Judith Pühringer und Peter Kraus sind die beiden nichtamtsführenden Stadträte der Wiener Grünen. Sie könnten künftig als Doppelspitze fungieren – sofern sich die Basis dazu entschließt.

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Der Schock sitzt tief. Noch immer haben die Grünen ihren Rausschmiss aus der Wiener Stadtregierung nach der Wahl 2020 nicht verkraftet. Als Oppositionspartei sind sie still wie selten, suchen Orientierung und Aufmerksamkeit. Dazu lähmt die Suche nach der neuen Parteispitze, die den Grünen nach der Demontage von Birgit Hebein wieder Gehör verschaffen soll. Und das trotz des bisher besten Ergebnisses bei der Wien-Wahl im Herbst 2020: Da erreichte die Partei unter Hebein 14,8 Prozent.

Wie berichtet hat die Partei die Entscheidung über den künftigen Parteivorsitz zuletzt auf den Herbst verschoben. Der ruhige Peter Kristöfel bleibt damit noch einige Monate interimistischer Parteichef. Bei der online abgehaltenen Landesversammlung am 19. Juni werden aber zumindest die Weichen für die neue Führung gestellt.

Doppelspitze wird ermöglicht

So soll das Statut dahingehend verändert werden, dass auch eine Doppelspitze möglich ist. Und genau das peilen die Wiener Grünen dem Vernehmen nach mit den nichtamtsführenden Stadträten Judith Pühringer und Peter Kraus auch an. Die Spitzenwahl selbst soll dann im Herbst über die Bühne gehen – dann auch wieder mit einer in einem großen Raum versammelten grünen Basis.

Die großen Themenbereiche haben sich Kraus, zuvor Planungssprecher der Grünen, und Quereinsteigerin Pühringer bereits aufgeteilt: Kraus verantwortet den Bereich Klima, Arbeitsmarktexpertin Pühringer widmet sich dem Komplex soziale Gerechtigkeit.

Aus für fossil betriebene Fahrzeuge in Wien bis 2030

Neben der Statutenänderung beschäftigt sich die insgesamt 84. Wiener Landesversammlung der Grünen in zwei Wochen auch mit den großen inhaltlichen Pflöcken, die die Partei in der Opposition einschlagen will. Im Leitantrag "Aufbruch in die Zukunft. Aufbruch in ein grünes Jahrzehnt", der dem STANDARD vorliegt, nimmt das Klima eine Hauptrolle ein. "Die nächsten zehn Jahre werden entscheiden, ob wir sehenden Auges und ungebremst auf die Klimakatastrophe zurasen oder einen Weg gehen, der das Klima rettet", heißt es etwa.

Das erste formulierte Ziel der Grünen zielt auf eine ökologische Verkehrswende ab und folgt gleich zu Beginn: "Wir wollen 2030 in einer Stadt leben, in der fossil betriebene Fahrzeuge der Vergangenheit angehören", alle Wienerinnen und Wiener sollen rasch, sicher, günstig und klimaneutral unterwegs sein können. Die Grünen in Deutschland hatten einen ähnlichen Vorstoß bereits vor Jahren formuliert und ebenfalls das Jahr 2030 als Zeitpunkt festgelegt, ab dem kein Auto mit fossil betriebenem Verbrennungsmotor mehr vom Band rollen soll. Ab 2030 soll zudem der Strom in Wien "zu hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen" kommen.

Die rot-pinke Stadtregierung hat sich in ihrem Koalitionspakt darauf verständigt, dass Wien spätestens 2040 CO2-neutral wird. Bis zu diesem Zeitpunkt soll der Ausstieg aus fossilen Energieträgern für Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung folgen. Zum Thema Verkehr hieß es nur, dass die CO2-Emissionen bis 2030 um die Hälfte reduziert werden sollen. Das Wie in Richtung dieses Ziels von SPÖ und Neos ist noch offen. Aber auch die Grünen benennen nicht konkret, wie ihr höchst ambitionierter Vorstoß Realität werden könnte.

Mietzinsobergrenze von sieben Euro

Das Thema Arbeit und Soziales nimmt im Leitantrag ebenfalls breiten Raum ein. Bis 2030 soll die vorhandene Arbeit fair aufgeteilt werden und die Digitalisierung so weit genutzt werden, "dass eine 30-Stunden-Woche ausreicht".

Reaktiviert wurde zudem eine Forderung, die die einstige Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bereits 2010 vor der Wien-Wahl propagierte: eine Mietzinsobergrenze von sieben Euro. Im Bereich Bildung soll unter anderem eine inklusive gemeinsame Schule aller 6- bis 15-Jährigen vorangetrieben werden – ohne Trennung mit zehn Jahren in verschiedene Schultypen und Kategorien. Zudem wollen die Grünen, dass 2030 "alle Menschen, die in unserer Stadt leben, das Wahlrecht haben".

Bundeskongress der Grünen am 13. Juni

Noch vor der Landesversammlung findet bereits am 13. Juni der Bundeskongress der Grünen statt. Auch hier will sich die am tendenziell linken Rand befindliche Landespartei Gehör verschaffen. Besonders kritisch wird teilweise das Tun und Handeln der ÖVP unter Kanzler Sebastian Kurz gesehen – die sich freilich mit den Bundesgrünen in einer Koalition befinden.

Der "Kurier" berichtete am Mittwoch, dass Wiener Funktionäre einen Antrag vorbereiten wollten, der die Bundespartei massiv in die Bredouille gebracht hätte: Demnach sollte ein Beschluss erwirkt werden, dass Regierungsmitglieder zurücktreten müssen, wenn gegen sie Anklage erhoben wird – und die Grünen andernfalls aus der Koalition austreten. Dieser Antrag sei "gerade noch" verhindert worden.

Bei den Wiener Grünen wird das auf STANDARD-Anfrage dementiert: "Es gibt keinen solchen Antrag, und in keinem Gremium oder sonst wo wurde über einen etwaigen Antrag in dieser Richtung diskutiert", sagt ein Sprecher der Landespartei. "Es gibt ihn also nicht." (David Krutzler, 3.6.2021)