Oliver Hangl (53) hat sich über Jahre Expertise beim Bespielen des öffentlichen Raums aufgebaut. Das half ihm während der Pandemie.

Foto: Heribert Corn

Gerade herrscht zwischen Oliver Hangl und dem blauen Hydranten noch Zweisamkeit. Doch bereits am Donnerstag werden hier in Neu Marx zahlreiche Helferlein herumwuseln, Bühnentechnik aufbauen und das urbane Nichts bestuhlen, sodass pünktlich um 19 Uhr der Sound der Wiener Band Dives über das Publikum hinwegfegen kann. Läppische zwei Euro kostet das Ticket für so ein Baulückenkonzert, von denen es im Juni noch weitere an anderen (Un-)Orten in der Stadt geben wird. Klingt gerade wie Werbung? Braucht Hangl nicht mehr.

Fünf von sechs der Baulückenkonzerte sind bereits ausverkauft. Er macht sie nicht zum ersten Mal. Längst hat sich herumgesprochen, dass man in den Baulücken feine Abende haben kann, die Veranstaltungen sind Selbstläufer. Auch Hangls "Silent Bootskonzerte" eignen sich für erste Dates oder einen netten Ausflug mit der Familie. Da spielt also eine Band Musik im Elektroboot; 30 andere Boote, beladen mit Zuhörerinnen und Zuhörern, die per Funkkopfhörer den Liveklängen lauschen, schwimmen dem Sonnenuntergang auf der Alten Donau entgegen. Dieses Erlebnis ist zwar mit 19 Euro etwas teurer als die Lückenkonzerte, aber trotzdem: ausverkauft. Und wenn Maschek durch Meidling führen und launig die Geschichte des Meidlinger L erzählen, dann ist auch freilich das an allen drei Terminen: ausverkauft.

Beliebt bei Anrainern

Hangl lehnt sich in seinem Projektraum in der Kirchengasse, wo auch Ausstellungen stattfinden, zurück und grinst: "Schlüsselfertige Konzepte" nennt er, was er am besten kann. Er hat ein Händchen für die Entwicklung von Formaten mit einem smarten Twist, die trotzdem niederschwellig genug sind, um Publikum anzuziehen. Oft geht es darum, andere Facetten der Stadt oder die Facetten der Stadt anders wahrzunehmen.

Gerade seine Konzepte, bei denen Funkkopfhörer eingesetzt werden, sind bei dieser Wahrnehmungsverschiebung beliebt. Auch Anrainer und Behören freut’s, wenn die Musi nur in den Ohren der Teilnehmenden spielt und sie ihre Ruhe haben.

Der öffentliche Raum hat es Hangl angetan. Seit 20 Jahren erschließt ihn der Kurator und Urbanist künstlerisch für sein Publikum. Dafür hat er Auftraggeber wie das gerade stattfindende Wir-sind-Wien-Festival – das "Lowbrow"-Äquivalent zu den Wiener Festwochen – gefunden. Er kennt nicht nur die Lücken der Stadt, sondern auch ihre Fördertöpfe, wobei er auch zahlreiche andere Auftraggeber im In- und Ausland hat, die ihm ermöglichen, so zu arbeiten, wie er es am liebsten mag: dass er gut davon leben kann, das Publikum aber kaum oder wenig Eintritt bezahlen muss.

Durch die Pandemie hätten die Leute endlich verstanden, wie großartig der öffentliche Raum ist. Auch dass Kultur in den Sommermonaten sehr wohl gefragt ist, wie er es ja immer schon gesagt hat, beobachtet Hangl mit einer gewissen Genugtuung. Dass die Wiener Kulturpolitik sich zuletzt stärker der Ränder der Stadt und der kulturell unterversorgten Bezirke annimmt, begrüßt er, auch wenn man in Sätzen wie "Jetzt wird der Kultursommer an Orten veranstaltet, an denen ich bereits vor fünf Jahren zuerst veranstaltet habe" ein bisschen Pikiertheit durchhört. Hangl betont seine "Pionier"-Rolle gern. In der Tat nicht ganz zu Unrecht. So war er der Erste, der das Konzept Gehsteigdisko mit Funkkopfhörern in Österreich etablierte, bevor kommerzieller ausgerichtete Anbieter wie Silent Disco Austria kamen.

Robins Weg in die Hood

Der gebürtige Oberösterreicher wollte ei gentlich Tourniertänzer werden, ein Bänderriss kam dazwischen. Ein Wirtschaftsstudium brach er in Wien an, dann wieder ab, wurde per Annonce des Serapionstheaters Schauspieler, dann Produktionschef der Off-Theatergruppe Sparverein Die Unzertrennlichen, die Phettbergs Nette Leit Show für die Bühne entwickelte, bevor der ORF sie im Fernsehen ausstrahlte. Dort war Hangl auch in der Rolle des Assistenten Robin zu sehen, bevor er zum Medien- und Performancekünstler mutierte und die Welt bereiste.

Und doch steht Hangl die Rolle, die er sich selbst auf den Leib geschrieben hat, am besten: die Rolle des Lückenfüllers. Er hat nicht nur örtliche Brachen erkannt, sondern auch inhaltliche. Er entwickelt genau die Formate, die sonst in der Wiener Kulturlandschaft fehlen. (Amira Ben Saoud, 3.6.2021)