Der berühmte Labtruck, der Tirols Entscheidungsträger überzeugt hat.

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Die Verbindungen hinter der HG-Labtruck-Auftragsvergabe.

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Innsbruck – Wieso hat das Land Tirol den größten Auftrag für PCR-Testungen ohne Ausschreibung an ein Unternehmen vergeben, das mutmaßlich nicht die fachlichen Voraussetzungen dafür erfüllt? Und wo sind die rund zwölf Millionen Euro, die das Land bisher dafür bezahlt hat, abgeblieben? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, haben DER STANDARD und ORF Tirol eine Recherchekooperation gegründet.

Zu den Vorwürfen, die derzeit im Raum stehen: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft prüft, ob der Anfangsverdacht des schweren Betrugs gegen die Firma HG Labtruck begründet ist, die seit September 2020 mehr als die Hälfte aller Tiroler PCR-Tests durchgeführt und ausgewertet hat. Der Landes- und Bundesrechnungshof nehmen zudem die Auftragsvergabe des Landes an die Firma unter die Lupe, die ohne Ausschreibung erfolgt ist und im Frühjahr 2021 ohne Ausschreibung verlängert wurde. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Der umstrittene Urologe

Die Causa Labtruck dreht sich um drei Protagonisten. Geschäftsführer ist Ralf Herwig, gebürtiger Deutscher und Urologe mit langer, zweifelhafter Biografie als Arzt. Aktuell hat er keine Zulassung als solcher, weil er sich in Wien wegen schwerer Körperverletzung und Betruges vor Gericht verantworten muss. Mehrere Patienten sollen sich nach unsachgemäßer Behandlung das Leben genommen haben. Es gilt auch hier die Unschuldsvermutung.

Beim Land heißt es, Herwig sei dort gänzlich unbekannt gewesen, als die HG Labtruck im September 2020 mit ihrem Angebot an das Land herantrat. Das verwundert: Herwig war von 2001 bis 2005 an der Med-Uni Innsbruck tätig. 2003 gab es Probleme im Bezirkskrankenhaus Kitzbühel, wo Herwig als Konsiliararzt die nicht zugelassene Substanz Ketoglutarat in Infusionsform an medizinisch austherapierten Karzinompatienten anwandte. Im Jahr 2009 versuchte Herwigs Frau das Kitzbüheler Spital wegen eines angeblichen Kunstfehlers zu klagen, allerdings wurde diese Klage abgewiesen.

In der High Society bestens vernetzt

Seit 2016 ist Herwig, der im Bezirk Kitzbühel lebt, als medizinischer Experte für "Zellenergie" im High-Society-Treff Kitzbühel Country Club (KCC) aktiv, der dem Stanglwirt-Sohn und Adlerrunde-Mitglied Richard Hauser gehört. In Kitzbühels besserer Gesellschaft ist der Urologe bestens familiär vernetzt. Denn seine Schwager sind Hanspeter und Thomas Rass, beide in der Eventbranche in der Gamsstadt tätig. Hanspeter Rass war es, der im September 2020 mit seiner Frau beim Land Tirol vorstellig wurde und das mobile Testkonzept der HG Labtruck anbot.

Der futuristische Lkw, der als mobiles Testlabor verkauft wurde, dürfte auf Rass' Tätigkeit bei der "Hermes Meisterschalen Tour 2013" zurückgehen. Damals tourte die Bundesliga-Trophäe in einem solchen Truck durch Deutschland. Nun wurde der Lkw als rollendes Labor, das 4.000 Tests täglich auswerten könne, angepriesen. Herwig selbst sagte mittlerweile der Tageszeitung "Kurier", der Truck sei "nur ein Werbegag" gewesen. Offenbar wurden die PCR-Tests an fixen Laborstandorten analysiert.

Noch immer keine Spur zum Labormediziner

Unklar ist bisher, wer der befundende Labormediziner war. Herwig als Urologe, derzeit ohne Zulassung, darf das nicht. Der von HG Labtruck gegenüber Tirol als Labormediziner genannte Armin Schwarzbach aus Augsburg dementiert, je einen Test aus Tirol befundet zu haben. Mittlerweile befundet die Virologin Dorothee von Laer die Tests der HG Labtruck im Auftrag des Landes, nachdem die Causa in den Medien hochgekocht ist.

Fragen wirft zudem auf, dass jene beiden Unternehmen, die HG Labtruck gegenüber Tirol als seine Partner für die mobilen Testgerätschaften sowie die IT angab – also jene Punkte, die laut dem Land den Zuschlag begründet haben –, die Zusammenarbeit wegen nicht beglichener Rechnungen beendet haben und klagen wollen.

Die Kitzbühel-Connection

Neben dem Land Tirol ist auch die Stadt Kitzbühel mit HG Labtruck in einem Vertragsverhältnis, das noch bis November 2021 läuft. Das Unternehmen betreibt eine Teststraße im Ort und ein Labor im ehemaligen Spital. Bürgermeister Klaus Winkler (ÖVP) erklärt, dass Thomas Rass als Initiator des Projekts die Gespräche mit der Stadt geführt habe. Er habe ihm vertraut, so der Bürgermeister.

Auf Anfrage des STANDARD dementieren aber sowohl Thomas Rass als auch die HG Pharma, das Unternehmen hinter der HG Labtruck, dass Thomas Rass je für sie tätig gewesen sei. Auch Hanspeter Rass habe lediglich als "externer Zuarbeiter bis Anfang Dezember 2020 kleinere, administrative Arbeiten getätigt". Dem widersprechen Angaben des Roten Kreuzes, wonach in der Screeningstraße Kitzbühel Thomas Rass ihr Ansprechpartner bei der HG Labtruck sei. Und ein vorliegender Aushang nennt die Brüder Rass mitsamt Mobilnummern als Kontakte der HG Labtruck für "Materialbestellungen".

Hanspeter Rass bestätigte, als Vermittler gegenüber dem Land Tirol aufgetreten zu sein. Er stimmte anfangs einem Interview zu, verschob es dann und ist seitdem nicht mehr erreichbar. In einem Online-Karriereportal gibt er als Beruf "Management HG Pharma" an. Die HG Labtruck hat ihren Firmensitz an der Adresse, an der auch die insolvente Agentur KB1 von Hanspeter Rass gemeldet war.

Der erfolglose Eventmanager

Überhaupt scheint Hanspeter Rass kein Händchen fürs Geschäft zu haben. Der Kreditschutzverband von 1870 gibt über ihn die Auskunft: "In Zusammenhang mit dem Ehepaar Rass sind drei gelöschte Gesellschaften sowie zwei Insolvenzverfahren vermerkt. Insgesamt sind aus den beiden Insolvenzverfahren rund 1,2 Millionen Euro an Verbindlichkeiten offen. Bislang kam es zu keiner Entschuldung." Insgesamt, so der KSV, gab es im Fall Rass offene Fragen, die vor dem Insolvenzgericht nicht geklärt werden konnten. Die Sachlage lege den Schluss nahe, dass "mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse mit ein Grund für die Insolvenzen" sein könnten.

Hanspeter Rass war als Unternehmer auch in Innsbruck aktiv, etwa im Zuge der Fußball-EM 2008. Sicherheitsbeauftragter der Stadt war damals Elmar Rizzoli, der heute den Corona-Einsatzstab des Landes leitet. Ein damals Involvierter behauptet, Rass und Rizzoli würden sich seit damals kennen. Hätte man beim Land daher nicht hellhörig werden und um seine Vergangenheit wissen sollen? Nein, heißt es dort unter Verweis auf ein Hintergrundgespräch, in dem das verneint wurde.

Offiziell beharrt man seitens des Landes Tirol auf der Darstellung, dass mit der HG Labtruck "eine Tiroler Lösung" für PCR-Tests gefunden worden sei, als Not am Mann war. Auch wenn die Firma bei Vertragsabschluss erst in Gründung war. Man habe damals weder die Firma noch deren Geschäftsführer Ralf Herwig gekannt und allein "aus fachlichen Gesichtspunkten" entschieden. (Steffen Arora, 1.6.2021)