Der Rücktritt Norbert Hofers als FPÖ-Chef kam überraschend. Niemand im blauen Kosmos ahnte am Dienstag, dass der Burgenländer zurücktreten würde. In der Eile waren selbst Parteigranden überfragt, welche Schritte nun gesetzt werden müssen, ehe klar wurde, dass der Notar Harald Stefan gemäß den blauen Statuten als sein ältester Stellvertreter vorläufig die Geschicke übernehmen wird. Das wird aber freilich nicht so bleiben.

Pressekonferenz um 15.30 Uhr: Aktuelle Entwicklungen in der FPÖ" nach dem Rücktritt von Bundesparteiobmann Norbert Hofer.

Klubobmann Herbert Kickl drängt schon seit Wochen auf den Parteivorsitz. Vermutlich wird sich der Teilnehmerkreis im Kampf um die Spitze bis zum nächsten Parteitag, auf dem die neue Führung gewählt wird, aber noch erweitern. Niederösterreichs Landesparteichef Udo Landbauer betonte schon, dass durchaus mehrere in der Partei das Zeug zum Spitzenkandidaten hätten. DER STANDARD gibt einen Überblick über potenzielle Kandidaten. Mit Manfred Haimbuchner sagte eine gewichtige Persönlichkeit der Partei via Ö1 bereits ab. Oberösterreichs Landesvize hat im September eine wichtige Landtagswahl zu schlagen. Wann der Parteitag stattfindet, entscheidet die FPÖ am Montag.

Harald Stefan

Harald Stefan hat wohl nicht damit gerechnet, jemals die Aufgaben des FPÖ-Obmanns zu übernehmen. Durch Hofers unvorbereiteten Abgang ist er allerdings automatisch nachgerückt, weil er mit seinen 55 Jahren der älteste aller sechs Stellvertreter ist und die Statuten diese altersbezogene Nachfolgeregelung vorschreiben. Stefan will nun die weiteren Schritte bis zu einer Obmannwahl organisieren und sich dann wieder in die Rolle eines Vizes zurückziehen.

Übernimmt die Aufgaben des FPÖ-Obmanns bis zum nächsten Parteitag: der freiheitliche Notar Harald Stefan.
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Der Wiener ist seit Studententagen bei den Freiheitlichen aktiv und war lange Jahre auch Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft Olympia, aus der er 2018 ausgetreten ist. Von 2001 bis 2008 war er Landtagsabgeordneter, seit 2008 sitzt er im Nationalrat. Als Justizsprecher ist er in Sachfragen durchaus auch bei anderen Parteien anerkannt, im Zuge der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen wurde er für den Posten des Justizministers gehandelt.

Als Notar gehört Stefan zu den Topverdienern unter den Abgeordneten, zuletzt meldete er dem Parlament ein monatliches Bruttoeinkommen über 10.000 Euro. Die Notariatskanzlei hat er von seinem Vater Friedrich Stefan übernommen, der ebenfalls für die FPÖ aktiv ist – er trat etwa 2019 als Vorsitzender des blauen Schiedsgerichts in der Causa rund um Heinz-Christian Straches Parteiausschluss in Erscheinung.

Über längere Zeit trieb Herbert Kickl den nun ausgeschiedenen Parteichef Norbert Hofer vor sich her. Manche in der Partei sehen ihn als klaren Favoriten im Kampf um die Parteispitze.
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Herbert Kickl

Herbert Kickl schien sich seiner Sache zuletzt immer sicherer zu sein. Dass er sich als Spitzenkandidaten sieht, kam ihm immer öfter und immer leichter über die Lippen. Vielleicht hatte der Klubchef ja schon bemerkt, dass Hofer zunehmend die Kraft ausging. Die interne Kritik am Parteichef wuchs immer stärker – auch angetrieben von Kickl und seinem Klub. Selbst als sich Hofer längst in Reha befand, übte Kickl weiter Druck auf ihn aus.

Parteiintern schien die Strategie seit Wochen klar: Kickl macht Hofer so lange mürbe, bis der das Handtuch wirft. Kickl ist zwar als oppositioneller Krawallmacher bekannt. Wie der ehemalige Redenschreiber Jörg Haiders mit dem Parteichef umsprang, beobachtete so manche Landesgruppe dennoch mit großer Verwunderung.

Kickl gilt im Duell um die Parteiführung als einer der Favoriten. Manche sehen ihn gar völlig allein auf weiter Flur. In ihren Augen war es der Ex-Innenminister, der im Lager der Corona-Skeptiker mobilisierte und der FPÖ in den Umfragen Erholung bescherte. Für andere ist die Führungsfrage noch längst nicht entschieden. Mit Kickl dürfte eine Regierungsbeteiligung jedenfalls in weite Ferne gerückt sein. Mit der Kurz-ÖVP ist er spinnefeind, und seine Idee, mit SPÖ, Grünen und Neos den Kanzler zu stürzen, findet bisher keinen Anklang. Parteiintern hält man das ohnehin nicht für sein wesentliches Ziel. Kickl wolle kantige Oppositionspolitik machen. Sympathien für Kickl hegt der rechte Rand. Dass dieser ihm nicht fremd ist, zeigte nicht zuletzt sein Auftritt beim Kongress "Verteidiger Europas" 2016, bei dem sich Rechtsaußen-Personen tummelten.

Der gebürtige Kärntner blickt auf eine lange FPÖ-Historie zurück. Der heute 52-Jährige begann Mitte der 90er in der Wahlkampforganisation der blauen Akademie, die er Jahre später als Geschäftsführer übernahm. 2005 wurde Kickl Generalsekretär der FPÖ, erst im Jahr darauf zog er in den Nationalrat ein. Seit 2019 ist er Klubobmann.

Auf Distanz zu Kickls Avancen ging der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Haimbuchner. "Nach derzeitiger Sicht würde ich hier eine offensive Unterstützung nicht kundtun", sagte der Chef der gewichtigen Landesorganisation dem ORF.

Übernahm mit nur 23 Jahren die damals zerrüttete FPÖ in Salzburg: Marlene Svazek.
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Marlene Svazek

Die Salzburgerin Marlene Svazek war eine der Ersten aus den blauen Landesspitzen, die Mitte Mai auf die Führungsambitionen Herbert Kickls reagierten. "Er hat das handwerkliche Zeug dazu", sagte sie lapidar. Svazek selbst war 2016 nach dem Ausschluss des ehemaligen Langzeitobmanns Karl Schnell überraschend mit 23 Jahren in die Führungsrolle der Salzburger Freiheitlichen geschlüpft. Davor arbeitete sie als politische Referentin im Landtagsklub, war Beraterin des ehemaligen EU-Abgeordneten Harald Vilimsky und saß im Gemeinderat von Großgmain. Von November 2017 bis Juni 2018 war sie auch Nationalratsabgeordnete. Ihr Mandat gab sie wie auch den Job als FPÖ-Generalsekretärin wieder ab, um sich auf die Landespolitik zu konzentrieren. Svazek selbst bezeichnet sich als "nationalliberal". Ihr Vorgänger in Salzburg, Andreas Schöppl, beschrieb sie bei ihrem Antritt einst als "Salzburgs weibliche Form unseres künftigen Bundespräsidenten Norbert Hofer".

Svazeks Chancen auf den Bundesparteivorsitz dürften aber verschwindend gering sein. Die FPÖ in Salzburg ist eine vergleichsweise kleine Landesgruppe mit wenig Einfluss.

Zeigt Ambitionen, will sich aber auf den Landesparteitag Ende Juni mit den Kameraden in Niederösterreich konzentrieren: Udo Landbauer.
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Udo Landbauer

Dem Niederösterreicher Udo Landbauer wurden in den vergangenen Monaten immer wieder Ambitionen auf Bundesparteiebene nachgesagt. Relativ konkret wurden die Spekulationen darüber vor der Wien-Wahl im Herbst 2020. Innerparteilich hieß es damals aber abwinkend, die Liederbuchaffäre belaste den heute 35-Jährigen noch. Diese hatte den Neunkirchner vor der Landtagswahl 2018 zum Rücktritt von allen Ämtern gezwungen, nach Einstellung der Ermittlungen kehrte er wenige Monate später als geschäftsführender Klubobmann der FPÖ im niederösterreichischen Landtag in die Politik zurück.

Einer verzichtete damals zu seinen Gunsten auf sein Landtagsmandat: Michael Schnedlitz, inzwischen FPÖ-Generalsekretär und seit langem enger Vertrauter Landbauers. Die beiden kennen einander seit der Schulzeit im Militärrealgymnasium in Wiener Neustadt. Dienstagabend versicherte Landbauer aber, sich nun voll auf den Landesparteitag Ende Juni konzentrieren zu wollen. Das sei "freudige Arbeit genug", sagte er dem ORF Niederösterreich.

Dominik Nepp

Aus dem Spiel nahm sich am Mittwoch der Wiener Parteichef Dominik Nepp. Er geht davon aus, dass Kickl, der seine Bereitschaft dazu nicht gerade selten erklärt hat, auch der einzige Bewerber sein wird. Begeistert klingt Nepp ob dessen nicht unbedingt, als er gefragt wird, ob Kickl seine volle Unterstützung habe: "Wer wen unterstützt, werden die Gremien ausmachen." Er würde anders formulieren, als Kickl das tue. Das werde man sich aber nicht über die Medien ausrichten, sagte er der "Krone". Auch der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek will nicht in Hofers Fußstapfen treten. (Theo Anders, David Krutzler, Jan Michael Marchart, Walter Müller, Gudrun Springer, 2.6.2020)