Bekanntlich haben Virentests in den letzten eineinhalb Jahren eine steile Karriere hingelegt – vor allem in Österreich, wo eine umfassende Teststrategie zu einer Basis der Corona-Politik wurde. Die genauen, aber vergleichsweise teuren PCR-Tests sind dabei gegenüber den günstigen, aber ungenauen Antigentests stark auf dem Vormarsch. Dabei hilft eine Vorgehensweise, die es erlaubt, PCR-Tests deutlich günstiger als bisher anzubieten und auf Antigentests zu verzichten.

Lolli statt Nasenbohren: Beim PCR-Test müssen Schüler und Schülerinnen 30 Sekunden an Wattestäbchen lutschen. Ausgewertet wird mit einem Pooltest pro Schulklasse.
Foto: Stadt Freiburg / Patrick Seeger

Das Zauberwort lautet Pooling. Die Proben einer Gruppe von Menschen werden zusammengelegt und per PCR-Verfahren hochgenau geprüft. Schlägt der Test an, müssen alle Personen hinter dem Probenpool erneut individuell getestet werden, um die Erkrankten zu identifizieren. Gerade in Zeiten sinkender Virenlast, in denen viele der Pools negative Ergebnisse zeigen, ist das eine lohnende Vorgehensweise.

Pooling-Center

Das Wiener Start-up Novid20 ist bei dieser Entwicklung vorn mit dabei. Geschäftsführer Christoph Tockner und Prokurist Moritz Miedler und Team entwickeln Informatikstrukturen für Test-Poolings dieser Art. Gemeinsam mit dem Hochdurchsatzlabor Novogenia arbeitet man daran, ein eigenes Pooling-Center in Salzburg aufzubauen. Die Kapazität von Novogenia liegt bei 50.000 PCR-Tests pro Tag. Mit Pooling lässt sich dieser Wert auf 1,2 Millionen hochskalieren – man könnte also ganz Österreich einmal pro Woche durchtesten.

Angefangen hat allerdings alles mit einer ganz anderen Softwarelösung. Novid20 entstand aus einem Verein, der im März 2020, zu Beginn der ersten Corona-Welle in Europa, gegründet wurde. "Profis aus dem Digitalbereich haben zusammengefunden, um nach dem Vorbild südostasiatischer Staaten eine schnelle Tracing-Lösung zu schaffen", blickt Tockner zurück. "Innerhalb einer Woche waren damals 80 Freiwillige dabei." Es gab auch regen Austausch mit den Experten des Roten Kreuzes, die an Österreichs offizieller "Stopp Corona"-App arbeiteten. Novid20 verkaufte dagegen seine Lösung. "Wir sprachen mit Vertretern verschiedener Länder. Die Wahl fiel auf Georgien", sagt Tockner. "Ich kenne bis heute keine andere Tracing-App, die außerhalb ihres Einsatzlandes entwickelt wurde." Inzwischen hat auch Georgien sein System umgestellt, die Lösung von Novid20 ist nicht mehr im Einsatz.

Nachdem man Covid-Expertise und ein weitreichendes Expertennetzwerk aufgebaut hatte, wagte man den Schritt zur Professionalisierung. "Wir arbeiteten nahe an der Wissenschaft und sahen gut, wo es Entwicklungsbedarf gab", sagt Tockner. Unbürokratische, anwenderorientierte Lösungen für Testungen waren so ein Erfordernis. Mit einem Auftrag des Wissenschaftsministeriums für eine Studiensoftware zur PCR-Gurgelstudie bei Schulkindern war es so weit. Eine Handvoll Novid20-Vereinsmitglieder gründete die GmbH Novid20.

Caritas-Teststrategie

Im Herbst arbeitete das Start-up gemeinsam mit dem Vienna Biocenter (IMP) an der Teststrategie der Caritas, die ihre Mitarbeitenden per PCR-Verfahren regelmäßig testen ließ. Unterstützung kam zu dieser Zeit auch vom Förderprogramm Creative Impact des Austria Wirtschaftsservice (AWS), das ganz im Zeichen der Covid-Krise stand. Über Empfehlungen gelangte man dann an die Verantwortlichen in Freiburg im Breisgau, wo der sogenannte Lolli-Test – auch hier ein gepoolter PCR-Test – für Schulen und Kindergärten angeboten werden sollte.

Bisher hatte man im Start-up für jede Testkampagne ein eigenes, maßgeschneidertes System entwickelt, nun sei man aber bei einer skalierbaren Lösung angelangt, die man an verschiedene Erfordernisse anpassen kann und die nun auch in Freiburg angewandt wird, erklärt Moritz Miedler. Man kooperiert mit Grapevine World und Tiani Spirit, Softwareunternehmen, die auf Gesundheitsdaten spezialisiert sind.

"Die Schulen in Freiburg bekommen von uns eine Software für den Import der Schülerdaten in unser System sowie einen Stapel Etiketten mit QR-Codes", sagt Miedler. Das System macht die einzelnen Klassen zu Testpools. Beim PCR-Lolli-Test wird nicht wie beim ebenfalls nach wie vor üblichen Antigen-Nasenbohrertest ein Stäbchen in die Nase eingeführt, sondern die Kinder müssen eine halbe Minute lang an Wattestäbchen lutschen. Der Lehrer klickt in der Software nur an, wer da ist und wer nicht.

Gemeinnützige Agenda

Alle Stäbchen kommen dann in ein gemeinsames Röhrchen, das mit einem QR-Code versehen wird – der Pool entsteht also bereits in der Schule. "Diese Vorgehensweise macht vieles einfacher. Denn Pooling im Labor ist verhältnismäßig aufwendig. Man braucht Mitarbeiter oder spezielle Robotik", sagt Tockner. Dem Testlabor stehen die Schülerdaten selbst nicht zur Verfügung. Ist der PCR-Test des Pools aber positiv, können via QR-Code und Schülerdatenbank die entsprechenden Maßnahmen getroffen werden.

Für die Gründer bliebt die gemeinnützige Agenda des Vereins auch in seiner Start-up-Tochter erhalten. "Wir machen das nicht, um reich zu werden. Unser Exitplan ist, alles, was wir gelernt haben, in einem Medizin-Journal zu veröffentlichen. Jeder soll damit machen können, was er will", erklärt Miedler den mit Social-Business-Konzepten vergleichbaren Ansatz. "Gerade für Indien, wo das Virus für enorme Opferzahlen sorgt, und in Ländern des globalen Südens könnten die günstigen PCR-Massentests noch ein gangbarer Weg sein."

Für das Novid20-Team sind die Erfahrungen, die es im Start-up macht, auch nach der Corona-Krise von bleibendem Wert. "Es ist eine riesengroße Managementschule für uns alle", sagt Miedler. Und das bereits in jungen Jahren – das Durchschnittsalter des siebenköpfigen Teams liegt bei etwa 24 Jahren. (Alois Pumhösel, 12.6.2021)