Von links: Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), Mouhanad Khorchide (Wissenschaftlicher Beirat Dokumentationsstelle), Elham Manea (Mitglied Wissenschaftlicher Beirat Dokumentationsstelle) und Ednan Aslan (Universität Wien) bei der Pressekonferenz zur Islamlandkarte.

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Eine Aufnahme eines Schildes.

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Kürzlich präsentierte Integrations- und Kultusamtsministerin Susanne Raab (ÖVP) gemeinsam mit der im Bundeskanzleramt angesiedelten Dokumentationsstelle Politischer Islam das Projekt "Islamlandkarte". Dort sind hunderte Moscheen und Vereine gelistet. Ziel des Projekts sei unter anderem, so hieß es bei der Präsentation, jene Vereine zu identifizieren, die dem politischen Islam zuzurechnen seien.

Nun wurden vor ausgewählten Moscheen und Vereinslokalen in Wien Schilder mit den Worten "Achtung, politischer Islam in deiner Nähe" angebracht. Zudem wird explizit auf die Islamlandkarte verwiesen. Wie Postings in einschlägigen Chatgruppen nahelegen, dürften die Schilder von Aktivisten aus dem Umfeld der rechtsextremen Identitären Bewegung montiert worden sein. Die Schilder wurden laut der Wiener Polizei mittlerweile entfernt und dem Verfassungsschutz übergeben. Dieser ermittelt.

Distanzierung

Sowohl Raab als auch die Dokumentationsstelle Politischer Islam verurteilten die Aktion. "Dass der legitime Kampf gegen den Politischen Islam von extremistischen Gruppierungen missbraucht wird, ist völlig inakzeptabel und klar zu verurteilen", sagte Raab.

Die Dokumentationsstelle Politischer Islam äußerte sich am Mittwochnachmittag zu der Angelegenheit: Man distanziere sich "dezidiert von der Vereinnahmung der Inhalte der Islamlandkarte der Universität Wien bzw. ihrer eigenen Publikationen durch rechtsextreme Aktivisten und Akteure", heißt es in einem Statement. "Das Anbringen von feindseligen Schildern und Botschaften vor Glaubenseinrichtungen ist aus Sicht der Dokumentationsstelle Politischer Islam nicht tragbar und steht in direktem Widerspruch zu Pluralität, Religionsfreiheit und Demokratiebewusstsein, denen sich die Stelle verschrieben hat."

Man fordere die "umgehende Entfernung dieser Schilder und Botschaften" und "verbitte" sich, mit rechtsradikalem und extremistischem Aktivismus in irgendeine Verbindung gebracht zu werden. Die Sicherheitsbehörden seien in Kenntnis gesetzt worden.

Grüne Forderungen

Die grüne Integrationssprecherin Faika El-Nagashi sieht in dem "unsäglichen Denunzierungsprojekt" eine "Steilvorlage für Einschüchterungen und Bedrohungen", wie sie auf Twitter schreibt.

In den letzten Tagen verneinte Raab immer die Frage, ob ihrer Meinung nach ein Sicherheitsproblem für dort gelistete Vereine bzw. Musliminnen und Muslime zu befürchten sei. Eine aktuelle Anfrage des STANDARD hinsichtlich des befürchteten Sicherheitsproblems blieb vorerst unbeantwortet.

Sicherheitsproblem befürchtet

Aus Sicht des Rechtsextremismus-Experten Andreas Peham von Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) war es "unbedingt absehbar", dass die Karte von Rechtsextremen instrumentalisiert werden wird. "Davor wurde ja bereits unmittelbar nach der Publikation gewarnt", sagt Peham zum STANDARD.

Und zwar vor allem nachdem die Karte durch die Pressekonferenz und die Präsentation im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den sogenannten politischen Islam geframt wurde. Denn bei der Karte handelt es sich eigentlich um ein schon älteres Projekt des Religionspädagogik-Professors Ednan Aslan von der Universität Wien: Die Onlinekarte mit hunderten Einträgen sollte eine Übersicht über islamische Moscheevereine geben. Die angeführten Adressen werden aus öffentlich zugänglichen Informationen gesammelt.

"Wir befürchten, dass diese Aktion aus dem ehemaligen identitären Umfeld nicht die letzte gewesen sein wird", sagt Peham. "Wenn die Karte nicht schnell offline genommen wird, ist Schlimmes zu befürchten." Wobei die Hauptbedrohung eher bei unorganisierten "einsamen Wölfen" liege, die durch diese Karte erst auf die Idee kommen könnten, Angriffe zu verüben.

Scharfe Kritik

Scharfe Kritik kommt auch von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ): "Muslimische Einrichtungen befinden sich aufgrund der pauschalen Verurteilung und des Schürens von Misstrauen in akuter Gefahr. Ich rufe die politischen Verantwortungsträgerinnen energisch dazu auf, diesem unwürdigen Kapitel der Islampolitik unverzüglich ein Ende zu setzen und ihrer Verantwortung für den Schutz der österreichischen Bürgerinnen und Bürger nachzukommen", fordert IGGÖ-Präsident Ümit Vural. Man habe bereits bei den Sicherheitsbehörden um Schutz der Einrichtungen angesucht.

In einem offenen Brief der Kultusgemeinden der IGGÖ wird Raab aufgefordert, unverzüglich zu veranlassen, dass die Islamlandkarte vom Netz genommen wird. Die von der Ministerin geführte öffentliche Debatte stilisiere den Islam und die österreichische Gesellschaft zu Gegenpolen und stigmatisiere pauschal alle Muslime und ihre Einrichtungen als potenzielle Gefahr für die Gesellschaft und demokratische Rechtsordnung.

Auch die SPÖ findet deutliche Worte: "Diese Schilder erinnern an die dunkelste Zeit unserer Geschichte. Die Islamlandkarte schürt Hass und spaltet unsere Gesellschaft auf nie dagewesene Art und Weise", schreibt Integrationssprecherin Nurten Yılmaz in einer Aussendung. Auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig äußerte sich: "Ich verurteile aufs Schärfste Aktionen von diesen offensichtlich rechtsextremen Gruppierungen, die darauf abzielen, Menschen zu stigmatisieren. Mindestens genauso ernst zu nehmen sind aber auch jene Dinge, die im politischen Vorfeld geschehen sind und ich meine damit die Islamkarte. Unser Ziel in Wien ist es, Menschen zusammenzuführen und eben nicht auseinanderzudividieren."

Auch SOS Mitmensch fordert das Offlinenehmen der Karte. Die Muslimische Jugend (MJÖ) kündigte bereits an, gegen die Karte rechtlich vorgehen zu wollen. Die Uni Wien untersagte schon vor einigen Tagen die Verwendung ihres Logos.

Ideologische Überschneidungen

Ironischerweise gibt es zwischen den Rechtsextremen und manchen der Vereine, vor denen ebendiese warnen, durchaus relevante ideologische Überschneidungen: "Es gibt bestimmte Klammerthemen, und in der Szene gab es auch immer wieder Überlegungen, hier auch punktuelle Allianzen zu bilden", sagt Experte Peham. Im Großen und Ganzen sei es eine "Spiegelfechterei, bei der sich auf beiden Seiten jeweils extreme Fraktionen gegenüberstehen".

Auf die fortschrittliche Kritik, die es an diesen Vereinen und Gruppen auch innerhalb der migrantischen Communitys gebe, müsse man stärker hören. In der Islamlandkarte sind allerdings alle möglichen Vereine und Gruppierungen verzeichnet.

Nach der Präsentation der Karte hat es auch Drohungen gegenüber Ministerin Raab gegeben, der Verfassungsschutz ermittelt. Ebenso gab es eine Drohung gegen den Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle, Mouhanad Khorchide. (Vanessa Gaigg, 2.6.2021)