Ein Forschungsteam der FH Kufstein Tirol entwickelte ein Trainings-Lab für den effizienten und wirkungsvollen Einsatz digitaler Technologien in der Gesundheitsbranche.
Foto: AdobeStock.adam121

Laut Schätzungen der Europäischen Kommission verfügen 44 Prozent der europäischen Bevölkerung und rund 37 Prozent der Erwerbstätigen über unzureichende digitale Kompetenzen. Trotz der Vielzahl von Bereichen, in denen neue digitale Technologien einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung leisten könnten, hat das Gesundheitssystem eher zögerlich in entsprechende Technologien investiert. Die Digitalisierung könnte dazu beitragen, den Zugang zur Gesundheitsversorgung unter den Rahmenbedingungen der Qualitätssicherung und Kostenkontrolle zu verbessern. Bisher fehlt es vielfach noch an Unterstützungsprozessen im Gesundheitswesen, die darauf abzielen, die Nutzung der digitalen Entwicklungen im Gesundheitsbereich zu fördern.

Der Einsatz digitaler Technologien in der Gesundheitsbranche birgt viele Vorteile, dennoch werden diese bisher nur langsam integriert.
Foto: Fotolia.M.Nomad.Soul

Das Erasmus+-Projekt "Training Blueprint of the Digital Transformation of Health and Care" richtete sich daher an Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitswesen. Das Projektteam besteht aus Forschenden der FH Kufstein Tirol, Projektleiterin ist Claudia Stura. Lukas Huber, Sarah Plank und Annabell Tiller sind unterstützend tätig.

Forschungsarbeit

Um die derzeit bestehende Lücke zwischen den digitalen Möglichkeiten und deren effektiver Nutzung im Gesundheitssektor zu verringern, wurde das Projekt in Arbeitsschritte mit eigenen Zielsetzungen aufgeteilt. Die Forschenden der Kufsteiner Fachhochschule untersuchten im Rahmen des Erasmus+-Projekts, wie digitale Innovationen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung verschiedener Gesundheitsbereiche etabliert und Soft Skills zu ihrer Anwendung gelehrt werden können. Das EU-Projekt wird im Rahmen des Erasmus+-Projekts "Training Blueprint for the Digital Transformation of Health and Care" und einer Kooperation von fünf verschiedenen europäischen Partnern umgesetzt.

Trends und ihre Auswirkungen auf die Gesundheitspraxis

Die Ergebnisse der Erhebung im ersten Projektteil zeigen, dass sich der Einsatz digitaler Technologien im Gesundheitswesen in den untersuchten Ländern deutlich erhöht hat. Die Mehrheit der interviewten Expertinnen und Experten, darunter Ärztinnen, Ärzte, Krankenpflegerinnen, Krankenpfleger, Gesundheitswissenschafterinnen, Gesundheitswissenschafter sowie Fachkräfte aus Verwaltung und Beratung, betonte zugleich, dass das Vertrauen in die Nutzung von Technologien dennoch stark variiere.

Trotz gewisser Zurückhaltung sind sich Medizinerinnen und Mediziner in einigen Fällen einig, dass digitale Technologien eine gute Unterstützung im Patientenmanagement, insbesondere für junge Menschen, bieten, und sehen zunehmende Einsatzmöglichkeiten auch für ältere Menschen. "Einige Expertinnen und Experten sehen Vorteile in der Vernetzung und effizienten Tätigkeit. Dennoch wurden Hindernisse bei der Anwendung des Einsatzes digitaler Technologien in der täglichen Arbeit festgestellt – aber das hängt generell von der Technologie und dem jeweiligen Fall ab", so die Projektleitung Claudia Stura über die ersten Erkenntnisse.

Zeigt der Einsatz digitaler Technologien sichtbare Relevanz und Vorteile, steigt die Akzeptanz bei Personal, Patientinnen und Patienten.
Foto: Fotolia.ok-foto

Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner scheinen eine gewisse Skepsis gegenüber dem Einsatz digitaler Technologien zu haben, insbesondere in Bezug darauf, dass die Technologien niemanden ersetzen sollen. Ebenso sind einige Patientinnen und Patienten zurückhaltend und noch stark an den traditionelleren Ansatz in der Gesundheitsversorgung gewöhnt. "Es zeigt sich jedoch, dass die Akzeptanz der Nutzung mit der sichtbaren Relevanz und den Vorteilen steigt", stellt Lukas Huber fest.

Soft Skills als Kernkompetenz

Auf Basis der Ergebnisse des ersten Projektschritts konnten die Forschenden Kernkompetenzen identifizieren, welche die Einführung und Akzeptanz digitaler Lösungen im Gesundheitswesen erleichtern. Des Weiteren entstanden auf Basis der Untersuchung ein Profil an Soft Skills, die Aufschluss auf die Kernkompetenzen geben, auf welche sich das Trainingskonzept konzentrieren sollte. "Die Forschung in diesem Bereich hat aufgezeigt, dass die digitale Transformation vor allem mit der Veränderung des Managements in Organisationen zur Implementierung neuer, digitaler Technologien einhergeht. Dies kann durch die Aus- und Weiterbildung von Menschen unterstützt werden, die in diesen Organisationen arbeiten", so das Projektteam.

Die Interviewforschung zeigte, dass vor allem Kompetenzen wie kritisches Denken, Empathie, Kommunikationsfähigkeit sowie Aufgeschlossenheit essenzielle Voraussetzungen für Fachkräfte im Gesundheitsbereich sind. "Führungskompetenzen wie Verhandlungsgeschick, Überzeugungsfähigkeit und Flexibilität spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle", ergänzt die Projektleiterin.

Soziale Kernkompetenzen sind bei der Einführung digitaler Technologien im Gesundheitswesen erforderlich.
Foto: Fotolia.Sergey

Zusätzlich wurden Gründe für das Scheitern der digitalen Transformation herausgearbeitet. Die Problematik entsteht oftmals durch Abstimmungslücken zwischen Managementebenen oder -funktionen, indem beispielsweise gesonderte digitale Strategien entwickelt werden, anstatt diese in die Gesamtstrategie des Unternehmens zu integrieren und in der Personalplanung und -entwicklung zu berücksichtigen. In anderen Fällen liegt der Fokus auf Pilotprojekten, die sich stark an technologischen Trends orientieren – ohne eine angemessene Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen beziehungsweise ohne die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden miteinzubeziehen.

Online-Trainings-Lab

Der dritte Arbeitsschritt des Erasmus+-Projekts beinhaltete die Entwicklung eines Trainingskonzepts zum Thema "Anforderungsmanagement für klinisches und technisches Personal". Bisher organisierte das Forschungsteam der FH Kufstein Tirol zwei kostenlose Webinare.

Im September 2020 fand das erste Online-Webinar statt, welches sich mit dem Thema "Neue Kompetenzen und Trainingskonzepte für ein zukunftsorientiertes Gesundheitswesen" befasste. Es wurden die bisherigen Forschungsergebnisse des Projekts vorgestellt und diese mithilfe der Erfahrungen der Teilnehmenden ergänzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzten sich aus den verschiedensten Bereichen der Gesundheitsbranchen zusammen: beispielsweise Professorinnen, Professoren, Managerinnen und Manager im Gesundheitswesen, Krankenpflegende und IT-Spezialistinnen und -Spezialisten.

Im Frühling 2021 fand daraufhin ein vierwöchiges Online-Trainings-Lab statt. Praktische Aufgabenstellungen erforderten die Anwendung organisatorischer und lösungsorientierter Fähigkeiten, ein gutes Zeitmanagement und wichtiges Know-how zum Datenschutz. Die Teilnehmenden konnten auf diese Weise ihre Soft Skills für die gezielte Auswahl und den Einsatz digitaler Anwendungen schulen. Darüber hinaus wurden mögliche Herausforderungen vorgestellt und ausgearbeitet.

Das Trainings-Lab fand asynchron mit vier Einheiten pro Woche und 15 Minuten pro Tag statt. Die Teilnehmenden kamen aus verschiedenen Gesundheitsbereichen wie beispielsweise technisches Personal, Pflegepersonal, Diätassistentinnen, Diätassistenten und Studierende. Das asynchrone Format des Webinars bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, 24/7 auf die Lerninhalte, welche in Form von Videos, Podcasts und Zeitschriftenartikel verfügbar waren, zuzugreifen. Zusätzlich wurden Google Jamboards als interaktive Komponente verwendet.

Am Ende des vierwöchigen Trainings-Labs fand ein synchrones Treffen mit den Teilnehmenden statt, um offene Fragen zu beantworten. "Das positive Feedback und die Wertschätzung der Forschungsarbeit bestätigten die Notwendigkeit eines Trainingsangebots im Gesundheitsbereich", so das Projektteam.

Das Forschungsteam entwickelte in Zusammenarbeit mit Fachkräften ein Online-Trainings-Lab zur beruflichen Aus- und Weiterbildung, um die Nutzung der digitalen Entwicklungen im Gesundheitsbereich nachhaltig zu fördern.
Foto: AdobeStock.ipopba

Projektausblick

Aktuell befindet sich das Projekt in der abschließenden Phase und fokussiert sich auf die Stärkung der Kapazitäten der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen mittels Guidelines. Diese werden insbesondere für Anbietende von Schulungen für lebenslanges Lernen verfasst und sollen berufsübergreifende Empfehlungen darüber beinhalten, wie Trainings-Labs gezielt Prozesse unterstützen können, welche für die Einführung and Akzeptanz von digitalen Gesundheitstechnologien notwendig sind.

"Des Weiteren wird in diesem Projektschritt ein Konsortium entwickelt, das öffentlich-private Partnerschaften in der Weiterentwicklung ihrer im digitalen Gesundheitswesen notwendigen Soft Skills fördern wird", blickt Stura auf den letzten Projektschritt. Die zum Teil berufsspezifischen Bedürfnisse und Anforderungen, welche Anwenderinnen und Anwender neuer Technologien im Gesundheitswesen auszeichnen, bieten Raum für weiterführende Studien. (Christina Rüges, 10.6.2021)