Alice Schneider als rote Fürstin in "Dance Macabre".

Nurith Wagner-Strauss

Der Tod ist ein Mythos, eine Geschichte, ein Bild oder ein Tanz mit Melodie. Zumindest kulturell gesehen. Aus Sicht der Natur aber bedeutet er ein bedingungsloses Ende für jede Form des Lebendigen. Wie sehr das die so natur- wie kulturhafte Spezies Mensch trifft, zeigt sich in ihrer Manie, permanent der Todesangst Ausdruck zu verleihen und zugleich doch immer wieder über Leichen zu gehen.

In diesen Konflikt greift der österreichische bildende Künstler Markus Schinwald (48) ein. Seine Performance Danse Macabre, jetzt bei den Wiener Festwochen als Uraufführung zu sehen, hat einen reizvollen Ort gefunden: das Liesinger Kulturzentrum F23, das bis 2013 eine Sargfabrik war.

Das Motiv des europäischen Totentanzes ist seit dem 14. Jahrhundert gebräuchlich, vor allem in Form von Bildern, aber auch in der Literatur und in der darstellenden Kunst. Es transportiert eine politische Botschaft: Der Tod wird als existenzieller Urkommunist vorgestellt, der keine Unterschiede zwischen arm und reich, mächtig oder schwach, attraktiv oder unscheinbar kennt.

Die Musik liefert Phace, die eine großartige Komposition von Matthew Chamberlain, Dance Macabre, heroisch umsetzt. Denn die Musiker sind beinahe vollständig hinter langen, weißen Deckwänden versteckt.

Besuch vom Gleichmacher

In der Mitte des Performanceraums sitzt das Publikum auf unbequemen, mit Flammen bemalten Hockern. Es muss sich drehen, wenden und beinahe winden, um dem Geschehen auf dem "Laufsteg" vor diesen den gesamten Performanceraum umfassenden Stellwänden folgen zu können. Sind doch das Schauen und Hören Lebensäußerungen, die uns nicht nur eitel Wonne spenden.

Die neun Tänzerinnen und Performer dieses Danse Macabre kommen sämtlich aus der Wiener Szene: von der roten Fürstin Alice Schneider über die blaue Columbina Julia Müllner oder die goldene Ritterin Elisabeth Tambwe bis hin zu Baron Samedi mit Zylinder in Person von Oleg Soulimenko.

Jeder Figur ist ein Platz zugewiesen, den sie nicht verlassen kann. Nur der Baron-Samedi-Tod stattet allen einen Höflichkeitsbesuch ab. Karg bleibt die Dramaturgie, schlicht auch der Tanz. Logisch, denn die Menschheit hat seit, sagen wir, dem Aufkommen des Totentanzes kulturell kaum Fortschritte gemacht. Und es scheint ganz so, als würde der heute so naiv angebetete Popanz der Technik, der hier als primitives Gestellchen karikiert wird, diesen Stillstand noch zementieren. (Helmut Ploebst, 7.6.2021)