Ist es ein großer Schritt für Europas Bürgerinnen und Bürger oder ein Papiertiger? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Wie so oft, wenn es um die Frage nach einer gerechten Besteuerung geht. Zumal es unter anderem um Riesen wie Amazon, Starbucks und Co geht. Es sind vor allem diese US-Großkonzerne, denen immer wieder nachgesagt wird, durch legale Steuertricks ihre Abgabenlast so kräftig zu drücken, dass sie in Europa kaum oder gar keine Gewinnsteuern zahlen. Ob das tatsächlich so ist, wie Kritiker monieren, lässt sich allerdings mangels ausreichender Transparenz kaum feststellen.

Globale Riesen wie Amazon ecken nicht nur in Steuerfragen an. Das Thema Steuergerechtigkeit liegt allerdings besonders vielen Menschen am Herzen.
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Das soll sich nun ändern. Zumindest in dieser Frage ist die Europäische Union einen Schritt weiter. Nach einem fünf Jahre währenden Streit einigten sich die Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments am Dienstagabend auf die Regeln des sogenannten Country-by-Country-Reporting. Mit diesem Ertragssteuerinformationsbericht sollen große Konzerne mit weltweit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz voraussichtlich ab 2023 öffentlich machen müssen, in welchem Land sie wie viel an den Fiskus abführen. Und nicht nur das: In einem länderbezogenen Bericht sollen Nettoumsätze, Gewinn vor Steuern und Mitarbeiterzahl einsehbar werden.

Mehr Transparenz

Die Betonung liegt auf öffentlich, denn die Steuerbehörden der EU-Länder wissen ohnehin Bescheid und tauschen die Zahlen aus. Nur öffentlich zugänglich sind die Daten bisher nicht. Portugal, das derzeit den Vorsitz der 27 EU-Staaten führt, hat nun den Knoten für das seit 2016 debattierte Projekt durchschlagen. Erst organisierte das Land eine Mehrheit im EU-Ministerrat, am Dienstagabend gelang dann auch die Einigung mit Vertretern des Europaparlaments.

Transparency International beklagt, dass die EU-Vorgaben nicht weltweit gelten, sondern nur für EU-Länder und die von der EU benannten Steueroasen. Globale Multis würden weiter ausweichen.
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Anders als Deutschland ging Österreich diesmal mit. Lange galt die Republik in dieser Frage als Bremser. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) – lange an der Spitze des heimischen Möbelriesen und Steuersparprofis XXXLutz – fürchtete 2016, dass Daten "fehlinterpretiert" und Unternehmen an den Pranger gestellt würden. Ein solches Register brächte keinen Mehrwert, argumentierte Schelling damals.

Zu wenig scharf

Auch nach der Einigung, die von den EU-Institutionen noch formal bestätigt werden muss, sind nicht alle zufrieden. Transparency International beklagt, dass die EU-Vorgaben nicht weltweit gelten, sondern nur für EU-Länder und die von der EU benannten Steueroasen. Das lasse zu viele Schlupflöcher und mache die Sache zahnlos. NGOs wie Attac argumentieren ähnlich. Tenor der Kritik: Konzernlobbys hätten sich durchgesetzt.

Die Verhandlungsführerin für das EU-Parlament, die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner, spricht hingegen von "einen zentralen Etappensieg". Auch Othmar Karas, ÖVP-EU-Abgeordneter, sieht einen "wichtigen Erfolg". Die "Steuertricks werden nun für alle sichtbar", lobt auch die Grünen-EU-Abgeordnete Monika Vana und fordert nun sekundiert vom Handelsverband eine globale Mindeststeuer – ohne jahrelange Übergangsfristen.

Auch dieses Thema steht auf der Agenda – unter anderem bei dem am Wochenende anstehenden G7-Finanzministertreffen in London. Die USA hatten zuletzt 15 Prozent vorgeschlagen. Der Europäischen Union könnte dies zusätzlich 50 Milliarden Euro in die Kassen spülen. Deutschland und Frankreich sind zuversichtlich, dass man sich noch bis zum Sommer politisch darauf verständigen wird. (Regina Bruckner, 4.6.2021)