Den privaten Pkw-Verkehr will die Klimaschutzministerin einbremsen, zu hoch sind die dadurch verursachten CO2-Emissionen.

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Österreich muss im Klimaschutz mehr tun – das zeigen die Treibhausgasbilanzen der vergangenen Jahrzehnte. Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten schneidet die Republik hier besonders schlecht ab. Beim Klima finden Grüne und ÖVP nur schwer einen grünen Zweig. Laut Rechnungshof würde das Verfehlen der Klimaziele die Republik Milliarden kosten.

Die Grünen wollen möglichst rasch die Netto-Null erreichen und haben dafür einen durchaus ambitionierten Entwurf für das Klimaschutzgesetz vorgelegt. Die ÖVP hat bisher noch nicht breitenwirksam dazu Stellung genommen. Einzig der türkise Staatssekretär im Klimaschutzministerium ließ wissen, dass das Ziel – also Klimaneutralität bis 2040 – die Koalitionspartner eine, der Weg dorthin nicht, noch nicht.

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Kinder protestieren in England für mehr Klimaschutz. Im November findet in Schottland ein Klimagipfel statt.
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Innerhalb der ÖVP herrscht Uneinigkeit: Einige Vertreter der Landwirtschaft haben längst erkannt, dass die Klimakrise kostspielige Auswirkungen für ihr Geschäft mit sich bringt. Der Wirtschaftsflügel hat hingegen ein offenes Ohr für die Anliegen der Wirtschaftskammer – und die lehnt höhere Klimaziele aus Furcht vor einer Abwanderung der Industrie und dem Verlust von Arbeitsplätzen ab. Im Kampf gegen Plastikmüll fürchten Wirtschaftsvertreter Mehrkosten durch Pfandsysteme.

Die Ökosteuerreform soll eigentlich heuer beschlossen werden – inklusive CO2-Bepreisung. Eine Einigung, wie diese aussehen soll, ist dem Vernehmen nach noch fern. Es gibt weitere Knackpunkte: Die Grünen sprechen sich klar für Photovoltaik und Windenergie aus, die ÖVP will den Wasserstoff in Klimastrategien nicht missen. Diesen halten die Grünen für sinnvoll, aber nur in der Industrie und nicht auch – wie der Koalitionspartner – im Autoverkehr. Auch Dieselprivileg und Normverbrauchsabgabe sind Streitpunkte.



VERKEHR – Stau auf dem Weg zur Verkehrswende

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Eine AUA-Maschine und im Hintergrund Windräder. Flugverkehr verursacht massiv klimaschädliche Emissionen. Umstritten ist, ob Eindämmungen der Luftfahrt für das Klima notwendig sind oder ob klimafreundliches Fliegen die Lösung ist.
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Es ist wieder ruhig geworden im Streit zwischen der Wirtschaftskammer (WKO) und den Grünen. Andere Themen wie Öffnung, Auslaufen der Corona-Hilfen und Anspringen der Konjunktur haben sich kurzfristig vor Streitthemen wie 1-2-3-Ticket, Ausstieg aus dem Verbrenner, Dieselprivileg oder andere potenzielle Explosionsherde geschoben. Ausradiert sind die Konfliktlinien nicht. Ganz im Gegenteil, die Taktzahl hat sich erhöht.

Mehrere Termine stehen unmittelbar an. Beim EU-Verkehrsminister-Rat am 3. Juni steht etwa auf Initiative von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) das heikle Thema Verbrennerverbot auf dem Tagesprogramm. Die grünen Pläne in der Verkehrspolitik stoßen auf Widerstand. Vor allem die Abschaffung der Befreiung von der Normverbrauchsabgabe (Nova) für Klein-Lkws und Pick-ups stieß Kammervertretern – unter wortreicher Unterstützung von Industrie, Autolobbys und Fahrzeughandel – sauer auf.

Im April rückte Kammerchef Harald Mahrer höchstselbst aus, um seiner Sorge Ausdruck zu verleihen, dass die Unternehmer ihre Vorziehkäufe nicht rechtzeitig vor dem Auslaufen der NoVA-Befreiung Anfang Juli erledigen könnten. Er verlangte eine Verschiebung auf Frühjahr 2022.Die Grünen argumentierten die Nova-Erhöhung damit, dass schwere Stadtgeländewägen (SUVs) und Pick-ups für den Privatgebrauch steuerschonend als Firmenwagen angemeldet wurden. Hauptbetroffen von der Erhöhung ab Juli ist freilich das Gewerbe, denn empfindlich teurer werden Klein-Lkws (N1-Nutzfahrzeuge) und Transporter, Ersatz an Elektroautos ist nicht verfügbar.

Offensive gegen Verbote

Keine drei Wochen ist es her, dass Branchenvertreter ausrückten, um sich gegen ein "Schlechtreden des Autos" zu verwehren. Es war eine Antwort auf jene Aufforderung Gewesslers – gemeinsam mit acht anderen Ländern – an die EU-Kommission im März, das Ende des Verbrenners zu terminisieren. Die Fahrzeugindustrie ist seit Wochen hoch alarmiert und hat sich in dieser Sache am Dienstag einen Termin bei Kanzler Kurz organisiert.

Man wolle nicht als "Ökosünder" abgestempelt werden, klagte IV-Chef Georg Knill. Die Ökologisierung müsse technologieoffen vonstattengehen. Vom Ende des Verbrenners hält die Industrie wenig bis nichts, an der üppig geförderten E-Mobilitätsoffensive der grünen Ministerin Leonore Gewessler findet man einige Schwachpunkte – Stichwort unzureichende Ladeinfrastruktur und Batteriefabriken, die erst gebaut werden. In einem offenen Brief mahnen Branchenvertreter, dass Verbrenner, die mit nachhaltig erzeugten biogenen Kraftstoffen oder E-Fuels betrieben würden, CO2-neutral wie ein Elektromotor seien.

Flugverkehr

In eine ähnliche Richtung gingen die Aussagen von Magnus Brunner. Der türkise Staatssekretär im Klimaschutzministerium sagte zu den grünen Plänen zur Eindämmung des Flugverkehrs, man müsse "mehr Hirnschmalz in die Entwicklung alternativer Treibstoffe stecken".

Bereits vor der grünen Regierungsbeteiligung war das Steuerprivileg vom Diesel gegenüber dem Benziner umstritten. Gewessler will das Thema mit der ökosozialen Steuerreform angehen. Dieser große Brocken enthält ohnehin jede Menge heiße Eisen. Dazwischen soll sich noch das 1-2-3-Ticket ausgehen, das zumindest auf Bundesebene in Ansätzen ausverhandelt wird, aber voraussichtlich eine halbe Milliarde Euro kosten dürfte.



ABFALLWIRTSCHAFT – Umstrittene Mittel gegen die Plastikflut

Plastikmüll soll reduziert werden. Es fragt sich nur, wie.
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Ein klimapolitischer Zankapfel ist die Abfallwirtschaft. Einig ist man sich, dass unnötige Abfälle zu vermeiden sind und die Wärmeverwertung von Abfall – vulgo Verbrennung – vorzuziehen ist, wenn Recycling auch möglich ist. Strittig ist die Frage, wie sich Abfälle am besten vermeiden lassen. Dass Grüne und Türkise unterschiedliche Ansichten vertreten, zeigte sich kürzlich bei der Debatte über das Abfallwirtschaftsgesetz (derzeit in Begutachtung). Ab 2021 müssen 60 Prozent der Bier- und Biermischgetränkeflaschen sowie 20 Prozent der Mineralwasserflaschen wiederbefüllbar sein.

Handel und Abfallwirtschaft hatten sich heftig gegen die Mehrwegquote gewehrt: Die einen beklagen einen Umstellungsaufwand bei der Logistik und beim Transport, die anderen zweifeln daran, dass die Quote tatsächlich helfen wird, die Recyclingziele der EU zu erreichen. Auch einzelne Verpackungshersteller meldeten Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Vorhabens an. Dass Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) von ihr abrückt, davon ist nicht auszugehen. Von einem verpflichtenden Dosen- und Plastikpfand ist zumindest derzeit nicht mehr die Rede. Die Ministerin hatte sich dafür starkgemacht. Wie immer beim grünen Umbau ganzer Sektoren geht es auch in der Abfallwirtschaft um die Frage, wer letztlich welche Kosten tragen soll. Und darum, mit welchen Mitteln – Ver- oder Gebote oder alles freiwillig – die Ziele erreicht werden sollen.

Pfandsystem funktioniert

Dass etwa ein Pfandsystem Müllvermeidung beflügeln kann, zeigt ein Blick in Länder wie Norwegen oder Deutschland, wo ein Pfandsystem etabliert ist – und die Sammelquoten jenseits der 95 Prozent liegen. Ob die Mehrwegquote auch taugt, um die Ziele zu erreichen, wird sich weisen. Es liegt an den Konsumenten, Mehrwegprodukte zu kaufen – und nicht in den Restmüll zu werfen.

Vertreter der Wirtschaftskammer sprechen sich vehement gegen beides aus. In einer Studie zur Wiener Kreislaufwirtschaft kritisiert die Wiener Kammer, dass die Vorhaben der Klimaschutzministerin mit Plastikflaschen nur einen kleinen Teil der Plastikverpackungen in den Fokus rücken würden. Die Gefahr sei, dass beim Müllsammeln künftig zweigleisig gefahren werde und zwei separate Sammelsysteme entstehen. Eines für Plastik-, Aluminium- und Glasflaschen und eines für andere Kunststoffverpackungen.

Das sei ineffizient, argumentiert die Kammer. Vor allem deshalb, weil etwa eine Steigerung der Sammelquote bei PET-Flaschen auf 90 Prozent – laut einer EU-Richtlinie muss dieser Wert bis 2029 erreicht werden – bloß 8.000 Tonnen netto an Kunststoff für die Kreislaufwirtschaft bringe. Laut den europäischen Recyclingzielen muss Österreich bis 2030 aber pro Jahr zusätzlich 90.000 Tonnen Kunststoff der Kreislaufwirtschaft zuführen. Derzeit werden vom Inlandsaufkommen von jährlich 300.000 Tonnen an Kunststoffverpackungen rund 75.000 Tonnen recycelt. (Regina Bruckner, Nora Laufer, Aloysius Widmann, 1.6.2021)