"Es ist gut, wenn es ernsthafte Interessenten für die Funktion gibt. Das Gegenteil wäre doch enttäuschend": Thomas Zach, bürgerlicher ORF-Stiftungsrat, über Kandidaten zur Generalswahl 2021.

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Wien – Kommende Woche tagt das oberste ORF-Gremium zum letzten Mal, bevor es am 10. August den nächsten Chef für Österreichs weitaus größten Medienkonzern bestellt. Ein zentrales Thema: die Zukunft der – bald in einem Newsroom vereinten – ORF-Information und ihre Führung. Thomas Zach, Sprecher der bürgerlichen Mehrheitsfraktion, zeigt sich mit Blick auf das Großprojekt im STANDARD-Gespräch besorgt.

Dem Newsroom-Projekt komme im angelaufenen "Wahlkampfgetöse" um die ORF-Führung "nicht die notwendige Aufmerksamkeit" zu, sagt Zach. "Wenn mehr als 200 Journalistinnen und Journalisten in einer völlig neuen Struktur zusammenarbeiten sollen, dann ist das mehr als ein reines Umzugsprojekt. " Bisher klängen ihm die Erklärungen zum Newsroom aber mehr nach einem solchen Umzugsprojekt und nicht nach der "Zusammenarbeit im größten Informationsmedium des Landes".

Für Zach sind hier Themen entscheidend wie die Abläufe und Organisation in diesem großen Newroom. Wie ist sichergestellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Projekt mittragen? Und schließlich: Wie sind Binnenpluralismus und Vielfalt in einer so großen Organisation sicherzustellen?

Fragenkatalog an Wrabetz

STANDARD-Infos zufolge haben drei bürgerliche Stiftungsräte dazu einen Fragenkatalog an ORF-Chef Alexander Wrabetz zusammengestellt, Antworten erwarten sie in der kommenden Sitzungswoche. Auch dieser Fragenkatalog soll um die von Zach genannten Themen kreisen.

Für Zach sind die genannten Fragen "noch nicht beantwortet". Er erwarte im Stiftungsrat eine "klare Äußerung" des ORF-Generals.

Entscheidend für den Pluralismus im Newsroom ist auch die künftige Führung der vereinten ORF-Information. Der Stiftungsrat habe sich bereits klar für ein "breites Führungsteam" und gegen einen zentralen Chefredakteur ausgesprochen, betont Zach.

Drei Felder sind frei

ORF-General Alexander Wrabetz hat im STANDARD-Interview drei Chefs oder Chefinnen für den Newsroom angekündigt, nach aktuellen Überlegungen je eine/r für Video, Audio und Digital. Näher ausführen wollte Wrabetz diese Überlegungen nicht. Er beantwortete nicht, ob dieses Führungstrio auch ein Chefredakteur und zwei Stellvertreter sein könnten, wer in diesem Team die Letztentscheidung in strittigen Fragen hat oder auch bei der Disposition, wer welches Thema für welchen Publikationszeitpunkt und welche Sendung oder welches Format bearbeitet – oder auch nicht, wenn etwa die geplanten Teams von Sendungen sich nicht einigen können.

Wrabetz hat im STANDARD-Interview angekündigt, dass er die Führung des Newsrooms im Herbst jedenfalls noch selbst bestimmen will – auch wenn er vom Stiftungsrat nicht als ORF-General verlängert wird und jemand anderer den ORF ab 2022 führt. In dem Fall wolle er seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin aber dazu hören.

Erst klären, dann bestellen

"Bestimmen und bestellen kann man, wenn es eine klare Struktur, eine klare Aufgabenverteilung und klare Abläufe gibt", sagt Zach zu dieser Ankündigung. Diese seien zunächst zu klären. Nachsatz: "Ich habe nicht den Eindruck, dass derzeit der Fokus auf den richtigen Dingen zur richtigen Zeit liegt."

Zweifelt Zach, dass der Newsroom funktionieren wird? "Ich habe die Sorge", sagt er, und: "Im Moment habe ich nicht den Eindruck, dass wir da schon auf einem guten Weg sind." Aber: "Meine Sorgen kann man jederzeit gerne zerstreuen – bis jetzt ist das aber nicht passiert."

"Wahlkampffieber"

"Wir brauchen weniger Wahlkampfgetöse und mehr Fokus auf die Sacharbeit", sagt Zach: "Die Bestellung eines Generaldirektors ist ein Standardablauf in einem Unternehmen und zudem vom ORF-Gesetz sehr genau geregelt. Die Bewerbungsfrist beginnt in knapp einem Monat. Es würde dem Unternehmen guttun, wenn wir auf die schon einsetzende Aufregung verzichten."

Bisher hat allein der amtierende ORF-Generaldirektor Wrabetz erklärt, dass er sich noch einmal bewerben wird. ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer rief weitere Bewerber im STANDARD-Gespräch auf, "das Visier hochzuklappen", um einen Diskurs über Kandidaten und ihre Vorhaben zu beginnen.

Zach hält dem entgegen: "Warum sollte jemand seine Bewerbung ankündigen, bevor eine Funktion überhaupt ausgeschrieben ist? Das ist kein Wahlkampf. Auch wenn manche schon ins Wahlkampffieber kommen."

Erwartet Zach weitere Kandidaten oder Kandidatinnen um die Führung des ORF? "Es ist gut, wenn es ernsthafte Interessenten für die Funktion gibt. Das Gegenteil wäre doch enttäuschend", wenn es um die Führung von Österreichs größtem Medienkonzern gehe, sagt Zach: "Es geht um den Wettbewerb der besten Konzepte für die Zukunft." Und dann sagt er noch: "Wahl hat etwas mit Auswahl zu tun."

Für die Bestellung der ORF-Führung wären breite Mehrheiten wünschenswert, sagt der Sprecher des bürgerlichen Freundeskreises im Stiftungsrat. Die ÖVP-nahen Stiftungsräte haben die nötige Mehrheit für die Bestellung der ORF-Führung.

ORF-Player will doch noch nicht spielen

Noch vor der Generalswahl war den Stiftungsräten der Start erster Teile der Streamingplattform ORF-Player angekündigt. Nun hat ORF-General Wrabetz dieses Aviso wieder zurückgenommen, lediglich der Info-Teil "Newsroom" könnte sich bis August zumindest warmlaufen.

Wie sieht Zach die Verzögerung – er und einige Mitglieder seines Freundeskreises wie Petra Stolba drängen ja seit langem auf entschlossenere Digitalisierung? Zach: "Es gibt schon einen guten Grund, warum wir das Thema in jeder Sitzungswoche auf der Tagesordnung haben. Wir wollen, dass da etwas weitergeht, das ist immerhin der Ausspielkanal der Zukunft und ein zentrales Thema für das gesamte Unternehmen."

Ist Zach von der Verzögerung enttäuscht? Bevor er nicht davon offiziell informiert sei, "möchte ich keine Enttäuschung zum Ausdruck bringen", sagt Zach.

Der Player sei "gut organisiert", sagt Zach, an ihm werde nun "strukturiert gearbeitet" – wohl eine Anspielung auf den im Frühsommer 2020* zum Projektleiter bestellten ORF-Manager Roland Weißmann, der als bürgerliche Generalshoffnung gehandelt wird. (fid, 4.6.2021)