Vor gut zwei Wochen gingen in Berlin Mieterinnen und Mieter auf die Straße. Mehrere Tausend demonstrierten gegen die hohen Mieten in der Stadt, schwenkten Plakate mit ihren Forderungen und machten Lärm – wieder einmal. Seit der Berliner Mietendeckel vor wenigen Wochen gerichtlich gekippt worden ist, machen die Berlinerinnen und Berliner ihrem Unmut regelmäßig auf der Straße Luft.

Nicht erst seit dem Mietendeckel-Urteil gehen in Berlin Mieterinnen und Mieter immer wieder auf die Straße.
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"Die Stimmung hat sich noch einmal aufgeheizt. Nun stehen Mieter und Vermieter einander gegenüber", urteilt Alexander Neuhuber, der mit seinem Unternehmen Magan österreichische Investoren in Deutschland berät. Seit dem Mietendeckel-Urteil sei der Markt in Berlin wieder angesprungen. "Nach zwei Jahren Unsicherheit beginnt sich der Rückstau aufzulösen", sagt Neuhuber aus Investorensicht: "Das bedeutet aber auch, dass die Preise weiter steigen."

Keine Schnäppchen gefunden

Dabei hatte so mancher Branchenkenner am Anfang der Corona-Krise noch ein Sinken der Preise in Berlin vorhergesagt, weil die Stadt teilweise wie ausgestorben gewirkt hat. Bei der österreichischen S Immo AG war während der Corona-Krise ein Ankaufsteam in Berlin unterwegs, um "Opportunitäten" zu finden. "Aber wir haben kein Schnäppchen gefunden", sagt Robert Neumüller, Chef der S Immo Germany. Die unverändert hohe Nachfrage in Berlin zeige, wie "stark und unzerstörbar" die Stadt sei.

Den mittlerweile aufgehobenen Mietendeckel fand man bei der S Immo AG – und wohl nicht nur dort – "erschütternd". "Für mich sind da einige Grundwerte ins Wanken geraten", sagt Neumüller, denn damit wurde auch in bestehende Mietverträge eingegriffen und die Miete rückwirkend reduziert. Zwar seien kleine Vermieter, die nur ein oder zwei Häuser hätten, weitaus härter davon getroffen worden. "Aber auch unser Cashflow ist massiv eingebrochen", sagt Neumüller.

Die Diskussionen um das Wohnen haben sich in Berlin in den letzten Jahren aufgeheizt – vorläufiger Höhepunkt war das Urteil zum Mietendeckel im April.
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Beim in Berlin umstrittenen Wohnungsriesen Vonovia wurde gleich nach dem Mietendeckel-Urteil verkündet, dass man auf Rückzahlungen von Mieten aus den vergangenen Monaten verzichte. Bei der S Immo AG werden die entgangenen Mieten wiederum zurückgefordert, "die Gegenwehr ist aber erstaunlich gering", so Neumüller. Nun, da der Deckel gekippt ist und die alte Normalität hergestellt, könne man zwar wieder durchatmen, "aber der Schock bleibt natürlich", so Neumüller.

Initiative will Enteignung

Noch dazu, weil ein zweites Thema seit dem Mietendeckel-Urteil noch einmal ordentlich an Fahrt aufgenommen hat: Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" sammelt derzeit Unterschriften für einen Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen. Bis zum 25. Juni müssen 175.000 Unterschriften gesammelt sein. Die Teams der Initiative sind derzeit in allen Kiezen unterwegs. Der Zuspruch sei enorm, berichtete einer der Organisatoren dem STANDARD erst vor wenigen Wochen. Zuletzt hatte die Initiative bereits 130.000 Unterschriften beisammen.

Diese Entwicklung wird vonseiten der Hausbesitzer und Investoren – wenig überraschend – überaus kritisch gesehen. Eine Vergesellschaftung, wie von der Initiative gefordert, würde bedeuten, dass die Stadt die Wohnungen von den Konzernen zurückkaufen muss. "Aber dadurch entsteht keine einzige neue Wohnung", kritisiert Alexander Neuhuber.

Lehren aus der Vergangenheit

Bei der S Immo AG ist man skeptisch, dass die Häuser vonseiten des Landes Berlin dann gut in Schuss gehalten würden, das zeige die Vergangenheit: Das Unternehmen hat Mitte der 2000er-Jahre viele Häuser aus dem Bestand des Landes gekauft. Zehntausende gemeinnützige Wohnungen wurden damals abverkauft. "Und ich weiß genau, wie diese Häuser aussehen", sagt Robert Neumüller. 500 bis 600 Euro wurden damals für den Quadratmeter bezahlt. "Die Häuser waren am Ende, niemand hat sich um die Wohnungen gekümmert", sagt Neumüller.

Sie wurden modernisiert, die "Mieterstruktur" verändert. Heute werden solche Häuser um 3000, 4000 oder sogar 5000 Euro pro Quadratmeter verkauft – und sind heißbegehrt. "Man könnte ja sagen: Unsere Arbeit hier ist getan", sagt Neumüller. "Aber nun beginnt das Spiel von vorn."

Fusion am Wohnungsmarkt

Er meint damit die vor wenigen Tagen publik gewordenen Pläne zur Megafusion am deutschen Wohnungsmarkt: Vonovia, größter Wohnungsvermieter Deutschlands, will die Nummer zwei, Deutsche Wohnen, um 18 Milliarden Euro schlucken. Insgesamt würden die beiden Konzerne dann auf deutschlandweit 550.000 Wohnungen mit einem Gesamtwert von 80 Milliarden Euro kommen. Die Mieten würden, das versprechen die beiden Konzerne, bis 2026 nur in geringem Umfang angehoben. Und sozusagen als Zuckerl werden dem Land Berlin 20.000 Vonovia-Wohnungen zum Kauf angeboten. Wo genau sich diese befinden und wie viel sie kosten würden, scheint noch nicht ganz klar. Die Freude bei der Stadtregierung ist aber groß.

Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" verbuchte das Angebot, 20.000 Wohnungen zu verkaufen, als ihren eigenen Erfolg: "Der Druck unserer Kampagne wirkt", teilte sie mit – und will sich damit den Wind von den großen Wohnungskonzernen nicht aus den Segeln nehmen lassen.

Fassaden bieten in vielen Teilen der Stadt schon länger Platz für Protest.
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Dass sich durch die Fusion für die Mieter in Berlin etwas zum Besseren wenden könnte, glauben Mietervertreter indes nicht. Günstiger wäre es wohl, neue Wohnungen zu bauen, anstatt alte zurückzukaufen, meinen manche. Neumüller ist überhaupt überzeugt, dass diese Wohnungen früher oder später wieder am Markt landen werden, so wie eben auch in den 2000er-Jahren.

Dabei, ist man sich zumindest auf Investorenseite einig, brauche es in Berlin dringend mehr Neubau. Hier fehle es aber häufig am politischen Willen und am nötigen Tempo. Alexander Neuhuber klagt über ein "investorenfeindliches Klima". Und noch etwas führt er ins Treffen: "Jeder will in Friedrichshain wohnen, wo die Miete 15 Euro pro Quadratmeter beträgt." Dabei gebe es in Bezirken wie Treptow-Köpenick oder Reinickendorf "überraschend günstigen Wohnraum", wo man nur gut die Hälfte zahle.

Raus aus Berlin

Trotz aller Widrigkeiten: Die Hauptstadt wird auch weiterhin ein begehrtes Ziel für Investoren aus dem In- und Ausland bleiben.

Allerdings setzt die S Immo AG seit einigen Jahren auch auf den Berliner Speckgürtel. Dafür wurden insgesamt 30 Grundstücke in Brandenburg unter dem Titel "strategische Grundstücksbevorratung" angekauft. Dann kam Corona und damit der Run aufs Land. "Das ist uns fast zu schnell gegangen", sagt Robert Neumüller. Mit der Entwicklung der Grundstücke sei man jetzt nämlich noch gar nicht so weit, die nötigen Verfahren würden Jahre dauern. Auch in Leipzig und Erfurt ist das Unternehmen weiterhin unterwegs.

Berlin steht im Fokus von Investoren aus dem In- und Ausland. Aber zunehmend werden auch andere Städte interessant.
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So wie auch Alexander Neuhuber. Vor wenigen Tagen war er wieder mit Interessenten aus Österreich in den neuen Bundesländern unterwegs und hat Städte wie Magdeburg, Erfurt, Dresden, Leipzig, Halle, Chemnitz und Rostock abgeklappert. Heißbegehrt seien dort Zinshäuser mit möglichst wenigen Geschäftsflächen und möglichst vielen Wohnungen. Am liebsten seien Investoren vollvermietete Häuser, "bei denen es keine Troubles gibt". Die Mieten liegen in all den Städten bei Durchschnittswohnungen unter zehn Euro. Während Corona hätte sich hier gezeigt, dass die Zahlungsausfälle gering waren.

Die Verkäuferseite sei buntgemischt, häufig würden sich nun Bauherrengemeinschaften, die in den 1990er-Jahren für die Sanierung von Häusern eine Sonder-Afa (Absetzung für Abnutzung) kassiert haben, von den Häusern trennen. Die Bauqualität der Häuser entspreche meist aber nicht den heutigen Energieanforderungen, betont Neuhuber: "Da muss hie und da jetzt schon investiert werden." (Franziska Zoidl, 6.6.2021)