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Wir brauchen sie dringend und so viel davon wie möglich: liebevolle Blicke aufeinander.

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Das steht in keinem Zukunftsreport und scheint in keiner Liste der gefragtesten Fähigkeiten auf. Trotzdem brauchen wir das dringend und so viel davon wie möglich: liebevolle Blicke aufeinander. Küchenpsychologisches Geschwätz? Das hat doch im Business nichts verloren? Leider derzeit nicht – aber insgesamt: selbstverständlich doch.

Denn anders werden wir in den Organisationen die sogenannte Transformation nicht schaffen. Der Konfliktlevel ist intern vielfach bereits alarmierend hoch, die Ermüdung, die Reizbarkeit sind seit einigen Wochen da und dort im roten Bereich angelangt. Wir gehen einander auf die Nerven. Verteilt im Homeoffice und schlecht erreichbar mit der Unterstellung, selbst enorm viel zu arbeiten und den anderen beim Kopfeinziehen und Stundenschreiben zusehen zu müssen. Wir sind vielfach am Ende der Kräfte fürs Durchhalten nach all diesen Pandemiemonaten und noch immer nicht geimpft – oder geimpft, der Rest der Familie aber nicht, und es gehen sich nicht einmal ein paar Tage Urlaub am Meer miteinander aus.

Wir sind – zu Recht – besorgt, was die steigende Inflation (in den USA zuletzt 4,5 Prozent, im Euroraum 2,5 und in Österreich 2,8 Prozent) für das Ersparte und dann für den Kredit bedeuten wird. Aktuell sind wir dazu dauernd mit Meldungen von Menschenleid, Femiziden, Klimakatastrophen, Artensterben und Zerstörung konfrontiert – täglich kommt ein neuer Befund dazu. Wir sind angespannt, weil Bekannte rundum komisch geworden sind, es ist nur zu hoffen, dass die Kinder psychisch nach all dem Erlebten wieder heilen.

Rücksicht nehmen

Viele haben das Gefühl, zu wenig beachtet, gesehen, wertgeschätzt zu werden. Und so wird der Umgangston zunehmend rauer – man holt sich polternd, was einem vermeintlich zusteht. Oder sinkt in ein: "Das zahlt sich eh nicht mehr aus." Wir sind gut geworden im Beurteilen, im Aburteilen. Social Media hat dabei tüchtig geholfen – das geht schnell und immer schneller. Auch in den Betrieben miteinander.

Wie finden wir da heraus? Dass es nur gemeinsam geht, führt die Klimaschutzdebatte eindrücklich vor. Veränderung ist angesagt. Dazu gehört, mehr zu beobachten als zu urteilen. Den anderen gegenüber einzuräumen, dass wir nicht wissen können, wie ihre Lebenssituation genau aussieht, was sie wozu bringt. Dazu gehört anzuerkennen, dass wir immer nur in den eigenen Schuhen gehen, nie in denen der anderen.

Das heißt nicht, dass man sich alles gefallen lassen, alles tolerieren muss. Aber sich täglich um ein paar liebevolle Blicke zu bemühen hilft. Einem selbst, den anderen und damit dem Miteinander. (Karin Bauer, 8.6.2021)