Alfred Stern, Ex-CEO von Borealis und seit April als Vorstand in der OMV für den Bereich Chemicals & Materials verantwortlich, wird ab September Generaldirektor der OMV.

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Der Streit über die richtige Strategie für die OMV ist mit der Bestellung von Alfred Stern (56) zum neuen CEO entschieden. Es geht weiter in Richtung Chemie. Ob nun Ruhe einkehrt in Österreichs größtem Industriekonzern? So schnell wohl nicht. Zu tief sind die Gräben, die sich zwischen der alten, mehr dem Öl- und Gasgeschäft zugewandten OMV und der Kunststofffraktion um Borealis aufgetan haben, als dass diese rasch zugeschüttet werden könnten. Animositäten sind schwer aufzulösen, Intrigen, die es zuletzt in der OMV zuhauf gegeben hat, haben meist eine lange Halbwertszeit.

Der gebürtige Steirer Stern, der im September die Nachfolge des Deutschen Rainer Seele an der Spitze des teilstaatlichen Konzerns antritt, ist erst seit Anfang April Teil der OMV-Führungsmannschaft. Dort verantwortet er – noch – den neugeschaffenen Bereich Chemicals & Materials. Darin sind nach der im Frühjahr beschlossenen Neuorganisation des Konzerns, der rund 25.000 Mitarbeiter beschäftigt und 17 Milliarden Euro Umsatz macht, die Petrochemie und die Chemieaktivitäten der OMV gebündelt. Stern sollte in dieser Funktion die Integration von Borealis, deren Chef er bis März war, in den Gesamtkonzern vollziehen. Das wird nun wohl jemand anderes machen.

Leoben-Abgänger

Stern hat an der Montanuniversität Leoben studiert, den Master in Kunststofftechnik gemacht und anschließend auch den Doktor der montanistischen Wissenschaften. Sein Einstieg ins Berufsleben erfolgte 1996 bei Dupont, einem der größten Chemiekonzerne der Welt. Dort war Stern in verschiedenen Führungspositionen in der Schweiz, Deutschland und den USA tätig. Zwölf Jahre später, 2008, dockte der leidenschaftliche Rad- und Skifahrer bei der OMV-Kunststofftochter Borealis an. Stern leitete den Bereich Innovation und Technologie, ab 2012 verantwortete er den Bereich als Vorstandsdirektor. Das Innovationszentrum von Borealis in Linz hat Stern auf den Weg gebracht und dabei viele Steine aus dem Weg geräumt.

2018 dann der Sprung an die Spitze. Mark Garrett, der langjährige Borealis-CEO, hatte seinen Rücktritt erklärt, Stern rückte nach. Es war jener Mark Garrett, der nun als Aufsichtsratschef der OMV maßgeblich für die Nachfolgesuche von Seele verantwortlich war. Manche in der OMV sprechen deshalb bereits von einer Übernahme der OMV durch Borealis, zumal mit Martijn van Koten Anfang Juli ein weiterer Borealis-Mann in den Vorstand einzieht. Der gebürtige Niederländer wird dort den Bereich Raffinerie übernehmen.

Integrativ, stressresistent

Stern wird viel Geschick zeigen müssen, um die Öl- und Gasleute in der OMV für sich zu gewinnen. Menschen, die ihn besser kennen, trauen ihm das zu. Mit Stern werde ein neuer Stil Einzug halten, heißt es. Er wirke integrativ, habe auch ein Ohr für die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter. Stern sei ausgleichend und selbst ausgeglichen, stressresistent, ruhig und wertschätzend. Es mache für ihn keinen Unterschied, ob er mit dem Portier spreche oder mit einem Generaldirektor.

Öl- und Gasförderung, im Bild eine Anlage im Weinviertel, zählt zum Kerngeschäft der OMV, verliert aber an Bedeutung.
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Auch während der heißen Phase der Nominierung hat sich Stern im Hintergrund gehalten und keine PR-Maschine angeworfen. Weil Seele noch bis Ende August CEO bleibt, werde sich Stern bis auf weiteres auch nicht groß in den Vordergrund drängen, das sei nicht seins. Stern gehe es um die Sache, nicht um sich selbst. Sehr wohl aber gehe es ihm um Nachhaltigkeit. Schon während seiner Tätigkeit bei Borealis sei Kreislaufwirtschaft eines seiner Steckenpferde gewesen, und das aus Überzeugung.

Familienmensch

Stern, der verheiratet ist und zwei Kinder im Teenageralter hat, tankt Kraft bei seiner Familie, mit der er jede freie Minute verbringt. Gerne fährt er auch Rad und im Winter Ski. Reisen ist ebenfalls ein liebes Hobby von ihm, wobei er auch immer gerne etwas Neues, durchaus auch Abenteuerliches ausprobiere, sagen Leute, die ihn besser kennen. Reisen wird er in Zukunft wohl noch viel intensiver, mehr beruflich denn privat. Er muss die vielen Facetten der OMV schließlich erst kennenlernen. (Günther Strobl, 2.6.2021)