Der Debütant Daniel Bachmann warf sich dem Superstar Harry Kane mutig entgegen.

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Immerhin hat Englands Teamchef Gareth Southgate am sehr späten Mittwochabend seinem Kollegen Franco Foda persönlich zur Leistung in der zweiten Halbzeit gratuliert. Auf der Zoom-Pressekonferenz im Riverside-Stadium von Middlesbrough klang das so: "Sie haben gute Fußballer und kommen gut zwischen die Linien."Foda war trotz Schwächen in der Anfangsphase mit der 0:1-Niederlage "insgesamt zufrieden. Obwohl mich das Ergebnis natürlich nicht zufrieden stimmt. Wie hätten uns ein Unentschieden verdient gehabt."

Womit er nicht unrecht hatte, denn drei Riesenmöglichkeiten (Lattenschuss Sabitzer, Gregoritsch, Schöpf) wurden vergeben. Was er nicht ausdrücklich erwähnt hat, aber bei Analysen festgehalten werden muss: England trat mit einer B-Elf an. Kein Spieler von Manchester City, keiner von Manchester United und auch keiner von Champions-League-Sieger Chelsea. Southgate ließ fünf Mann auflaufen, die es nicht in den EM-Kader geschafft haben. Mit vollen Hosen lässt es sich vorzüglich stinken. Foda: "Aber das sind alles Nationalspieler, sonst wären sie nicht eingeladen worden. Da sieht man, welches Potenzial das englische Team hat, deswegen gehören sie auch zu den EM-Topfavoriten." Vielleicht der wesentlichste Unterschied zu Österreich.

Im Vergleich zum 0:4 in der WM-Quali gegen Dänemark war ein deutlicher Leistungsanstieg nicht zu leugnen, ein Abfall wäre auch absurd bis fatal gewesen. Steigerungsbedarf besteht laut Foda in der Chancenverwertung, beim Anlaufverhalten und beim schnellen Zug aufs Tor. Die Defensive hat ihm gefallen. "Die Restverteidigung war gut, wir konnten viele Kontersituationen vermeiden." In der ersten Halbzeit war, ohne dass es Foda erwähnt hat, der Abstand zwischen Verteidigung und Mittelfeld manchmal zu weit, der Aufbau stockte. Jene, die vorne pressten, hingen irgendwie in der Luft.

Bewerbungsschreiben

Absolut erfreulich verlief das Debüt von Tormann Daniel Bachmann, der 26-jährige Watford-Legionär strahlte Ruhe aus, wehrte spektakulär gegen Harry Kane ab, war beim Gegentor durch Bukayo Saka (56.) machtlos. Bachmann ("Es war eine Ehre, persönlich bin ich zufrieden") gab jedenfalls ein Bewerbungsschreiben ab. Ob es Foda liest, wird sich weisen, es sagte: "Bachmann hat seine Chance genützt." Festlegen wollte er sich freilich nicht.

David Alaba begann rechts im Mittelfeld, wechselte dann mit Christoph Baumgartner mehrmals die Seiten, auch Marcel Sabitzer rotierte. Dieses Trio ist dazu angehalten, die Gegner zu verwirren. Es darf selbst den Zeitpunkt des Rollentausches bestimmen. Superstar Alaba fand kaum ins Spiel. Angesichts seiner Klasse, von der auch Real Madrid überzeugt ist, müsste mehr möglich sein. Er sucht nach wie vor seine ideale Position. Ob Foda dabei hilfreich ist, sei dahingestellt.

Philosoph Dragovic

Mit Videobeweis wäre es vielleicht gar keine Niederlage geworden. Denn Stürmer Sasa Kalajdzic wurde in der Anfangsphase von Tyrone Mings im Strafraum heftig weggecheckt, und beim Treffer ist seinem Ballverlust ein Foulchen vorausgegangen. "Der Schiedsrichter hat es nicht gepfiffen. Im Endeffekt ist es scheißegal", sagte Kalajdzic. "Es gibt noch Luft nach oben."

Verteidiger Aleksandar Dragovic, einmal mehr sehr verlässlich, philosophierte: "Wenn wir vorne unsere Tore machen und hinten keine bekommen, kann etwas Großes entstehen." Freitagmittag wird die Nationalmannschaft von Bundespräsident Alexander Van der Bellen im inneren Burghof verabschiedet, wobei sie eh noch da bleibt. Am Sonntag wird vor 3000 Fans im Happel-Stadion gegen die Slowakei generalgeprobt (17.30 Uhr). Marko Arnautovic hat muskuläre Probleme, er tastet sich ans Mannschaftraining heran. Foda sehnt das herbei. "Mit seinen Qualitäten kann er den Unterschied ausmachen." Am 8. Juni wird das Base Camp in Seefeld bezogen. "Alles im Plan, dort holen wir uns den Feinschliff", beruhigt der Teamchef. Das erste EM-Spiel steigt am 13. Juni in Bukarest gegen Nordmazedonien. (Christian Hackl, 3.6.2021)