Durchlebt eine komplizierte Karrierephase: Dominic Thiem.

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Shit happens. Vor allem im Tenniszirkus, dort kann alles ganz schnell gehen. Man möge sich an die US Open 2019 erinnern. Damals verlor Dominic Thiem in der ersten Runde gegen Thomas Fabbiano. "Will er aufhören? Sein Spiel hat gezeigt, dass er nicht mehr will", schrieb einer der fachkundigen User anschließend im STANDARD. Nun, ein Jahr später hob der Österreicher nach einem Finalerfolg gegen Alexander Zverev am selben Ort die Trophäe in den Abendhimmel.

Das heißt jetzt nicht unbedingt, dass Thiem 2022 die French Open gewinnen wird. Das heißt aber sehr wohl, dass Schwächephasen Teil des Spiels sind – wenn man nicht gerade Rafael Nadal, Novak Djokovic oder Roger Federer heißt. Also stellt der 27-jährige Niederösterreicher nach seinem Erstrunden-Aus in Paris gegen den Spanier Pablo Andújar auch nicht alles infrage, was bis vor einigen Monaten noch tadellos funktioniert hat: "Ich habe definitiv nicht vor, irgendwas Großartiges zu ändern." Thiem vertraut seiner Entourage, er spricht lieber über Aufschläge, Beinarbeit und Matchpraxis: "Ich muss das Ruder selbst herumreißen."

Die Tennisszene rätselt jedenfalls ob der Formkurve des Weltranglistenvierten. Thiem ist fit, bei Trainingspartnern hinterlässt er einen guten Eindruck. Im Match aber geht es ihm nicht mehr so locker von der Hand. Das führt wiederum zu Spekulationen. Ob er Probleme mit der Motivation habe, wird Thiem im Rahmen der Pressekonferenz gefragt. Er verneint.

Premiere in Paris

In der ersten Runde von Roland Garros hatte Thiem bisher noch nie verloren – und trotzdem kam die Niederlage gegen Andújar nicht aus heiterem Himmel. Die Ergebnisse 2021 zeigen nun mal einen Abwärtstrend. Im Rennen um eine Teilnahme an den ATP Finals stand Thiem bereits vor den French Open nur auf Rang 18. Die Gegner haben den Respekt abgelegt, sie wissen, dass der zweimalige Paris-Finalist auch auf Sand wackelt.

Aber warum? Es kommt immer wieder vor, dass Spieler nach einem großen Titel in ein kleines Loch fallen. Der US-Amerikaner Pete Sampras gewann 1990 die US Open – und hinkte anschließend den Erwartungen zwei Jahre hinterher. Als der Schwede Mats Wilander 1988 die Spitze der Weltrangliste erklomm, gewann er hernach kaum eine Partie. Auch darauf wird Thiem angesprochen.

Geht es ihm ähnlich? Ist die Spannung nach der triumphalen Vorsaison abgefallen? Und kann er wie andere Größen des Sports mit voller Durchschlagskraft zurückkehren? "Das ist mein Ziel. Ich bin sicher, dass Sampras und Wilander nicht die Einzigen waren, denen es so ergangen ist. Es ist toll, ein so großes Ziel zu erreichen – aber zur gleichen Zeit verändert sich etwas. Ich hoffe, dass ich stärker zurückkommen kann. Derzeit weiß ich nicht, wann es so weit ist."

Wechsel auf Rasen

Die nun anstehende Rasensaison bietet sich zur Trendwende nicht unbedingt an. 2018 und 2019 verlor Thiem in Wimbledon jeweils in der ersten Runde. 2020 wurde der Klassiker im All England Club aufgrund der Pandemie abgesagt. Thiem hat seit drei Jahren keine Partie auf Rasen gewonnen. Kinder, wie die Zeit vergeht!

Dabei ist fast in Vergessenheit geraten, dass Thiem auch auf Gras seine Qualitäten hat. 2016 gewann er in Stuttgart als bis dato einziger Österreicher einen ATP-Titel auf Rasen. An Pokale ist derzeit nicht zu denken: "Ich muss erst mal analysieren, was falsch läuft. Es hapert." (Philip Bauer, 31.5.2021)