Carrie Johnson, geborene Symonds, bei ihrer Hochzeit Ende Mai. Viele fürchten ihren Einfluss.

Foto: AFP/REBECCA FULTON

Eines immerhin passiert Carrie Symonds schon lange nicht mehr: als dämliche Blondine abqualifiziert zu werden, jüngste in einer langen Reihe hübscher, junger Frauen, die dem Charme des berühmtesten englischen Zeitungskolumnisten erliegen und von diesem alsbald wieder verstoßen werden.

Das geht schon deshalb nicht, weil der weithin bekannte Journalist Boris Johnson (56) am vergangenen Samstag mit der 33-Jährigen vor den Traualtar der katholischen Kathedrale von Westminster trat. Damit gehört die neue Mrs. Johnson zu einem exklusiven Zirkel von drei Frauen, mit denen Großbritanniens amtierender Premierminister im Laufe der Jahre eine Ehe schloss.

In den Medien des Landes und weit darüber hinaus gab Johnsons öffentliches Bekenntnis zur Mutter des gemeinsamen Sohnes Wilfred kritischen Interpretationen ihrer Rolle neue Nahrung: Sie nehme in der Downing Street eine politisch unbekömmliche, weil viel zu einflussreiche Stellung ein. Tatsächlich verfügt Symonds trotz ihrer jungen Jahre über breite politische Erfahrung als Pressechefin der Tories und als PR-Beraterin konservativer Minister.

Klassische Macho-Männer

Ähnliche Kritik müssen sich die Frauen von Premierministern stets gefallen lassen, sobald sie als politisch interessiert oder gar politisch versiert bekannt sind. Das betraf besonders Cherie, die Frau des Labour-Premiers Tony Blair (1997–2007). Sie bestand – shocking! – darauf, in ihrem Berufsleben als brillante Kronanwältin weiterhin Ms. Booth zu bleiben. Hingegen nahm an Theresa Mays (2016–19) Ehemann Philip niemand Anstoß, obwohl er bekanntermaßen eminent wichtiger, dabei stets diskreter politischer Berater seiner Frau war und dafür vergangenes Jahr sogar den Ritterschlag erhielt. Ähnliche Ehrungen für die Gattinnen der Premierminister sind ausgeblieben.

Symonds bewegt sich also in einem noch immer ausgesprochen männlich geprägten Umfeld. Klassischer Macho-Mann war vor allem der frühere Chefberater Dominic Cummings. Neben einer echten Peinlichkeit rund um die teure Umgestaltung einer Dienstwohnung verbreitete Cummings allerhand Unbewiesenes über das Paar: Die damals noch Verlobte des Premiers habe Freunde in einflussreiche Positionen gehievt, durch ihre Schwangerschaft Johnson vom Kampf gegen die Corona-Pandemie abgelenkt, wegen einer trivialen Geschichte über ihren Hund Dilyn die Pressestelle der Downing Street verrückt gemacht. Verrückt sei nicht Symonds, findet die Telegraph-Kolumnistin Bryony Gordon: "Verrückt ist die nackte Frauenfeindlichkeit, die offenbar so normal ist, dass sie kaum jemandem auffällt."

Skepsis am rechten Rand

Hinter den Angriffen gegen die junge Frau des Regierungschefs, vermutet Ex-Staatssekretärin Anna Soubry, stecke zudem eine politische Absicht. Symonds unterstützte den Brexit und gilt als Fiskal-Konservative; mit vielen Angehörigen ihrer Generation teilt sie aber auch das brennende Interesse am Klimaschutz, an Nachhaltigkeit und gesunder Ernährung. Dies ist den Rechts-außen-Vertretern der Partei ein Dorn im Auge, wie Ben Harris-Quinney unter Beweis stellte, als er eine "dringende Untersuchung" von Symonds’ Rolle in der Regierungszentrale forderte.

Neben dem Misstrauen gegen eine kluge, junge Frau verraten solche Bedenken das geringe Vertrauen vieler Erzkonservativer in Boris Johnson. Der setzte zwar den harten Brexit durch, vertritt aber seit langem progressive Positionen etwa bei der Gleichstellung von Mann und Frau oder bei der Schwulenehe – anders hätte es der Konservative kaum geschafft, in der linksliberalen Hauptstadt zweimal das Rathaus zu erobern. Die Großzügigkeit, mit der die Regierung in der Pandemie an viele Berufsgruppen Staatsgelder verteilt, treibt altgedienten Thatcheristen längst die Zornesröte ins Gesicht.

Ein "pragmatischer Tory" eben, so Johnsons Biograf Andrew Gimson. Daran wird auch die neue Mrs. Johnson wenig ändern – wie groß auch immer ihr Einfluss sein mag. (Sebastian Borger aus London, 5.6.2021)