Das Herumirren im Tarifdschungel von ÖBB und Verkehrsverbünden wird mit dem Klimaticket auf Fahrten ins Ausland beschränkt.

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Wien – Nach der Einigung mit Kärnten fehlen mit Wien, Niederösterreich, Burgenland und der Steiermark noch die wichtigsten Flächenbundesländer im 1-2-3-Klimaticket-Verbund. Es geht also zäh voran. Ein Start des Einheitspreistickets vor dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember scheint illusorisch. Denn insbesondere die Pendlerhotspots in Ostösterreich brauchen als Flächenbundesländer auch Zeit zur Umstellung. Ein Start drei Monate nach einer Einigung mit dem Verkehrs- und Klimaschutzministerium sei reichlich ambitioniert, heißt es in Niederösterreich.

Dafür verantwortlich sind neben Adaptierungen und Umprogrammierungen der Fahrkartensysteme bei den sieben Verkehrsverbünden, der ÖBB, den Privatbahnen, Stadtwerken und Verkehrsbetrieben auch diverse organisatorische Vorkehrungen, insbesondere bezüglich der dahinterliegenden finanziellen Angelegenheiten zwischen Bund und Bundesländern.

Ungleichgewicht steigt

Die finanziellen Auswirkungen werden bei den zur Umsetzung vergatterten Verkehrsbetrieben als erheblich bezeichnet, was an der Abgeltung der zu erwartenden Einnahmenausfälle ebenso liegt wie an Ungleichgewichten, die durch das Einheitsticket verschärft werden. Selbige bestehen zwischen kleineren und Flächenbundesländern wie Niederösterreich. Der Verteilungskampf um die hundert Millionen Euro für die Regionalstufen ist im Gang.

Diese Millionen werden vom Ministerium nach Bevölkerungszahl verteilt, nicht nach Verkehrsleistung. Wer bereits jetzt mehr Bus- und Bahnkilometer anbietet, bekommt künftig nicht alles abgegolten. Wien, Niederösterreich und das Burgenland (Verkehrsverbund Ost-Region, VOR) beispielsweise haben 43 Prozent der 8,9 Millionen Einwohner in Österreich, erbringen mit 250 Millionen Kilometern aber rund die Hälfte der jährlichen Öffi-Kilometerleistung in Österreich.

Nicht die Verkehrsleistung zählt

Je mehr Nutzer dort zum 1-2-3-Ticket abwandern, desto größer wird der Einnahmenausfall im VOR, den Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) aber nur gemäß Einwohnerzahl abgelten will. Anders in Oberösterreich, wo knapp 16 Prozent der Bevölkerung leben, aber nur 13 Prozent der Öffi-Verkehrsleistung erbracht wird. Kein Wunder also, dass das Angebot in den wichtigsten, noch fehlenden 1-2-3-Ticket-Bundesländern als Provokation gesehen wird.

Gleich viele Züge, mehr Fahrgäste, weniger Netzkarten, aber mehr Geld für die ÖBB– zu dieser paradoxen Situation kann es nach Einführung des 1-2-3-Klimatickets kommen.
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Andererseits wäre die Abgeltung gemäß Verkehrsleistung auch ungerecht. Denn Länder wie Wien, Salzburg, Tirol und Vorarlberg, die bereits 365-Euro-Tickets anbieten, gingen bei dieser Variante leer aus, weil dort ja keine Fahrgastabwanderung in billige Flatrates mehr in Gang gesetzt wird. Um derartige Schieflagen auszugleichen, sei die Auszahlung dieses zusätzlichen Geldes in diesen Bundesländern an die Ausweitung des Angebotes, an Taktverkehre oder die Einführung von Regionaltickets geknüpft, versichert man im Verkehrsministerium.

Großzügige Kompensation

Kritiker des neuen Tarifsystems, das mit dem Öffentlicher-Personennah-und-Regionalverkehrs-Gesetz nur über Einzelverträge pro Bundesland in Einklang zu bringen ist, bemängeln darüber hinaus eine "Verschwendung" öffentlicher Gelder im Zuge der Kompensation der Einnahmenausfälle durch den Bund.

Der Grund: Anders als bei den langfristigen Verkehrsdienstverträgen, mit denen der Bund das Grundangebot an Schienenverkehr bis 2029 sicherstellt, soll künftig nach Personenkilometern abgerechnet werden. Das könnte dazu führen, dass die Bahn für die gleiche Zahl an von der öffentlichen Hand bestellten Zügen mehr Staatsgeld bekommt als bisher, obwohl nicht mehr 1-2-3-Klimatickets verkauft werden. Das passiert dann, wenn die Klimaticketnutzer öfter mit dem Zug fahren. Dadurch erhöht sich die Abgeltung für die Bahn, obwohl nicht mehr Züge fahren. Diese Dynamik habe man beim Salzburger Edelweiß-Ticket, einer Senioren-Netzkarte für das Bundesland, genau beobachtet, sagt ein ausgewiesener Nahverkehrsexperte, der seinen Namen nicht in Medien lesen will.

Nur für drei Jahre

Von der Grundregel 365 Euro für ein Bundesland, 730 Euro für zwei Bundesländer und 1096 für ganz Österreich pro Jahr und Person scheint man übrigens längst abgerückt zu sein. In der Ostregion ist von einem Ticket um 550 Euro die Rede, mit dem Burgenländer nach Wien reisen können, dafür aber nicht im gesamten Bundesland unterwegs sein können – DER STANDARD berichtete exklusiv. Sonderstreckentarife für das Wiener Umland sind ebenfalls unvermeidlich, denn für Bewohner im Speckgürtel wäre das Zwei-Bundesländer-Ticket teurer als die aktuellen Streckenkarten.

Ein weiterer Streitpunkt: Die langfristige Finanzierung fehlt. Für 2022 hat das Ministerium 145 Millionen Euro an Kompensation zugesichert, im Jahr darauf 160 bis 170 Millionen Euro jeweils zuzüglich hundert Millionen pro Jahr für die Regionalstufen. Weiter reicht der Bundesfinanzrahmen nicht. (Luise Ungerboeck, 5.6.2021)