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Streng bewacht fand im Jänner die Wahl in Uganda statt. Der Wahlkampf war geprägt von exzessiver Gewalt gegen Oppositionelle.

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Medial inszeniertes Match: Unterstützer des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni ...

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... versus Bobi Wine und seine Anhängerschaft (hier beim Begräbnis seines ermordeten Fahrers Elijah Mukiibi).

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Präsident Museveni bei der Stimmabgabe.

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Wahlkampf-Schutzmasken.

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Er verstecke sich, flüstert ein ugandischer Oppositioneller ins Telefon. Aus Sicherheitsgründen will er seinen Namen nicht veröffentlicht wissen. Der Grund: Seit den jüngsten Wahlen in Uganda im Jänner würden er und seine Mitstreiter verfolgt und verhaftet: "Sie entführen uns aus unseren Häusern", berichtet er.

Deswegen sei er umgezogen. "Sie lesen in unseren Chatgruppen mit", weiß er. Deswegen habe er sein Smartphone ausgeschaltet. Beim jüngsten Verhaftungsversuch sei er gerade so davongekommen, berichtet er: "Bei uns geht die Angst um."

Ugandas Regierung ist unter Druck. Die im vergangenen Jahr gegründete Oppositionsbewegung NUP (Nationale Einheitsplattform) unter ihrem Anführer Robert Kyagulanyi, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Bobi Wine, gewann im Jänner rund 35 Prozent der Stimmen in dem kleinen ostafrikanischen Land. Die Regierungspartei NRM (Nationale Widerstandsbewegung) des amtierenden Präsidenten Yoweri Museveni holte rund 58 Prozent. Dies war das schlechteste Ergebnis in den 36 Jahren an der Macht. Für den mittlerweile 76-jährigen Staatschef quasi eine Majestätsbeleidigung.

Seither bemüht sich Ugandas Sicherheitsapparat, die Oppositionsbewegung des berühmten Musikers Bobi Wine zu zerschlagen. Über 450 seiner Anhänger und Anhängerinnen seien "entführt" worden, klagt Wine.

Bei seinen Wahlkampfveranstaltungen seien zudem 54 seiner Leute erschossen worden, darunter Jugendliche. Wine bezeichnet Ugandas Regime daher als "Diktatur", die willkürlich Menschen "entführt und foltert". Präsident Museveni hingegen beschimpfte in seiner jüngsten TV-Ansprache die jungen Oppositionellen als "Terroristen". Er gibt offen zu, dass seine Spezialeinheiten die Menschen in Gewahrsam genommen hätten – um die Bevölkerung vor ihnen zu schützen. Mit erhobenem Zeigefinger mahnt er wie ein Großvater Ugandas Jugend davor, sich von diesen "Terroristen" verführen zu lassen.

Beliebter "Ghetto-Präsident"

Die jüngste Wahlrunde in Uganda wirkt auf den ersten Blick wie ein Generationenkonflikt: Der 38-jährige Musikstar Bobi Wine sitzt seit 2017 als jüngster Abgeordneter im Parlament. Unter dem Motto "people power" (Volksmacht) hat er in den vergangenen Jahren eine gleichnamige Bewegung gegründet, die im Vorfeld der Wahlen dann in der bereits registrierten Partei NUP aufgegangen ist.

Wine hat dabei zwar ein politisches Programm vorgelegt, doch dieses fokussiert sich auf die Versprechen, Millionen von Arbeitsplätzen für junge Erwachsene zu schaffen sowie die Gehälter für Lehrer und Lehrerinnen und Soldaten zu erhöhen. Im Wesentlichen reduzieren sich seine Forderungen darauf, das "korrupte" Regime von Museveni loszuwerden. Im Interview gibt er offen zu, von Wirtschaft und Finanzpolitik keine Ahnung zu haben.

Viel lieber mischt er durch Krawalle im Parlament und Massenaufläufen im Stadtzentrum die Politik gewaltig auf. Denn Wine braucht keine politische Bühne, um seine Botschaften zu verbreiten. Er ist bekannt für seine kritischen Songtexte sowie die schrägen roten Outfits und roten Mützen, ein Markenzeichen seiner Bewegung. Mit seinen Songtexten vermittelt er seine politischen Botschaften: "Wenn Lehrer zu Peinigern werden, wenn Meinungsfreiheit zum Ziel der Unterdrückung wird – dann wird die Opposition unser Standpunkt", heißt es in seinem Wahlkampfsong "Situka", übersetzt: "Lehnt euch auf!"

Seine eingängigen Afro-Beats laufen landesweit in Radios, Bars und den zahlreichen Nachtklubs. Auch außerhalb der Hauptstadt Kampala füllte er mit seinen Konzerten die Fußballstadien.

Konzerte verboten

Doch seit der Musiker 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl angekündigt hat, sind alle seine Konzerte verboten. Seitdem verlagert er seine Kommunikationsstrategie mehr und mehr ins Internet und in die sozialen Medien. Auch dies versucht der Geheimdienst zu verhindern. Als er Mitte März eine Ansprache via Facebook halten wollte, wurde ihm der Internetanschluss blockiert. Als er kurz darauf ins Stadtzentrum fuhr, um seine Rede öffentlich zu halten, wurde er von Polizisten eingefangen und nach Hause gefahren. Politik in Uganda ist ein Katz-und-Maus-Spiel.

Wines Popularität haben die repressiven Methoden nicht geschadet, im Gegenteil. Je rigoroser das Regime mit ihm umgeht, desto mehr Menschen in Uganda solidarisieren sich mit ihm – nicht nur musikalisch, sondern auch politisch.

Seine Fans sind vor allem arbeitslose junge Männer, die durch Wines Texte politisiert wurden. Drei Viertel der 43 Millionen Ugander sind unter 35 Jahre alt und haben in ihrem Leben noch nie einen anderen Präsidenten als den amtierenden Museveni erlebt. Sie geben dem Regime die Schuld für die enorme Jugendarbeitslosigkeit und kritisieren Museveni dafür, dass er trotz seines Alters nicht zurücktritt. "Ghetto-Präsident", nennen sie Wine, weil er wie sie in armen Verhältnissen aufgewachsen ist.

Deftig dichtende Feministin

Die gebildete Mittelklasse sowie Ugandas junge Frauen lassen sich weniger von Wine mobilisieren, sondern eher von Stella Nyanzi. Die 46-jährige ehemalige Universitätsdozentin ist in dem eher konservativen Uganda bekannt für ihre unzüchtigen Gedichte auf Social Media.

Bis vor kurzem saß sie im Gefängnis. 16 Monate lang, weil sie dem Staatschef zu seinem Geburtstag via Facebook ausrichten ließ, sie wünschte, "der saure Eiter in der Vagina" seiner Mutter hätte "ihren ungeborenen Fötus verbrannt". Es war nicht das erste Mal, dass sich die mittlerweile suspendierte Lektorin für medizinische Anthropologie mit dem Langzeitherrscher anlegte. Seit Jahren kämpft sie für Menschenrechte, darunter vor allem für die Rechte von Frauen und LGBTIQ.

Im Streit um kostenlose Monatsbinden für Mädchen bezeichnete sie Museveni sowie dessen Frau und gleichzeitige Bildungsministerin Janet Museveni 2017 als "ein Paar Arschbacken". Nyanzi hat sich damit die Strategien der "radical rudeness" zu Eigen gemacht, übersetzt "radikale Unhöflichkeit", die ugandische Freiheitskämpfer unter der britischen Kolonialherrschaft entwickelt haben.

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Stella Nyanzi wird festgenommen.
Foto: REUTERS/Abubaker Lubowa

Für ihr Fluchen wurde sie direkt darauf verhaftet und saß mehrere Wochen lang im Luzira-Hochsicherheitsgefängnis für Frauen im Südosten von Kampala. Offiziell wurde sie vom Gericht damals wegen "Cyberbelästigung" und "Beleidigung des Präsidenten" angeklagt. Die Richter ordneten zuerst ein psychiatrisches Gutachten an, ließen sie später auf Kaution frei. Sie floh nach den Wahlen ins Nachbarland Kenia und beantragte dort Asyl, da sie politisch verfolgt werde. Seitdem postet sie täglich politische Gedichte und solidarisiert sich zunehmend mit Wine.

Sorge ums Vermächtnis

Präsident Museveni nimmt die Kritik persönlich. Für ihn geht es derzeit nicht nur um den Machterhalt, sondern auch darum, wie er in die Geschichtsbücher eingehen wird. Der mittlerweile 76-Jährige hat vor 35 Jahren das Land gewaltsam erobert und die vorherigen Diktaturen gestürzt. Er porträtiert sich bis heute als Befreiungskämpfer, der dem Land Sicherheit und Wohlstand gebracht hat. Zu Beginn galt er als Reformer, der den Diktatoren des Kontinents offen sagte, sie seien das Problem, warum Afrika nicht vorankomme.

Die Pandemie verschaffte Museveni während des Wahlkampfs Vorteile.Damit gelang es ihm, seine Gegner gekonnt auszuschalten. Symbolträchtig gekleidet in grüne Armeeuniform und Safarihut, tourte der Staatschef mit seinen alteingesessenen Anhängern, Generälen und Soldaten durch das Land. Überall, wo er hinkam, strömten tausende meist ältere Menschen zusammen. Nur die wenigsten trugen einen Mund-Nasen-Schutz oder hielten sich an die Abstandsregeln. Von einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit hinsichtlich Corona war hier nicht die Rede.

Wines Wahlveranstaltungen wurden hingegen stets von der Polizei brutal aufgelöst, weil sich dessen Fans nicht an die Corona-Auflagen halten würden. Dabei flogen neben Tränengas und Gummigeschoßen auch Kugeln – es gab über 50 Tote, darunter Kinder und Jugendliche. Während bei Wines Kampagne Chaos herrschte, hielt Museveni in den Dörfern ruhig stundenlange Reden, schwelgte in Erinnerungen an den Freiheitskampf von 1986 und erteilte Ratschläge: Die jungen Leute, die er "Bazukulu" (Enkelkinder) nennt, sollen arbeiten, statt mit ihren Handys "falsche Gerüchte zu verbreiten".

Soziale Medien abgedreht

Rechtzeitig wurden in der Nacht vor dem Wahltag Twitter, Facebook und Whatsapp abgeschaltet, um jegliche Aufstände zu verhindern. Bereits 2018 hatte die Regierung eine Steuer auf die Nutzung sozialer Netzwerke eingeführt. Bei den Aufständen des Arabischen Frühlings in Nordafrika 2011 oder den jüngsten Umbrüchen im Sudan waren diese Medien ein zentrales Kommunikationsmittel der Protestierenden. Dem wirkt Musevenis Sicherheitsdienst seitdem entgegen.

Schon bei der Einführung der Steuer rief Wine zu Protesten auf. Die Regierung reagierte hart: Seitdem stehen vor Wines Haus in einer abgelegenen Seitenstraße am Stadtrand von Kampala, die mit dem Namen "Freiheitsweg" bezeichnet ist, rund um die Uhr Geheimdienstbeamte.

Nach der Wahl ließen sie Wine nicht einmal mehr zum Supermarkt fahren. Sie fürchteten, er würde zu Protesten aufrufen. Tagelang saß er mit seiner Frau und seinen Kindern zu Hause fest wie in einem Gefängnis. Erst ein Gerichtsentscheid sorgte dafür, dass die Agenten abzogen.

Familiendynastie

Museveni verlässt sich auf einen gewaltigen Sicherheitsapparat, der ihm persönlich hörig ist. Dafür sorgt sein Sohn und Kommandant der Spezialkräfte: Muhoozi Kainerugaba. Der 45-jährige General hat auf den besten Militärschulen der Welt seine Ausbildung absolviert und gilt neben seinem Onkel, Musevenis Bruder Salim Saleh, der sich um die Wirtschaft kümmert, als einer der ranghöchsten Offiziere im Land. Seinem Sohn wird nachgesagt, er sei als Nachfolger Musevenis auserkoren, um die Familie an der Macht zu halten.

Die derzeitige Krise in Anbetracht einer rebellierenden Jugend ist demnach nicht nur als ein Generationenkonflikt zu verstehen, sondern lässt sich auch als Streit innerhalb der jungen Generation begreifen: zwischen den Gewinnern des Systems von Präsident Museveni und den Verlierern. (Simone Schlindwein, Südwind-Magazin, 5.6.2021)