Erst vor wenigen Tagen hat eine in "Nature" veröffentlichte Studie vor der Zunahme von sogenannten Todeszonen in Süßwasserseen gewarnt. Die Untersuchung der Entwicklung von Sauerstoffkonzentration und Temperatur von fast 400 Seen weltweit hat gezeigt, dass die Temperatur der oberflächennahen Wasserschichten im Schnitt um 0,38 Grad Celsius pro Jahrzehnt angestiegen und die Sauerstoffkonzentration seit 1980 um 5,5 Prozent gesunken ist.

In einer im Fachjournal "Nature Climate Change" präsentierten Arbeit berichten Forscher nun von weiteren tiefgreifenden Veränderungen in den Lebensräumen von Seen. Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung Innsbrucker Wissenschafter hat dafür Temperaturdaten von 139 Seen ausgewertet. Das Ergebnis: Viele Arten werden durch die steigenden Temperaturen allmählich aus ihrem ursprünglichen Lebensraum verdrängt, invasive flexible Arten könnten sich weiter ausbreiten und viele Spezies werden die Veränderungen wohl nicht überleben.

Die verschiedenen Temperaturbereiche eines See werden häufig von einer "Sprungschicht" getrennt, die sich zwischen dem wärmeren Wasser der oberen Zonen und dem kälteren Tiefenwasser befindet.
Foto: Michael Feierabend

Berechenbare Veränderungen

Die Wissenschafter um Benjamin Kraemer vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin haben ein Modell entwickelt, mit dem sie erstmals die Veränderungen der Lebensräume in Seen berechnen können. Sie griffen dabei auf Temperaturdaten in 139 Seen in den Zeiträumen von 1978 bis 1995 und von 1996 bis 2013 zurück – zwei Zeitspannen, die unterschiedlich von der Klimaerwärmung beeinflusst waren. "Vergleicht man den Verlust der Biodiversität in marinen und terrestrischen Bereichen mit jenem von Lebensräumen in Seen, dann können wir feststellen, dass es in Süßwasser die größten Verluste geben wird", erklärte Ruben Sommaruga vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck.

Ob die aus ihren ursprünglichen Habitaten in den Seen verdrängten Arten neue Lebensräume finden und dort auch überleben können, hänge von vielen Faktoren ab, betonen die Forscher. Spezies, die auf bestimmte Temperaturen oder etwa einen bestimmten Sauerstoffgehalt angewiesen sind, werden versuchen, in andere Tiefen und Regionen eines Sees zu wandern, um dort einen neuen Lebensraum zu finden. Ob sie sich dort ansiedeln können, bleibt allerdings offen. Schließlich gebe es dort bereits heimische Arten, "mit denen die Neuankömmlinge konkurrieren müssen", so Sommaruga.

Video: Durch den Klimawandel schwinden in Seen die Lebensräume.
Benjamin Kraemer

Endemische Arten in Gefahr

Dagegen würden sich invasive Arten, die sich gut auf neue Bedingungen einstellen können, wahrscheinlich noch weiter ausbreiten können und dabei schwächere Arten verdrängen. "Es ist zu erwarten, dass viele, vor allem endemische Arten, nicht überleben werden", betonte der Ökologe.

Besonders betroffen von den Veränderungen sind Habitate in tropischen Seen, wo es nur wenige Temperaturunterschiede gibt. Daher sei dort die Chance geringer, neue Lebensräume zu finden. Bei Seen in höheren Lagen würden dagegen die Temperaturen in den verschiedenen Schichten des Gewässers viel stärker variieren. Zudem seien Seen etwa in den Alpen einer klar definierten Saisonalität unterworfen und würden sich üblicherweise jährlich im Frühjahr und im Herbst komplett durchmischen. "Das verändert Temperatur, Sauerstoffgehalt und Nährstoffe im See, wodurch Arten die Möglichkeit haben, andere Umweltbedingungen zu finden, die nicht so stark vom Klimawandel abhängig sind", so Sommaruga. (red, APA, 6.6.2021)