"Krone bunt": Gesellschafterstreit um Österreichs größte Tageszeitung nun auch vor Berliner Kammergericht.

Foto: Krone bunt/fid

Um den Ausschluss der Eigentümerfamilie Dichand aus der "Krone" sollte es Dienstagnachmittag am Wiener Handelsgericht gehen, und um die Abberufung Christoph Dichands als Herausgeber und Chefredakteur von Österreichs weitaus größter und einflussreichster Tageszeitung. Doch die nächste Runde im jahrzehntelangen Streit der "Krone"-Gesellschafter um das Sagen und das Geld wurde abgesagt, das Verfahren ruhend gestellt, beide Streitparteien haben zugestimmt.

Zeichnet sich da womöglich eine Einigung im "Krone"-Streit zwischen der deutschen Funke-Mediengruppe und Immobilienmilliardär René Benko und auf der anderen, gegenüberliegenden Seite der Gründerfamilie Dichand ab? Beide Seiten halten 50 Prozent an der "Krone". Der Anfangsverdacht auf Frieden lässt sich, vorerst jedenfalls, nicht erhärten.

Berlin, Berlin

Das Verfahren vor dem Wiener Handelsgericht, angestrengt von der Funke-Gruppe, wurde nach STANDARD-Infos ruhend gestellt, bis ein parallel vor dem Berliner Kammergericht geführtes entschieden ist. Dort geht es um ähnliche Grundfragen des "Krone"-Konflikts: Sind für Streit der Gesellschafter Schiedsgerichte nach Schweizer Recht vorgesehen, wie es die Verträge zwischen Funke/Benko und Dichands vorsehen, und zwar auch für die Kündigung dieser Verträge?

Die Funke-Mediengruppe versucht diese Rahmenvereinbarungen mit den Dichands schon seit Jahren zu kündigen. Sie garantieren der Gründerfamilie Vorrechte – etwa unabhängig vom Geschäftsgang der "Krone" einen hohen einstelligen Millionenbetrag als Gewinn, für den nötigenfalls die Mitgesellschafter aufkommen müssen. Mehrere Schiedsgerichte, zuletzt im Frühjahr 2020, sahen eine solche Kündigung nur dann möglich, wenn damit auch die "Krone"-Gesellschaftsverträge gekündigt werden. Wer das tut, muss seine Anteile zum für den Käufer sehr günstigen Buchwert den Mitgesellschaftern überlassen.

Lieber ordentlich

Die Funke-Gruppe will nun – nach Bekunden ihrer Anwälte bei früheren Verhandlungen vor dem Handelsgericht – keine Schiedsgerichte mehr anrufen, sondern ordentliche Gerichte entscheiden lassen. Ob das möglich ist, darum ging es zuletzt am Handelsgericht. In einer Verhandlung im August 2020 am Handelsgericht Wien ließ Richterin Kerstin Just recht deutlich erkennen, dass sie nach den Rahmenvereinbarungen der "Krone"-Eigentümer Schiedsgerichte zuständig sieht. Sie kündigte eine schriftliche Ausfertigung des Urteils an – wenn sich ihr dabei nicht doch noch wesentliche, im Verfahren zu klärende Fragen stellen.

Kontakte und Kontrakte

Nun sollte in der für Dienstag anberaumten Verhandlung am Handelsgericht doch noch der Geschäftsführer der Funke-Beteiligungsgesellschaft für die Anteile an "Krone" und "Kurier" (49,44 Prozent) befragt werden. Da sollte es einerseits um den Vorwurf der Funke-Gruppe gehen, die Anwältin der Dichands habe im jüngsten Schiedsverfahren ausführlich Kontakt mit einem Schiedsrichter gehabt. Der Schiedsrichter zog sich daraufhin aus dem Verfahren zurück, ein Ersatzmitglied entschied den Schiedsspruch mit, das Schweizer Höchstgericht wies eine Beschwerde der Funke-Gruppe dagegen ab.

Selbstanzeige der Funke-Gruppe

Thema der für Dienstag geplanten, aber abgesagten Verhandlung zudem: Haben die Funke-Vertreter 2003 rechtlich korrekt die Schiedsvereinbarung mit den Dichands unterzeichnet? Nach deutschem Recht – Paragraf 181 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs über Mehrfachvertretung – war das eher nicht der Fall; nach österreichischem eher ja, so erklärten das jedenfalls sachkundige Juristen dem STANDARD. Diese – unjuristisch formuliert – Selbstanzeige dürfte ein Versuch sein, die alte Schiedsvereinbarung loszuwerden.

Parallelaktion in Berlin

Im November 2020 stellte die Funke-Gruppe parallel einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens, erklärt eine Sprecherin des deutschen Gerichts auf STANDARD-Anfrage. Am Wiener Handelsgericht lief das Verfahren da längst, im August 2020 wurde darüber in Wien verhandelt.

Am Verfahren in Berlin unter dem Aktenzeichen 12 Sch 1017/20 sind laut Gericht die NKZ Austria Beteiligungs GmbH sowie Helga, Michael und Johanna Dichand beteiligt, die Witwe von Gründer Hans Dichand sowie seine älteren Kinder Michael und Johanna, die zusammen mit Herausgeber Christoph Dichand zu gleichen Teilen insgesamt 50 Prozent an der "Krone" halten.

Bisher gebe es keinen Termin für eine mündliche Verhandlung, ein Zeitpunkt für eine Entscheidung sei "nicht sicher absehbar", hieß es auf Anfrage in Berlin.

Neue Kündigung, neues Schiedsverfahren

Die Funke-Gruppe hat die Rahmenvereinbarungen inzwischen längst neuerlich gekündigt. Die Dichands haben das nächste Schiedsverfahren begonnen – gegen die Blockade der Gewinnausschüttung für 2018/19 durch die Mitgesellschafter. Die "Krone" widmet sich hingebungsvoll der Kritik an René Benkos Abriss und Neubau des Leiner-Gebäudes an der Wiener Mariahilfer Straße. (fid, 1.6.2021)