Norbert Hofer wird es künftig ruhiger angehen, er nimmt sich aus der aktuellen Tagespolitik heraus und wünschte seinem Nachfolger in einem kurzfristig wieder gelöschten Tweet bereits "alles Gute". Als FPÖ-Chef will Hofer nicht mehr weitermachen – und das lässt sich gut nachvollziehen. Der Aufstand gegen ihn ist längst im Gange, er hätte die Auseinandersetzung gegen seinen parteiinternen Kontrahenten Herbert Kickl nicht gewonnen. Dem FPÖ-Klubobmann, der auf einen deutlich härteren Oppositionskurs und eine aggressivere Linie gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz setzt, scheint offenbar ein wesentlich größerer Teil der Partei zu folgen als derjenige, den Hofer noch hinter sich versammeln konnte. Harald Stefan als Interimschef muss aufpassen, hier nicht samt Partei aufgerieben zu werden.

Ein wirklich guter und überzeugender Chef der FPÖ war Hofer ohnedies nie. Die vordergründig freundliche und verbindliche Art passte nur schlecht zu der Radikalität der Thesen, zu der Menschenfeindlichkeit und zu der Unberechenbarkeit und Bösartigkeit, die die FPÖ viel zu oft in die Politik einbrachte.

Ein wirklich überzeugender Chef der FPÖ war Norbert Hofer nie.
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Hofer war für Heinz-Christian Strache eingesprungen, der seinerzeit für Jörg Haider eingesprungen war – und nun wird die Parteiführung wohl an Herbert Kickl übergeben. Kickl hatte sich lange Zeit als Regisseur in der zweiten Reihe wohlgefühlt, zuletzt hatte er aber Gefallen am Platz in der Sonne gefunden und war zur Überzeugung gelangt, er könne nicht nur die Führung beraten und vielleicht lenken, sondern besser gleich ganz übernehmen.

In der Ausrichtung der FPÖ wird sich nicht viel ändern. Sie ist und bleibt fremdenfeindlich und am äußerst rechten Rand des politischen Spektrums und oft auch der Erträglichkeit (und darüber hinaus) angesiedelt. Das war unter Hofer so, der lange wohl nur Passagier und nicht der Kapitän seiner Partei war, das wird unter Kickl so sein, der viel gezielter und bewusster die Linie der Partei vorgeben wird. Kickl weiß, wo er hinwill, und das ist bei ihm wohl auch der Antrieb, die Partei zu übernehmen.

Offene Rechnung

Kickl ist in seiner Aggression viel berechenbarer als Hofer, dessen Lächeln und dessen Freundlichkeit oft nicht gleich zu interpretieren waren. Der gekränkte Stolz, als Innenminister vom Sattel seiner lächerlich wirkenden Reiterstaffeln gehoben worden zu sein, hat ihn noch härter werden lassen. Und er hat eine Rechnung offen mit Sebastian Kurz, der nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos und dem bereits erfolgten Rücktritt von Strache die Koalition mit den Freiheitlichen letztlich an die Bedingung geknüpft hatte, Kickl müsse als Innenminister entfernt werden. Das war schließlich der Grund oder der Vorwand für die ÖVP, in Neuwahlen zu gehen.

Diese Rechnung hat Kickl noch offen, und es war nahezu unheimlich, wie inbrünstig Kickl bei einer Kundgebung der Corona-kritischen Menschen im Prater die Meute anfeuerte und "Kurz muss weg!" ins Mikrofon skandierte.

Für Sebastian Kurz heißt das: Mit Kickl an der Spitze der FPÖ fällt eine Möglichkeit definitiv weg. Das ist ein Ass weniger im Koalitionspoker, dessen Karten im Falle einer Anklage gegen Kurz neu gegeben werden. Dass Kurz und Kickl noch einmal zusammenfinden, kann ausgeschlossen werden, solche Volten schlägt nicht einmal die österreichische Innenpolitik. So gesehen ist der Rücktritt von Hofer für Kurz keine gute Nachricht. (Michael Völker, 1.6.2021)