Während Herbert Kickl eine Rede bei einer Corona-Demonstration im Prater hielt, waren im Publikum Identitäre (mit Transparent), Anhänger der antisemitischen QAnon-Erzählung sowie Gottfried Küssel anwesend.

Foto: Markus Sulzbacher

Der doch überraschende, eilige Abgang von FPÖ-Parteichef Norbert Hofer kam in der rechtsextremen Szene gut an. Schließlich haben Propagandisten seinem Rivalen Herbert Kickl seit Monaten Rosen gestreut und ihn auch im Machtkampf, den der FPÖ-Klubobmann parteiinternen führte, offen unterstützt. Kickl ist ihr Mann, während Hofer "feig, inhaltsleer, charakterlich sowie mental schwach" sei, wie etwa Identitären-Chef Martin Sellner in einem seiner Videos erklärte. Den Rücktritt Hofers kommentierte er dementsprechend wohlwollend. Obwohl Sellner auf zahlreichen Online-Plattformen gesperrt wurde, ist er im Netz weiterhin eine Größe. Sein Telegram-Channel zählt einige zehntausend Abonnenten und ist eine Anlaufstelle für Rechtsextreme jeglicher Couleur.

Kein Bier mit Sellner

Hofer zog sich die Gegnerschaft der Identitären zu, nachdem er sich in der Vergangenheit mehrmals von ihnen distanziert hatte. Auch das anstehende Verbot derer Symbole sei ihm "wurscht", wie er in einem ZiB2-Interview sagte. Sellner richtete er in einem Interview aus, dass er mit ihm nicht auf ein Bier gehen wolle.

Für seinen Herausforderer hat Sellner hingegen Lob parat: "Kickls Rückgrat ist aus Stahl und das wird bei Wahlen belohnt werden", schrieb er auf Telegram. 2019 warb Sellner auf Youtube und anderen Online-Plattformen um Vorzugsstimmen für Kickl, den er damals als den besten "österreichischen patriotischen Politiker" bezeichnete. Bei Corona-Demos trugen Identitäre, die mit dem Label "Die Österreicher" auftreten, Transparente mit der Aufschrift "Kurz wegkickeln", durch halb Wien. Ein Transparent, das Kickl sehr gefallen hat, wie er bei einer Rede bei einer der Kundgebungen anmerkte.

Kickl als Hauptredner bei rechtsextremen Event

Der für seine markigen Sprüche bekannte Kickl hatte bisher keinen Grund, sich von der rechtsextremen Gruppierung zu distanzieren. Im Jahr 2016 trat er als Frontliner bei einem Event der extremen Rechten in Linz auf, bei dem neben Strippenziehern der Szene, wie die deutschen Publizisten Jürgen Elsässer und Götz Kubischek, auch weitere FPÖ-Politiker, Neonazis, Burschenschafter, Putin-Fans und Identitäre teilnahmen. Die Veranstaltung mit dem Titel "Verteidiger Europas" war ein wichtiges Vernetzungstreffen der sogenannten "Neuen Rechten" in Österreich und Deutschland. In seiner Zeit als Innenminister setzte Kickl Alexander Höferl als Kommunikationschef ein, der zuvor als Chefredakteur der FPÖ-nahen Online-Plattform "Unzensuriert" wirkte und auch in Linz dabei war.

Hoffnung Kickl

Mit Kickl an der Spitze der FPÖ erhoffen sich die Identitären ein Ende der Abgrenzung. Diese setzte ein, nachdem bekannt wurde, dass der rechtsextreme Attentäter von Christchurch, der 51 Menschen ermordete, Sellner 1.500 Euro gespendet hatte. Davor kamen freiheitliche Politiker zu Kundgebungen, beteiligten sich an Aktionen, unterstützten sie finanziell oder teilten ihre fremdenfeindliche Propaganda auf Facebook und anderen Plattformen. Besonders eine finanzielle Unterstützung würde bei manchen führenden Aktivisten wohl gut ankommen.

Sellner beschäftigt sich mit "Auschwitz-Mythos" und Islamkarte

Sellner beschäftigt sich mittlerweile mit dem "Auschwitz-Mythos" und dem "Schuldkult", also dem Gedenken an die Opfer der Nazis. In einem Beitrag in einem neurechten Online-Magazin macht er sich darüber Gedanken, ob nicht der "Holocaust lediglich als Stichwortgeber für eine globale Herrschaftsideologie benutzt" werde. Zusätzlich versuchen die Identitären das Thema Islamkarte zu nutzen, indem Warntafeln für fünf islamischen Einrichtungen aufgestellt wurden.

Affront gegenüber Hofer und Haimbuchner

In Machtkampf zwischen Hofer und Kickl spielte auch die oberösterreichische Zeitschrift Info-Direkt eine Rolle. Das Blatt mauserte sich in den vergangenen Monaten zu einem wichtigen Sprachrohr der rechtsextremen Szene, in dem Identitäre-Aktivisten und FPÖ-Politiker zu Wort kommen. Zu dem Blatt ging Hofer auf Distanz, während Kickl und andere Freiheitliche darin Anzeigen schalteten oder in Interviews Rede und Antwort standen – ein Affront gegenüber Hofer und dem oberösterreichischen FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner, der mit dem Blatt ebenfalls nicht kann. Dazu passt, dass in einem Beitrag der "gekränkte Hofer" für die anhaltende Diskussion verantwortlich gemacht wurde. Andere Medien im Umfeld der FPÖ halten sich betont zurück, sie warten offensichtlich ab, wer neuer Parteichef wird. Schließlich hat sich Haimbuchner gegen Kickl ausgesprochen.

Küssel: Kickl ist ein "politischen Kopf"

Gottfried Küssel, Österreichs bekanntester Neonazi, kann mit der FPÖ wenig anfangen. Diese sei zu wenig "national", sagte er in einem Podcast einer deutschen Neonaziorganisation. Küssel kennt Politiker und Mitarbeiter der FPÖ persönlich, etwa Hofers Vorgänger Heinz-Christian Strache, mit dem er in den 1980er Jahren in der "Ausländer Halt"-Bewegung aktiv war. Kickl bezeichnete er als einzigen "politischen Kopf" in der Partei. (Markus Sulzbacher, 3.6. 2020)