Nach monatelangem parteiinternem Machtkampf tritt Norbert Hofer zurück.

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Knapp dreißig Minuten war Norbert Hofer am Dienstagnachmittag gleichzeitig zurückgetreten und doch noch in Amt und Würden. Denn verwirrender hätte er seinen Rücktritt nicht gestalten können: Um 16.12 Uhr schrieb er auf Twitter, heute sei sein "erster Tag nach der Reha und der erste Tag nach der Tagespolitik", weil er seine "Funktion als Bundesobmann" zurücklege. Vier Minuten später war der Tweet wieder gelöscht – und in Partei und Redaktionen Chaos ausgebrochen.

Sein Pressesprecher hob nicht ab, andere Parteimitglieder waren ratlos. "Ich hab's selbst gerade erst auf Twitter gelesen", sagte ein Landesparteiobmann dem STANDARD. "Ich erreiche selbst überhaupt gar niemanden", beklagte sich eine Abgeordnete. Um 16.42 war das Rätsel gelöst: Hofer meldete sich auf oe24.at selbst zu Wort und bestätigte seinen Rücktritt.

Prompt, genauer um 16.48, folgte auch eine Aussendung: Er habe nach seinem dreiwöchigen Reha-Aufenthalt in Baden beschlossen, das Amt nicht länger auszuüben, hieß es da, und: "Die Zeit nach Ibiza war nicht einfach." In den letzten Monaten sei es gelungen, die Partei wieder zu stabilisieren und in Umfragen an die 20-Prozent-Marke heranzuführen. "Meine eigene Reise an der Spitze der FPÖ ist aber mit dem heutigen Tag zu Ende. Ich wünsche meiner Nachfolgerin / meinem Nachfolger in dieser Funktion viel Erfolg für die Zukunft."

Auf falschem Fuß erwischt

Damit war zwar klar, dass es in der FPÖ nicht mehr mit Hofer weitergehen würde, das unmittelbar folgende Prozedere war aber weniger eindeutig. Man müsse erst einmal jemanden auftreiben, der die Statuten kenne, hieß es hinter vorgehaltener Hand aus dem Parlamentsklub. Noch am Dienstagvormittag soll sich Hofer Interviewtermine für die nächsten Wochen ausgemacht haben; es habe keine Indizien für Amtsmüdigkeit gegeben, hieß es. Hofers Rücktritt erwischte die Partei auf dem falschen Fuß – das zeugt davon, dass man nicht im Guten auseinandergeht. In den vergangenen Wochen hatte sich der Konflikt zwischen dem Parlamentsklub, angeführt von Herbert Kickl, und der Bundespartei immer stärker aufgeheizt.

Während Hofer der FPÖ ein freundliches, durchwegs regierungsfähiges Gesicht verpassen wollte, trieb Kickl eine radikale Opposition zur ÖVP voran. Das merkte man auch in ihrem Umgang mit der Corona-Pandemie: Hofer ließ sich impfen und forderte die blauen Abgeordneten auf, im Parlament Maske zu tragen; dagegen rebellierten die Parlamentarier offen.

Nicht einmal zwei Jahre war Hofer an der Parteispitze.

Was macht Haimbuchner?

Als Zünglein an der Waage galt in den vergangenen Monaten der mächtige oberösterreichische Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner. Der unterstützte offen Hofer und sagte erst vergangenes Wochenende, er werde "dafür sorgen, dass Kickl nie Parteiobmann wird".

Für Haimbuchner könnte das allerdings bedeuten, dass er selbst gegen den Klubchef in den Ring steigen muss. Zwar gibt es mit Udo Landbauer und Dominik Nepp durchaus Landesparteichefs, die Ambitionen im Bund haben; gegen Haimbuchner oder Kickl wären sie aber chancenlos. Doch der Oberösterreicher hat im Herbst selbst eine Wahl zu schlagen; einen Wechsel schloss er bislang kategorisch aus. Ist also fix, dass Herbert Kickl übernimmt?

Der 52-jährige Kärntner galt in den vergangenen Jahrzehnten als idealer Mann im Hintergrund: ein großer Stratege, der Parteichef Heinz-Christian Strache mit knackigen Sprüchen und den richtigen Themen versorgt hatte. Als Innenminister wurde Kickl dann zum Gottseibeiuns des eigenen Koalitionspartners, nachdem er Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen ÖVP-nahe Mitarbeiter des Verfassungsschutzes vorangetrieben hatte. Nach dem Ibiza-Video hätte Türkis-Blau angeblich nur weitermachen können, wenn nicht nur Strache, sondern auch Kickl – zumindest als Innenminister – zurückgetreten wäre. Die Partei entschied sich dagegen; seither hegt Kickl Rachegelüste gegen Kanzler Sebastian Kurz – und hat offenbar auch seine Lust auf die erste Reihe entdeckt.

Mit der auf Krawall gebürsteten Ablehnung der meisten Corona-Maßnahmen konnte Kickl die Partei nach dem Absturz bei der Nationalratswahl 2019 revitalisieren; mittlerweile liegt sie in Umfragen wieder bei über zwanzig Prozent.

Mölzer: Hofer kein "scharfer Oppositionspolitiker"

Ähnlich sieht das der Chefideologe der FPÖ, Andreas Mölzer. Die Partei müsse sich darauf einstellen, dass sie auf absehbare Zeit in der Opposition sei, sagte er in der "ZiB 2" am Dienstagabend. Hofer sei aber kein "starker und scharfer Oppositionspolitiker". Die politische Logik deute daher auf Kickl hin, Haimbuchner sei ein "Zukunftsmann". Die beiden mögen zwar laut Mölzer nicht die "besten Parteifreunde" sein, aber alle wüssten, dass sie nur gemeinsam politischen Erfolg haben könnten.

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Harald Stefan übernimmt

Über einen neuen Bundesparteiobmann dürften in den nächsten Tagen die Parteigremien und später der Bundesparteitag entscheiden. Vorerst übernimmt der langjährige Abgeordnete Harald Stefan als dienstältester Parteivize. Kickl kündigte am Dienstagabend via Aussendung an, mit diesem und den übrigen Mitgliedern des Parteipräsidiums Kontakt aufzunehmen, um die nächsten Schritte zu beraten. Der unter Hofer eingeleitete Aufwärtstrend müsse fortgesetzt werden. Kickl: "Ich selbst bin bereit, meinen Beitrag dazu zu leisten."

Als Dritter Nationalratspräsident will Hofer im Amt bleiben, hieß es am Dienstag. Auch eine Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl ließ er zuletzt offen. Unklar ist, wie verärgert seine Partei über die Art und Weise des Abgangs ist.

Dem Vernehmen nach steht Hofer auch ein Strafantrag im Korruptionsverfahren rund um Postenschacher bei der Asfinag bevor – Nachwehen des Ibiza-Videos, in dem sein Vorgänger Strache von Parteispenden "am Rechnungshof vorbei" erzählte. Eine Spende an einen FPÖ-nahen Verein leistete der Unternehmer Siegfried Stieglitz, Hofer machte ihn später zum Asfinag-Aufsichtsratsvorsitzenden. Die WKStA ermittelt, es gilt die Unschuldsvermutung – ein angeklagter Parteichef hätte aber das Dauerfeuer gegen Kanzler Kurz geschwächt. (Fabian Schmid, Gabriele Scherndl, 1.6.2021)