Die globale Mindeststeuer von 15 Prozent dominiert das Treffen der G7-Finanzminister. Im Bild: Japans Finanzminister Taro Aso und IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.

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London – Mit ihren Plänen für eine Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne rennen die sieben größten Industrienationen (G7) bei einigen institutionellen Investoren offene Türen ein. Denn aus ihrer Sicht widersprechen die Anstrengungen der Unternehmen zur Steuervermeidung den ethischen Grundsätzen, denen sich die Fonds mit ihren finanziellen Engagements verpflichtet haben.

"Es geht nicht darum, mehr Steuern zu zahlen", sagt Analyst Kiran Aziz vom 80 Milliarden Dollar (66 Milliarden Euro) schweren norwegischen Pensionsfonds KLP. "Es geht darum, die richtige Menge Steuern zu zahlen. Wir wollen nicht, dass Firmen Praktiken und juristische Konstrukte nutzen, die zur Steuerverkürzung beitragen."

Thema dominiert G7-Gipfel

Das Ringen um weltweit einheitliche Unternehmenssteuern dürfte das G7-Finanzministertreffen am Freitag und Samstag in London dominieren. Der britische Finanzminister Rishi Sunak forderte die anderen G7-Länder am Freitag zu Fortschritten bei der weltweiten Steuerreform auf. "Wir können nicht mehr auf ein Steuersystem setzen, das zu großen Teilen aus den 1920er-Jahren stammt", sagte Sunak zu Beginn des Treffens. Unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD streben knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an, einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Für die Mindeststeuer haben die USA mindestens 15 Prozent vorgeschlagen.

Großen Internetkonzernen wie Amazon, die als Gewinner der Corona-Krise gelten, wird vorgeworfen, durch geschickte Gewinnverlagerungen weniger Steuern zu zahlen als angemessen. Einer Studie der Stiftung Action Aid zufolge hätte eine "faire" Besteuerung der Gewinne von Amazon, Apple, Facebook, Microsoft und der Google-Mutter Alphabet den G20 für das vergangene Jahr zusätzliche Einnahmen von 32 Milliarden Dollar beschert. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2018 taxierte den weltweiten Einnahmenausfall durch Steuervermeidung großer Konzerne sogar auf 200 Milliarden Dollar jährlich.

Staatsfonds als Vorbild

Einer der Vorreiter bei Investitionen in Unternehmen, die sogenannte ESG-Standards einhalten, ist der 1,3 Billionen Dollar schwere norwegische Staatsfonds. Dessen Chef hatte unlängst gegen "aggressive Steuerplanung" und Intransparenz in Steuerfragen gewettert. Er habe aus diesem Grund Anteile an sieben Unternehmen verkauft. Die Namen der Firmen nannte der Fonds nicht.

Aus ähnlichen Gründen hat sich Royal London Asset Management von Beteiligungen getrennt oder auf ein Investment verzichtet, so der Aktienchef des Unternehmens, Peter Rutter. Klienten bestünden verstärkt darauf, dass Unternehmen beim Thema Steuern das Richtige täten. Allerdings siedeln auch viele Vermögensverwalter ihre Fonds in Steueroasen an.

Bei der Beurteilung von Firmen unter den ESG-Gesichtspunkten Umweltschutz, Sozialverträglichkeit und gute Unternehmensführung spielen Steuerpraktiken bis jetzt nur eine untergeordnete Rolle. Die Anbieter von entsprechenden Ratings berücksichtigen bei ihren Benotungen vor allem die Einhaltung von Umweltschutzstandards und die Bezahlung gerechter Löhne.

Risiken und Nebenwirkungen

Der Indexanbieter MSCI hat bereits reagiert. Nach seinem neuen System kann sich eine ESG-Note verschlechtern, wenn die tatsächlich gezahlten Steuern erheblich von den Sätzen im Land mit dem operativen Geschäft abweichen. "Wir sagen nicht: 'Verkaufe sofort'", sagt MSCI-Geschäftsführerin Laura Nishikawa. Klienten müssten aber um mögliche Risiken wissen. KLP hat gemeinsam mit anderen skandinavischen Investoren rund 100 Firmen, darunter auch Technologiekonzerne aus dem Silicon Valley, zu ihren Steuerpraktiken befragt. "Wir sind der Ansicht, dass Steuern dort gezahlt werden sollten, wo Werte geschaffen werden", sagt KLP-Experte Aziz. Viele Unternehmen verschieben dagegen Gewinne zu Töchterfirmen in Staaten mit niedrigen Steuersätzen.

Der 600 Milliarden Dollar schwere niederländische Vermögensverwalter APG stellt sogar neue Leute ein, um Firmen in dieser Frage genauer auf den Zahn fühlen zu können. Eine der Beteiligungen habe sein Haus unlängst sogar davon abbringen können, Steueroasen zu nutzen, sagt APG-Manager Alex Williams.

Für Vermögensverwalter jenseits des Atlantiks scheint das Thema Steuergerechtigkeit allerdings eine untergeordnete Rolle zu spielen. Der Manager eines großen US-Hauses sagt, Besteuerung sei kein Thema für Investoren, sondern für den Gesetzgeber. Sudhir Roc-Sennet, in den USA beheimateter Chef für ESG-Anlagen beim Vermögensverwalter Vontobel, ist zwar grundsätzlich für die Schließung von Steuerschlupflöchern, hält aber nichts davon, deren Nutzung zu verteufeln. "Sollten Unternehmen höhere Steuern zahlen, nur weil es ethisch ist? Ich glaube nicht." Die Firmen müssten schließlich innerhalb des gesetzlichen Rahmens im besten Interesse ihrer Aktionäre handeln.

Aus diesem Grund sei eine koordinierte Initiative zahlreicher Staaten notwendig, sagt Fred Kooj, Chefanleger des Vermögensverwalters Tribe. "Ohne Regulierung werden sich die Unternehmen nicht bewegen." Gänse kämen schließlich auch nicht freiwillig zum Weihnachtsessen. (APA, Reuters, 4.6.2021)