Der Politik- und Medienberater Peter Plaikner erläutert im Gastkommentar die Situation der FPÖ in Oberösterreich und wie sich diese auf Bundesebene auswirkt.

Manfred Haimbuchner ist im Landtagswahlkampf, im Herbst wird in Oberösterreich gewählt.
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Der Standort bestimmt den Standpunkt. Deshalb ist der rasche Ruf nach Herbert Kickl aus Tirol, Salzburg, Kärnten und dem Burgenland so verständlich wie das vielsagende Zögern in Vorarlberg, Niederösterreich, Wien und der Steiermark nachvollziehbar. Auch der oberösterreichische Widerstand gegen die vermeintlich logische Wahl des Klubchefs zum Parteiobmann erklärt sich weniger aus persönlicher Rivalität als den anderen Umständen von Regierung und Opposition.

Das Heimatland von Jörg Haider ist heute, was Kärnten mit und unter ihm manchmal war – die letzte wahre blaue Machtbastion. Neben dem dort residierenden Manfred Haimbuchner und den außerhalb nahezu unbekannten Landesräten Günther Steinkellner und Wolfgang Klinger verfügt die FPÖ nur noch in Niederösterreich über ein amtsführendes Landesregierungsmitglied: Dort steht Gottfried Waldhäusl wegen Amtsmissbrauchs unter Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Bei den Nachbarn ob der Enns hingegen ist nicht nur der smarte Landeshauptmannstellvertreter weit über seine Parteikreise hinaus gesellschaftsfähig. Auch Andreas Rabl muss um eine weitere Amtszeit als Bürgermeister von Wels, Österreichs achtgrößter Stadt, kaum bangen. Doch während die stärkste kommunale Bastion der FPÖ ungefährdet wirkt, unterliegt die Zukunft ihrer regionalen Hochburg dem Kalkül der ÖVP. Beides entscheidet sich in nur 114 Tagen: Am 26. September wählt Oberösterreich am selben Tag wie die Deutschen ihren Bundestag seinen Landtag sowie die Gemeinderäte und Bürgermeister aller 438 Kommunen – inklusive der Statutarstädte Linz, Wels und Steyr.

Keine wahre Opposition

Auch infolge der regional einzigartigen sechsjährigen Funktionsperiode hat das wirtschaftlich stärkste Bundesland die höchste politische Kontinuität. Thomas Stelzer ist der erst fünfte Landeshauptmann nach 1945. Er fungiert erstmals als Spitzenkandidat der ÖVP, die lediglich in Niederösterreich ähnlich starke und zugleich moderne Strukturen hat – schon lange vor dem türkisen Neuanstrich der Bundespartei. Und nur hier und beim östlichen Nachbarn ist der Proporz noch aufrecht, durch den ab einer gewissen Stimmenstärke jede Fraktion auch in der Regierung sitzt.

In Oberösterreichs Landtag gibt es aktuell keine wahre Opposition. Nach Partnerschaften mit der SPÖ und dann zwölf Jahre mit den Grünen unter Rudolf Anschober regiert die Volkspartei aber seit 2015 de facto in einer Koalition mit der FPÖ. Die ÖVP hat diese Variante mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag dem ebenfalls möglichen Bündnis mit den Sozialdemokraten vorgezogen. Ein Vorbote der türkis-blauen Bundeskoalition.

Drohende Verluste

Diese regionale Zusammenarbeit hat auch nach dem durch die Ibiza-Affäre ausgelösten Ende der Kurz-Strache-Regierung funktioniert. Doch während laut allen jüngeren Umfragen ÖVP, Grüne und auch die SPÖ gegenüber 2015 leicht zulegen sollten, drohen der FPÖ klare Verluste. Allerdings auf hohem Niveau. Mit statt damals 30 nun 20 bis 25 Prozent ist sie noch Favorit auf Platz zwei – zuletzt immer stärker bedrängt von den Sozialdemokraten. Aus heutiger Sicht bleiben der bei 40 Prozent liegenden Volkspartei im Herbst jene drei Koalitionsvarianten, mit denen sie historische Erfahrung hat: mit Rot, Grün und Blau – auch wenn die Neos erstmals in den Landtag einziehen dürften.

In dieser Lage wirkt Stelzers Absage an einen Kickl-Stil "in unserem Land" als Botschaft, der sich Haimbuchner kaum entziehen kann. Für den steirischen FPÖ-Chef Mario Kunasek ist Oberösterreich das naheliegende Wunschbild. In Vorarlberg waren die Blauen schon Regierungspartner. In Wien und Niederösterreich verhindert der Selbstfindungsprozess im Zuge von Personalien wie Strache, Stenzel, Gudenus, Höbart, Waldhäusl und Landbauer eine frühe Festlegung. In Tirol und Salzburg bleibt die FPÖ zur Teilnahme an einer künftigen Koalition chancenlos und hofft auf regionale Stimmenmaximierung durch nationale Radikalisierung. Kärnten setzt mitten im eigenen Führungswechsel auf den Landsmann, und im Burgenland haben sie nur diese Hoffnung gegen den roten Rechtsausleger Hans Peter Doskozil.

Lösung mit Statthalter/in

Kickl selbst indes muss nicht Parteiobmann werden, um seinen Kurs fortzusetzen. Norbert Hofer konnte ihn trotz der Funktion so wenig stoppen wie Haimbuchner. Der muss auf Zeit spielen. Im Öffnungsrausch nach dem Corona-Höhepunkt verlieren Kickls radikale Positionen Gehör. Und eine vorgezogene Neuwahl ist noch Wunschdenken unter Missachtung der Grundrechenarten. Das spricht für eine Verzögerung der Entscheidung und eine/n Statthalter/in. Haider hat das mit Susanne Riess-Passer vorexerziert. Mit Marlene Svazek, Dagmar Belakowitsch und Susanne Fürst gäbe es dafür ebenso Auswahl wie unter FPÖ-Männern, die beizeiten weichen würden: entweder einem noch nicht absehbaren, pragmatischen Gegenkandidaten oder dem radikalen Kickl.

Mit ihm als Obmann – gleichgültig ob nur des Klubs oder auch der Partei – rückt die FPÖ noch weiter nach rechts. Spätestens nach der Oberösterreich-Wahl muss Haimbuchner so oder so den Machtkampf wieder aufnehmen. Wenn er daheim regierungsfähig bleibt, kann die FPÖ auch national als Spielpartner zurückkommen. Die Parteiposition von Kickl entscheidet die Koalitionsoptionen für die ÖVP in Land und Bund. (Peter Plaikner, 4.6.2021)