Der pensionierte Kapitän Franz Scheriau bewohnt mit seinen beiden Schäferhunden Max und Moritz das Wiener Schiffmuseum im zweiten Bezirk an der Donau. Die Behörden machen ihm manchmal das Leben schwer.

"In meiner Kindheit habe ich mir überlegt, was ich werden möchte. Lokführer sind nur auf der Schiene. Piloten sind auf Flughäfen angewiesen, also ist meine Wahl auf den Beruf des Kapitäns gefallen. Das war eine schöne Zeit. Ich habe viel gesehen. Russland, Panama und auch eine Afrikadurchquerung zählen zu meinen Abenteuern. Mit 50 habe ich mich entschieden, den Ruhestand anzutreten und nach Hause zu gehen. Also habe ich in Leoben ein Haus gekauft und nach meinen Vorstellungen renoviert.

Kapitän Franz Scheriau ist seit 20 Jahren der einzige Österreicher mit einem Meldeschein am Wasser.
Foto: Lisi Specht

Als es fast fertig war, war ich auch schon wieder unzufrieden. Ein fixer Wohnort mit Nachbarn und allem, was dazu gehört – das hält ein Seemann nicht so einfach aus. Ich brauche die Freiheit. Zu dieser Zeit hat mir ein anderer Kapitän erzählt, dass im Donaudelta im Schwarzen Meer im ukrainisch-rumänischen Grenzgebiet das Kaiserschiff vergammelt, wenn sich nicht bald jemand darum kümmert. Ich habe also ein Schiff gekauft und das Kaiserschiff nach Wien geschleppt.

Wohnen darf ich hier auf den Schiffen, weil ich auch eine Fähre besitze. Sie liegt am anderen Donauufer an. Da ich diese auch in der Nacht bewachen muss, habe ich einen Liegeplatz bekommen. Ich bin der einzige Österreicher mit Meldezettel am Wasser. Das will der Magistrat aber eigentlich nicht.

Künftig würde Franz Scheriau gerne wieder mehr unterwegs sein: Ein Nachfolger wird gesucht.
Fotos: Lisi Specht

Am meisten liebe ich die Freiheit. Das habe ich während des Landlebens in Leoben bemerkt. Wenn dir der Nachbar nicht gefällt, kommst du nicht weg. Aber wenn es hier nicht geht, brauche ich nur den Anker lichten. Es ist zwar woanders auch nicht besser, aber diese Wohnform gibt mir ein Gefühl der Freiheit. Was ich nicht mag, sind die Behörden, die mir das Leben hier schwermachen. Zuerst haben meine Blumen neben dem Gehweg gestört, dann hat mein auf der Wiese gelagertes Holz eine Gefahr dargestellt. Jetzt haben sie eine alte Verordnung entdeckt, die besagt, dass ich die Schiffe im Winter rausstellen muss. Das ist ein laufender Rechtsstreit.

Plan B habe ich keinen. Da muss ich dann unter der Brücke schlafen. Hier steckt das Geld für ein ganzes Haus drin, ein schönes großes Haus. Eines der besseren Schiffe kostet zwischen 300.000 und 400.000 Euro. Ich habe zuerst zwei Schiffe gekauft, und dann musste ich ein weiteres kaufen, um das Kaiserschiff heraufzuschleppen. Inzwischen ist die Sammlung immer weiter gewachsen. Das ist natürlich ein Nachteil, wenn man Schiffe sammelt. Mit Briefmarken ist es einfacher.

Seekrank wird Franz Scheriau auf der Donau nicht. Bei starkem Seegang in einem neuen Schiff reagiere sein Magen aber empfindlich.
Fotos: Lisi Specht

Eines der Schiffe war eine Zollamtsstelle, verankert in Hainburg. Alle Schiffe, die von Österreich rein- und rausgefahren sind, mussten davor haltmachen. Das Schiff mit den Gemüse- und Obstbäumen ist ein Vermessungsschiff. Damit konnte man die Fahrrinne des Wassers ausmessen. Auf dem großen Eisbrecher ist alles da. Klimaanlage, Geschirrspüler, Zentralheizung, ein Fäkalientank. Man könnte auch Strom und Wasser selbst erzeugen. Aber das Wasser in Wien ist so gut wie sonst nirgends auf der Welt.

Ich liebe alte Sachen, schätze Kunst und gutes Handwerk. Mein bevorzugter Stil ist die Jahrhundertwende. Zum großen Teil habe ich die Sachen vom Flohmarkt zusammengetragen. Als Kapitän lernt man so viel, dass man im Notfall jeden einzelnen Beruf auf dem Schiff ersetzen kann. Man ist nicht perfekt, aber zur Not geht’s. Das mache ich immer noch, allerdings werde ich langsam zu alt.

Franz Scheriau mag alte Sachen, viele Dinge stammen vom Flohmarkt.
Fotos: Lisi Specht

Ich bin jetzt 70, und es ist an der Zeit für einen Nachfolger. Ich suche jemanden, der die Liebe dafür hat und es sich auch leisten kann, die Schiffe zu übernehmen. Ich hätte gern ein kleineres Schiff und will wieder fahren. Das Richtige ist das hier für mich nicht. Ich bin hier aufgelaufen. Ich möchte mich wieder bewegen können und Sachen anschauen, die ich früher versäumt habe. Ich kenne die ganze Welt. Die Meere und die Häfen, aber vom Hinterland weiß ich nichts, auch von Europa nicht. Es gibt viele Ströme in Europa, die noch auf mich warten. (7.6.2021)