, hier spricht eine, der das Thema ein echtes Anliegen ist.

Oberteil, Rock, Schuhe Prada, Ohrringe Nina Kastens – in der Maske der Darstellerinnen und Darsteller.
Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller

Für das Shooting steht Altenberger einen halben Tag lang vor der Kamera. Mit dem Durchhaltevermögen einer Set-erprobten Schauspielerin steigt sie von einem Designerkleid ins nächste, läuft vom Proberaum im Schüttkasten hinüber zur Presseterrasse der Festspiele.

Da oben lässt sie sich mit dem Handy in ihrem liebsten Shooting-Outfit (des georgischen Designers George Keburia, siehe Bild) vor der Bilderbuchkulisse Salzburgs fotografieren. Altenberger strahlt, an den Füßen trägt sie weiße Hotelpatschen. Den Schnappschuss veröffentlicht sie kurze Zeit später auf Instagram: Mehr als 1800 Likes und viel Zuspruch gibt es dafür.

Wie geht die Schauspielerin eigentlich mit dem ständigen Druck, gut auszusehen, um? Sie verstehe es als ihren Auftrag, Schönheitsideale infrage zu stellen, meint die 33-Jährige. "Gleichzeitig", schiebt Altenberger hinterher, sei sie ihnen verhaftet. "An kaum einem Tag in der Woche denke ich nicht über mein Gewicht nach, um mich dann über meine Befangenheit zu ärgern: ‚Why are you doing this?‘" Nahbarkeit ist übrigens noch so eine Stärke der Verena Altenberger. (Anne Feldkamp, RONDO exklusiv, 12.6.2021)

Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller

Blazer und Hose Chanel, Pumps Jimmy Choo – in der Portierloge Neutor des Festspielhauses.

Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller
Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller
Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller
Kleid J’ammeme
Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller
Mantelkleid Dries Van Noten, Body Wolford, Ohrringe Chanel, Pumps Jimmy Choo – auf dem Balkon des Schauspielbüros mit Blick auf die Stadt.
Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller
Kleid Chanel
Foto: Clara Nebeling Styling: Simon Winkelmüller

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