Mit dem Ende des Übergangsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) Ende 2020 ist auch die wechselseitige Vollstreckung zivilgerichtlicher Entscheidungen abgelaufen.

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Mit dem Ende des Übergangsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) Ende 2020 ist auch die wechselseitige Vollstreckung zivilgerichtlicher Entscheidungen abgelaufen. Seit 1.1.2021 ist daher die EU-Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) nicht länger anwendbar.

Zwar sind alle davor eingeleiteten Verfahren davon nicht betroffen. Wer aber jetzt ein zivilgerichtliches Verfahren eröffnet, kann sich nicht sicher sein, ob ihm ein errungener Titel nützt. Ohne neues Abkommen ist es fraglich, ob und wie Entscheidungen der Zivilgerichte zwischen der EU und dem UK vollstreckt werden können.

Naheliegend wäre die Anwendung des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (EuGVÜ), der Vorgängerregelung von 1968. Dieses trat zwar formal nie außer Kraft, jedoch bestimmt Art. 50 des Unionsvertrags (EUV) , dass mit dem Austritt eines Staats aus der EU im Verhältnis zu dem austretenden Staat alle Unionsrechtsakte erlöschen. Es ist daher davon auszugehen, dass auch das EuGVÜ nicht länger anwendbar ist. Auch hat London eine Anwendbarkeit 2019 innerstaatlich ausgeschlossen.

Luganer Übereinkommen

Auch das Luganer Übereinkommen (LGVÜ), das die Vollstreckung von zivil- und handelsrechtlichen Entscheidungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und den Efta-Staaten Norwegen, Schweiz, Island und Liechtenstein regelt, ist durch den britischen Austritt nicht länger anwendbar. Hier müsste London neuerlich beitreten, was jedoch vonseiten der EU bisher blockiert wird. Darüber hinaus müssten alle Mitglieder des Luganer Übereinkommens dem neuerlichen Beitritt des Nicht-Efta-Mitglieds UK zustimmen.

Auch das Haager Gerichtsstandübereinkommen (HGÜ) hilft nur bedingt weiter, gilt dieses internationale Abkommen doch nur zwischen Unternehmen und nur, wenn sie den Gerichtsstand ausdrücklich vereinbart haben. Ohne eine solche Vereinbarung sind auch die in der HGÜ normierten Anerkennungs- und Vollstreckungsbestimmungen nicht anwendbar.

Darüber hinaus ist auch der zeitliche Anwendungsbereich des HGÜ unklar. Während London von einer Anwendbarkeit seit 1.10.2015 ausgeht, steht die EU-Kommission auf dem Standpunkt, dass die Briten erst durch den Austritt mit 1.1.2021 eigenständige Vertragspartei des HGÜ wurden. Für Gerichtsstandvereinbarungen, die im Zeitraum dazwischen abgeschlossen wurden, führt dies zur abstrusen Situation, dass zwar Urteile österreichischer Gerichte im Vereinigten Königreich anerkannt und vollstreckt werden, umgekehrt jedoch nicht.

Ein Blick zurück

Selbst ein Blick zurück in das Jahr 1933 und auf den britischen Foreign Judgments Act, der gegenüber Österreich 1962 in Kraft trat, bringt wenig. Es ist fraglich, ob diese Vereinbarung nicht durch den Beitritt der Länder zum EuGVÜ aufgehoben wurde.

Da es jedoch aktuell kein anderes Abkommen zwischen Großbritannien und Österreich gibt, auf das sich natürliche Personen stützen können, mehren sich die Stimmen, dass diese Vereinbarung sehr wohl wieder in Kraft sei. Unterstützt wird dies durch ein Merkblatt der britischen Regierung über die Folgen des Brexits vom 31.12.2020, das ausdrücklich auf diese Abkommen verwies. Dabei ist Folgendes zu beachten:

  • So ist zwingend ein Exequaturverfahren nötig, das prüft, ob eine Entscheidung anerkannt wird.
  • Es können nur Entscheidungen sogenannter oberer Gerichte anerkannt und vollstreckt werden. Dies beinhaltet zwar alle Gerichte vom Landesgericht aufwärts, nicht jedoch Bezirksgerichte. Auch Vergleiche können nur vollstreckt werden, so sie vor einem solchen Gericht geschlossen wurden.
  • Vollstreckbar sind nur Geldforderungen innerhalb von sechs Jahren ab Rechtskraft.

Fazit: Solange sich London und Brüssel nicht auf ein neues Abkommen einigen, ist man für die Anerkennung und Vollstreckung zivilgerichtlicher Entscheidungen auf das HGÜ oder das Vollstreckungsabkommen von 1961 angewiesen. (Fabian Paulista, 7.6.2021)