Um die Stadt Jerusalem entbrennen immer wieder Konflikte zwischen Palästinensern und Israelis. Die Regierungsbildung schreitet indes voran.

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Jerusalem – Nach langem Hin und Her soll in Israel innerhalb einer Woche die endgültige Entscheidung über die künftige Regierung fallen. Das Parlament werde spätestens am 14. Juni über das geplante Acht-Parteien-Bündnis abstimmen, gab Parlamentspräsident Yariv Levin am Montag bekannt. Das genaue Datum werde er noch nennen. Der Politiker der Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte, er halte sich mit diesem Zeitrahmen ans Gesetz.

Die künftigen Koalitionspartner hatten eine Abstimmung bereits am Mittwoch gefordert.

Knappe Mehrheit

Das geplante Bündnis mit Parteien aus verschiedensten politischen Lagern verfügt in der Knesset nur über eine hauchdünne Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten. Mit der Vereidigung eines neuen Kabinetts ginge eine Ära zu Ende: Es wäre das erste Mal seit zwölf Jahren, dass eine Regierung ohne Netanjahu gebildet wird. Der 71-Jährige versucht noch, dies zu verhindern. Netanjahu hofft, dass sich in den nächsten Tagen im gegnerischen Lager noch Abtrünnige finden. Spätestens am nächsten Montag muss jedoch entschieden werden.

Die Nachfolge Netanjahus als Ministerpräsident will der 49-jährige Naftali Bennett von der ultrarechten Yamina-Partei antreten. Seine Regierung soll aus acht Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum sowie einer arabischen Partei bestehen. Laut Medienberichten bemüht sich die Koalition auch um eine zügige Ablösung von Parlamentspräsident Levin.

Netanjahu: "Betrug des Jahrhunderts"

Netanjahu bezeichnete die geplante Koalition als "Betrug des Jahrhunderts". Bennett sagte am Sonntag in Richtung Netanjahu: "Beruhige dich. Lass das Land frei und erlaube ihm voranzugehen." Anhänger Netanjahus üben großen Druck aus, um einen Machtwechsel zu verhindern. Demonstranten beschimpften Bennett auf Kundgebungen als "Verräter" und verbrannten sein Porträt. Der Chef des Inlandsgeheimdiensts Shin Bet warnte am Wochenende vor Blutvergießen.

Umstrittener Flaggenmarsch verboten

Die Polizei verbot indes einen umstrittenen Flaggenmarsch nationalistischer Gruppen in Jerusalem, der für Donnerstag geplant war. Sollten die Organisatoren einen anderen Zeitpunkt oder ein anderes Konzept vorschlagen, würden diese Vorschläge erneut geprüft. Der Marsch sollte auch durch das muslimische Viertel in der Jerusalemer Altstadt führen, weshalb es Sorge vor einer neuen Eskalation der Gewalt gab. Der palästinensische Vizegouverneur Jerusalems, Abdullah Siam, hatte vor einer "Explosion" gewarnt.

Einzelne Teilnehmer kündigten an, trotzdem auf der geplanten Route des Flaggenmarschs zu laufen. Israel hatte den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems 1967 erobert. Die Palästinenser sehen ihn als künftige Hauptstadt, Israel beansprucht dagegen ganz Jerusalem als Hauptstadt.

Kurz-Botschaft

Angesichts des drohenden Machtverlusts erhielt Netanjahu unterdessen Rückendeckung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). In einer Videobotschaft, die Netanjahu am Sonntagabend auf Twitter veröffentlichte, dankte Kurz "Bibi" für "die gute Kooperation im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie" und lobte dessen Erfolge beim Impfprogramm. Netanjahu kommentierte das Video mit den Worten: "Danke, mein Freund Bundeskanzler von Österreich". (APA, dpa, 7.6.2021)