Der Ausstoß von giftigen Abgasen der Verbrennungsmotoren wurde in den vergangenen Jahren erfolgreich minimiert. Damit wird nun ein neues Problem offensichtlich, das mittlerweile schon größer ist als jenes der giftigen Abgase selbst. Es geht um jene kleinen und kleinsten Teilchen, die beim Betrieb eines Autos sonst noch durch die Luft gewirbelt werden, die sogenannten Nicht-Abgas-Partikel-Emissionen. Nämlich: Bremsstaub, Fahrbahnabrieb, Reifenabrieb und Straßenstaub. Das macht mittlerweile mengenmäßig insgesamt mehr aus als die Abgase, gleichzeitig weiß man über die gesundheitliche Wirkung der Partikel aus Staub und Abrieb sehr wenig.

Profilverlust

Ein einziger Reifen verliert rund ein Kilogramm an Masse, bis sein Profil auf Mindesttiefe abgefahren ist. Vier Reifen müssen je nach Fahrweise und Fahrzeug alle 10.000 bis 40.000 Kilometer gewechselt werden, weil sie abgefahren sind. Das heißt, ein Auto zerreibt zwischen 20 kg und 80 kg Gummi in seinem Leben, löst ihn sozusagen in Luft auf. Was nicht als feiner Staub von Lebewesen eingeatmet wird oder sonst irgendwo für immer picken bleibt, landet zu einem erheblichen Teil als Mikroplastik im Grundwasser.

Peter Fischer, Vorstand des Instituts für Fahrzeugtechnik der TU Graz
Foto: TU Graz / Helmut Lunghammer

Schwieriger zu quantifizieren und auch qualifizieren ist der Straßenabrieb. Je nach Fahrbahnbeschaffenheit (Asphalt, Beton) ist er mehr oder weniger gesundheitsschädlich. Was man hier sicher weiß: Pkws nützen die Fahrbahnoberfläche kaum ab, hier sind die Lastwagen die Hauptverursacher, wenngleich auch die Pkws für Verwirbelung sorgen genauso wie für die Verwirbelung aller anderen Arten von Staub, die auf der Straße verteilt sind, am auffälligsten der Streusplit. Dem kann vor allem durch regelmäßige Straßenreinigung begegnet werden.

Ein besonders Kapitel ist der Bremsstaub. In Expertenkreisen ist man sich schon lange klar darüber, dass Bremsstaub eine nicht zu unterschätzende Rolle bei den Schadstoffemissionen spielt. Deshalb hat man Asbest 1990 generell verboten, ein beliebter und vor allem sehr billiger Zusatz, um Bremsbeläge hitzefest zu machen.

Doktorand Michael Huber
Foto: TU Graz / Helmut Lunghammer

Es besteht aber trotzdem immer noch der dringende Verdacht, dass die Partikel hochtoxisch sind. Es gibt zwar für die Materialzusammensetzung von Bremsscheiben und Bremsbelägen länderspezifisch grobe Richtlinien. Die Zusammensetzung im Detail ist aber von Hersteller zu Hersteller verschieden.

Peter Fischer, Vorstand des Instituts für Fahrzeugtechnik an der TU Graz: "Wir kennen die möglichen Ausgangselemente: Eingebettet in eine Kohlenstoffmatrix handelt es sich dabei zum Beispiel um Barium, Kupfer, Zirkonium, Chrom, Zinn, Eisen oder Magnesium. In alten Bremssystemen hatte man sogar noch Blei gefunden. Man kann sich also vorstellen, dass bei heißen Temperaturen – Bremsen können bis zu 700 °C erreichen und wortwörtlich glühen – heftige chemische Reaktionen stattfinden. Es entstehen Kleinstpartikel, die direkt in die Umgebung geschleudert werden."

Achsprüfstand
Foto: TU Graz / Helmut Lunghammer

Dass Bremsstaub bis jetzt kaum gemessen und analysiert wurde, liegt wohl daran, dass dies sehr schwierig ist. Immerhin ist die EU gerade dabei, entsprechende Gesetze zu entwickeln. Sie sollen nach derzeitigem Wissensstand 2027 in Kraft treten. Momentan gibt es nämlich weder Messmethoden noch Messgeräte noch Grenzwerte. Und hier sieht Peter Fischer auch ein Problem: "Unsere Befürchtung ist, dass man salopp gesagt an einem Fahrzyklus bastelt, der nicht dem realen Fahrverhalten entspricht und nur geringe Emissionen erzeugt. Insbesondere für bergige Gegenden, wo Bremsen extrem heiß werden und andere chemische Reaktionen ablaufen, würde eine Gesetzgebung basierend auf diesen Fakten kaum etwas an der Emissionssituation verbessern."

Ein heikler Punkt ist auch, dass bei höheren Temperaturen nicht nur Masseteile abgerieben werden, sondern auch chemische Reaktionen der Partikel und Stäube stattfinden. Auch Notbremsungen aus hohen Geschwindigkeiten auf Autobahnen, etwa wenn ein Lkw plötzlich ausschert, beanspruchen die Bremsen übermäßig. Deshalb appelliert Peter Fischer auch an die Gesetzesmacher: "Gerade in alpinen Gegenden werden lokal mehr und chemisch andere, kritischere Emissionen auftreten als in flachen Gegenden. Eine Reglementierung auf Basis kaum relevanter Szenarien und bei derartigen Wissenslücken wird für die alpine Immissionssituation, für die Umwelt und für die Gesundheit so gut wie gar nichts bringen."

Einrichtung zur Messung von Bremsabrieb
Foto: AVL

Die Herausforderung ist nun, erst einmal zur Messung des Bremsstaubes eine Methode zu entwickeln. Dieser ist naturgemäß schwieriger einzufangen als das Motorabgas, wo ja alles konzentriert aus dem Auspuff strömt. Deshalb entwickelt Fischer gerade mit Doktorand Michael Huber und der AVL gemeinsam eine Möglichkeit, den Bremsabrieb direkt bei der Entstehung einzufangen, zu messen und zu analysieren.

Kein Patentrezept

Auch durch eine Vermehrung der Elektroautos, die ja häufig durch Rekuperieren verzögern, wird diese Problematik nicht automatisch aus der Welt geschafft. Auf die Spitzenbeanspruchung der Bremsen hat das Rekuperieren wenig Einfluss. Das heißt, die Phasen, in denen besonders giftiger Bremsstaub entsteht, können beim Elektroauto genauso auftreten und durch das höhere Gewicht der Elektroautos sogar noch dramatischer verlaufen. (Rudolf Skarics, 18.6.2021)