Der Milliardär Barry Diller sorgt nach der Realisierung der High Line mit Little Island für eine weitere Attraktion im Big Apple.

Foto: AFP / Angela Weiss

An Inseln herrscht in New York bekanntlich kein Mangel: Die ganze Stadt ist auf Inseln verteilt, mit Ausnahme der Bronx, des einzigen Bezirks, der auf dem Festland liegt. Neben den großen Inseln, angeführt von Manhattan, der am dichtesten besiedelten, gibt es etwa drei Dutzend kleinere.

Auf Ellis Island standen zwischen 1892 und 1924 zwölf Millionen Migranten aus Europa Schlange vor den Schaltern der Einwanderungsbehörde, deren Beamte darüber entschieden, wer ins Land durfte. Rikers Island ist ein Gefängnis, Hart Island eine Friedhofsinsel, Governors Island ein autofreier Park, zu dem das Publikum nur von Anfang Mai bis Ende Oktober Zugang hat.

Ticket, please!

Jetzt ist eine neue Insel hinzugekommen, eine künstliche: Little Island, nur wenige Meter vom Ufer entfernt im Hudson River gelegen. Litte Island kann man nicht einfach besuchen: Man muss ein Zeitfenster buchen und ein (kostenloses) Ticket vorzeigen. Erst dann lassen sie einen auf die Brücke, die hinüberführt. Überfüllungsgefahr!

Das Inselchen ist nur etwa so groß wie anderthalb Fußballfelder. Ein Hügel, auf dessen Kuppe eine Aussichtsplattform einen faszinierenden Blick auf Downtown-Manhattan mit dem One World Trade Center bietet. Wer den Höcker mit seinen überraschend steilen Hängen erklimmen will, kann das über zwei Routen tun: entweder einen in Kurven verlaufenden Weg nehmen oder über sorgfältig arrangierte Felsbrocken nach oben klettern.

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Ringsum Liegewiesen, Baumgruppen und Blumenbeete. Und ein Amphitheater mit 687 Plätzen. Für das wellige Terrain sorgen 132 Betonpfeiler, die mal so hoch wie Türme sind und mal nur knapp aus dem Wasser ragen. Ihre Form lässt an weit aufgeblühte Tulpen oder auch an Champagnergläser denken. "Eine glamouröse Ölbohrplattform im Fluss", so schildert das Magazin New York den optischen Eindruck.

Little Island ersetzt Pier 54, einen Kai mit bewegter Geschichte. 1912 legte dort die RMS Carpathia mit den Überlebenden der Titanic an. Lange gehörte der Hafen Manhattans zu den größten der Welt, woran heute noch die Landungsbrücken erinnern, auch wenn sie mit wenigen Ausnahmen für maritime Zwecke nicht mehr genutzt werden.

Pier 54 war schon ziemlich verfallen, als ihm Sandy im Oktober 2012 den Rest gab – ein Hurrikan, der den Hudson über die Ufer treten und in New York die U-Bahn-Tunnel volllaufen ließ. Was nach der Katastrophe Barry Diller auf den Plan rief.

Diller hat im Film-, Medien- und Internetgeschäft Milliarden verdient. Wie andere reiche Bewohner der Metropole ist auch er bereit, tief in die Tasche zu greifen, um im Stadtbild etwas zu hinterlassen, was noch lange, im Idealfall für alle Ewigkeit, an ihn erinnern soll.

Ein Hurrikan als Chance

Mit seiner Frau, der Modeschöpferin Diane von Fürstenberg, spendete er achtstellige Beträge, um aus der High Line, einer Hochbahntrasse, auf der bis 1980 Güterzüge verkehrten, einen Landschaftspark auf Stelzen zu machen.

Nachdem Sandy über die Stadt hinweggezogen war, wurde er gefragt, ob er den Wiederaufbau von Pier 54, ganz in der Nähe der High Line, finanzieren wolle. Diller wollte, er hatte jedoch ehrgeizigere Pläne: Was ihm vorschwebte, war eine Insel, keine Landebrücke.

Ein von ihm beauftragter Architekt, der Brite Thomas Heatherwick, lieferte die Entwürfe. Zwischendurch versuchte Douglas Durst, ein New Yorker Immobilienmogul, das Projekt mithilfe einer Bürgerinitiative zu stoppen. Die Aussicht auf einen langwierigen Rechtsstreit ließ Diller fast alles hinschmeißen. Erst als sich Andrew Cuomo, der Gouverneur des Bundesstaats New York, einschaltete, konnte es weitergehen.

Diller hat 260 Millionen Dollar ausgegeben, um die "glamouröse Bohrplattform" in den Hudson zu setzen. Für die nächsten zwei Dekaden will er die Kosten für die Pflege des Eilands übernehmen. Kein Wunder, dass der Volksmund auch von "Diller Island" spricht.

Öffentlicher Raum, von Privatleuten gestaltet

Das alles wirft die Frage auf, ob es wirklich eine gute Idee ist, wenn New York vermögenden Privatleuten gestattet, den öffentlichen Raum nach ihrem Gusto zu gestalten. Er wisse um die Einwände, sagte der Tycoon neulich dem Sender CNBC. Er verstehe Leute, die fragten, was jemandem mit Geld das Recht gebe, über das Aussehen öffentlicher Plätze zu bestimmen. Vieles von dem, was New York heute präge, antwortete er, gehe auf die Initiative privater, bisweilen exzentrisch veranlagter Bürger zurück: "Irgendein komischer Kauz kam und sagte: ‚Ich habe eine Idee!‘ Und dann hat er sich dahintergeklemmt."

Dem klimawandelbedingt drohenden Anstieg des Meeresspiegels, glaubt Diller, dürfte Little Island gewachsen sein. Der niedrigste Pfeiler ragt ungefähr fünf Meter aus dem Wasser – das sollte reichen. (Frank Herrmann aus New York, 6.6.2021)