Es könnte so schön sein. Das hymnisch besungene "Land der Berge" bietet alles, was Mountainbiker lieben. Entspanntes Trailsurfen in den sanften Hügellandschaften Niederösterreichs, Biken mit Seeblick in Kärnten, sportliche Herausforderungen in den schroffen Bergen Tirols. Doch es gibt einen Schönheitsfehler aus Sicht der Pedalritter: Radfahren ist in Österreichs Wäldern, die fast die Hälfte des Staatsgebietes ausmachen, prinzipiell verboten. Das ist einzigartig in den Alpen, keines unserer Nachbarländer sperrt Radfahrer generell aus.

Gefährliche Vorbehalte: Das Vorzeigeprojekt Trailwerk Wachau muss nach einem Sabotageakt vorübergehend geschlossen bleiben.
Foto: Roland Haschka

Auch hierzulande wächst der Druck, dieses in den 1970er-Jahren erlassene Forstgesetz – damals war Mountainbiken noch kein Thema – zu ändern. Denn Radfahren und damit auch Mountainbiken liegen voll im Trend. Die Bike-Branche zählt zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Wer heuer die Anschaffung eines Neurades plant, muss sich oft auf Wartezeiten ähnlich wie bei begehrten Automarken einstellen.

Neue Bedürfnisse

Mit der stetig wachsenden Zahl an aktiven Mountainbikern steigt auch die Zahl gallischer Dörfer, die im verbotenen Bike-Paradies Österreich legale Lösungen zur Ausübung des Sports schaffen. Die untenstehende Österreich-Karte bietet einen unvollständigen Überblick dazu. Oft stehen kommerzielle touristische Interessen hinter den Projekten, aber es gibt auch idealistische Initiativen, die in tausenden Stunden freiwilliger Arbeit ihren Traum vom stressfreien, weil legalen Biken für sich und andere verwirklichen. Die Meinungen dazu gehen in der Bikeszene auseinander.

Die einen beharren auf der Forderung nach Freigabe aller Forststraßen und sehen solche Insellösungen als kontraproduktiv für das übergeordnete Ziel. Die anderen halten eben das für unrealistisch, weil die Allianz aus ÖVP, Forstwirtschaft, Grundeigentümern und Jagd dem niemals zustimmen würde. Und selbst wenn, der Mountainbikesport hat sich weiterentwickelt. Mit einer Freigabe der Forststraßen wäre das Problem nicht gelöst. Denn heute will die Mehrheit auf Trails ins Tal fahren und nicht Forstautobahnen hinunterrollen. Das zeigte jüngst auch eine großangelegte Umfrage zum Thema Mountainbiken des Österreichischen Alpenvereins.

Diesen geänderten Bedürfnissen tragen die förmlich aus dem Boden sprießenden Projekte Rechnung. Die Palette reicht von Pumptracks und Skillparks für Einsteiger bis hin zu Bikeparks und Trailcentern für versierte Radler. Die Vielfalt an Angeboten, die sich trotz allgemeinen Verbotes in Österreich entwickelt hat, ist erstaunlich. Die folgenden drei Beispiele verdeutlichen das.

Die idealistische Initiative

In der Wachau hat eine Gruppe von rund 120 begeisterten Mountainbikern in den vergangenen drei Jahren verwirklicht, was gelernten österreichischen Radlern unmöglich scheint: ein Netzwerk legaler Strecken inmitten eines beliebten Wandergebietes. Ohne kommerziellen Hintergrund, ohne touristische Nutzung, einfach nur von Bikern für Biker. Trailwerk Wachau ist entstanden, als das Stift Göttweig auf die lokale Mountainbike-Community zuging und ihr das Angebot machte, in Teilen des Stiftswaldes Trails anzulegen.

Hintergrund des Offerts war zunehmender Nutzungsdruck durch Erholungssuchende und Freizeitsportler in den Wäldern des Stiftes. Anstatt aber die Mountainbiker auszusperren, machte der Orden einen Schritt auf sie zu, wie Trailwerk-Obmann Martin Samek erzählt: "Sie traten an uns heran, um eine Lösung zu finden, statt den Berg zu sperren."

In mehr als 9000 Stunden freiwilliger Arbeit wurden bisher 25 Kilometer Mountainbike-Strecken gebaut. Liftunterstützung gibt es hier keine, dafür eine große Auswahl an 15 Trails in verschiedenen Schwierigkeitsstufen. Man hat bewusst auf Shared Trails, also gemeinsam mit Wanderern genutzte Strecken, verzichtet, um keine Konflikte zwischen den beiden Gruppen heraufzubeschwören.

Naturnahes Biken mit Seilbahnunterstützung. Trailgebiete wie am Reschenpass liegen voll im touristischen Trend. Sie sprechen die breite Masse von Mountainbikern an.
Foto: Erwin Haiden

Trotz der Bemühungen um ein gutes Auskommen hat das engagierte Projekt zuletzt einen empfindlichen Rückschlag einstecken müssen. Ein bislang unbekannter Täter spannte einen Draht in Achshöhe über eine der Strecken und zerstörte mehrere Wegweiser. Auch wenn der Sabotageakt glücklicherweise entdeckt wurde, bevor jemand in die Falle tappte und sich verletzt hat, musste der Verein alle Strecken vorübergehend schließen. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln, vereinsintern muss vor der Wiedereröffnung der Strecken die Haftungsfrage im Falle weiterer Anschläge geklärt werden. Das Beispiel zeigt, wie tief die Aversion gegen das Mountainbiken in Österreich bei manchen sitzt.

Der klassische Bikepark

Ähnlich wie das Trailwerk Wachau arbeiten in ganz Österreich lokale Initiativen an Lösungen für ihr unmittelbares Umfeld. In Innsbruck entstand auf ähnliche Weise der Arzler Alm Trail, wo jeden Monat tausende Fahrten verzeichnet werden. Im steirischen Knittelfeld haben örtliche Biker den Brandwaldsteig, einen knackigen Enduro-Trail, mit Erlaubnis des Bürgermeisters in den Gemeindewald gebaut.

Unter Touristikern gilt Mountainbiken als das Skifahren des Sommers. Daher setzen immer mehr Wintersportregionen auf das Thema Radfahren. So lässt sich die vorhandene Seilbahninfrastruktur auch im Sommer gewinnbringend nutzen. Bikeparks sind das Pendant zu Skigebieten. Die Strecken sind analog zu Skipisten farblich in Schwierigkeitsgrade unterteilt – blau, rot, schwarz. Bergauf nutzt man Gondeln, bergab die eigens dafür gebauten Trails. An den Talstationen gibt es in der Regel Verleihgeschäfte, und Bikeschulen bieten für Anfänger eigene Fahrtechnikkurse an. Selbst die Bars fürs Après-Bike dürfen nicht fehlen.

Einer der bekanntesten und ältesten Bikeparks des Landes befindet sich in Schladming. Wo im Winter die Slalomstars im Flutlicht wedeln, kurven im Sommer die Downhiller durch die Anlieger. Elf Strecken in verschiedenen Schwierigkeitsgraden werden geboten. Eine davon ist der legendäre Weltcup Downhill, den Stars der Szene als "best track ever" bezeichnen. In den Nullerjahren, als der Downhillsport noch eine exotische Nische war, fanden hier große internationale Rennen statt.

Im Vorjahr erhielt der Bikepark in Schladming eine Rundumerneuerung. Die ruppige Weltcupstrecke blieb als Zuckerl für Fans des Oldschool-Downhillens. Doch man geht auch auf der Planai mit der Zeit. So entstand für die junge Generation eine Jumpline mit 99 Sprüngen. Das ist das Bike-Pendant zum Funpark im Skigebiet. Für die breite Masse, die das abfahrtsorientierte Radeln neu für sich entdeckt, wurden Flowtrails gebaut. Das sind Einsteiger-Strecken, die meist kurvig und wellig an das Downhill-Gefühl heranführen sollen. Die Meinungen dazu gehen auseinander. Die einen lieben, die anderen hassen sie. Für Betreiber von Bikeparks sind sie wichtig, um eine größere Zielgruppe ansprechen zu können.

Naturerlebnis im Trailrevier

Die meisten Regionen, die Mountainbiken touristisch nutzen, setzen heute auf Trailnetzwerke, die mit Seilbahnunterstützung oder aus eigener Muskelkraft erreicht werden können. Das vielleicht schönste Beispiel dafür ist am Reschenpass in Nauders entstanden. Insgesamt 26 Trails verbinden das Dreiländereck Österreich, Italien und Schweiz. Fünf Bergbahnen stehen Radlern zur Verfügung, das Streckennetz ist gut ausgeschildert, und bei aufmerksamer Tourenwahl kann man hier trotz Tourismus die Einsamkeit des Hochgebirges genießen.

Im Bikepark Schladming kommen Downhillfans voll auf ihre Kosten. Die im Vorjahr neu eröffnete Jumpline ist allerdings Könnern vorbehalten.
Foto: Roland Haschka

Anders als in Bikeparks versucht man in solchen Trailgebieten die Strecken möglichst naturnah anzulegen. Bauliche Eingriffe passieren nur dort, wo sie nötig sind. Wobei der Entwicklung zum Breitensport auch hier in Form von anfängerfreundlichen Strecken Rechnung getragen wird. In Nauders entstand dafür im Vorjahr der Zirmtrail, der auf sechs Kilometer Länge Einsteigern Spaß am Mountainbiken vermitteln soll. Auch in Sölden und Saalbach setzt man auf ähnliche Konzepte der naturnahen Trails mit Liftunterstützung.

Die touristische Nutzung des Mountainbikens hilft mit, die Vorbehalte gegen den Sport abzubauen. Das zeigt das Beispiel Nauders. Denn auch hier waren anfangs viele skeptisch, als sich der Tourismusverband (TVB) dazu entschieden hat, zur Belebung der Sommersaison auf das Konzept "3-Länder-Enduro" zu setzen. Heute sind sämtliche Bedenken ausgeräumt, wie TVB-Obmann Manuel Baldauf erklärt: "Die Einheimischen hat das Bikefieber gepackt. Die Kinder sind schon so gut, viele fahren mittlerweile Wheelies durchs Dorf, und selbst unser Bürgermeister ist jetzt Biker." Für die Region sei es die richtige Entscheidung gewesen, auf Mountainbiken zu setzen, sagt Baldauf. Die Zielgruppe gehe immer mehr in die Breite, dem versuche man nun durch mehr Streckenangebot Rechnung zu tragen.

Egal ob die Initiative von ehrenamtlichen Vereinen oder kommerziellen Tourismusverbänden ausgeht, jede neue Strecke, die in Österreich für Mountainbiker entsteht, macht das geltende Pauschalverbot für die Ausübung dieses Sports in den Wäldern noch ein Stück weit absurder. Und so wird aus dem bisher verbotenen, vielleicht doch in absehbarer Zeit ein echtes Paradies. (Steffen Arora, 8.6.2021)